Review

1985 war das Jahr von Police Story.
Es war auch das Jahr, indem andere Klassiker wie Mr Vampire, Heart of the Dragon, Yes Madam, My Lucky Stars und Twinkle Twinkle Lucky Stars erschienen. Danny Lee wurde mit Cop Thrillern zum Box Office Magneten.
Im Ausland drehten einheimische Pendler Protector und No Retreat, No Surrender.
Niemand scherte sich um die vierte Auflage der 36 Kammern der Shaolin; dessen Original zwar 1978 ein Kassenschlager und unbestrittener Höhepunkt war, aber mittlerweile eben so angestaubt, dass es im Trubel von Modern Day Action nicht mehr gefragt ist.
Sowieso waren Filme der Shaw Brothers in den letzten Jahren nicht mehr automatisch Publikumsrenner; im Gegenteil. 1985 war ihr letztes wirklich noch produktives Jahr; wobei die zwei Dutzend erschienenen Arbeiten auf keinem Gebiet mehr Neues erschlossen und die Traditionen nicht mehr zogen. Man versandete nach zwei Jahrzehnten unablässiger Herstellung im Einheitsbrei und fiel nur noch dadurch auf, dass man die einstmals geschaffenen Trends nunmehr selber verschlief.

Enter the 36th Chamber of Shaolin [ AT ] erging es genauso; offensichtlich wollte man hier und mit dem gleichjährigen Disciples of the 36th Chamber noch mal eine Kuh melken, die aber in ihrer Antiquiertheit längst ausgetrocknet war; aber in der Not frisst der Teufel Fliegen.
Genützt hat alles nichts. Weder die Besetzung mit den Altgedienten Gordon Liu, Lo Lieh, Lee Hoi Sang, dem Zusatz durch die beiden Venoms Phillip Kwok und Lo Meng sowie dem Nachwuchs Chin Siu Ho; nicht die vermeintlich frische Regiearbeit eines Debütanten und schon gar nicht die Vermengung von Altbewährten mit etwaigen Modernem.
Die hierbei unstimmige Wirrniss von Anfängern hinter der Kamera und Übermüdeten davor vermeidet sogar erst einen guten Film; man bekommt als Abschluss einer Epoche nur ein Trauerspiel geboten, was in seiner Gesamtheit aufzeigt, dass es vielleicht doch besser ist, wirklich die Segel zu streichen. Man konnte sich ja gar nicht mehr unter den anderen Angeboten halten, wenn man Derartiges auf den veränderten Markt wirft; auch Jahre zuvor hätte das Konstrukt wohl kaum mehr Einspiel verbucht.

Dabei fängt alles soweit normal an. Die Ausstattung ist genauso wie in den 70ern, was einmal nicht als Beleidigung dastehen soll, sondern ruhig ein Kompliment abgeben kann. Man kennt die Schauplätze, hat sich daran gewöhnt und ist damit vertraut; dies ist aber das Einzige neben dem ebenso vorhandenen Shawscope, auf was man nicht hätte verzichten wollen. Wenn die ersten Akteure das Bild betreten, sieht man schon deutlich deren Reifeprozess an. Dafür scheint die Geschichte auch gebraucht und unter Aufsicht geprüft zu sein; muss nicht unbedingt ein Manko darstellen:
Chik Lian-jia [ Lo Lieh ] wird an den Hofe des Kaisers gerufen und bekommt einen Todesauftrag. Er soll die Hong – Schule ausradieren, die zu den Feinden der Aristokratie gehören.
Chik pirscht sich des Nachts an die Schule heran und schaltet in einem flinken Kampf die Meisten aus; nur Hung Hei-kwun [ Lo Meng ], Fong Sai-yuk [ Wong Yu ] und Hu Hui-gan [ Chin Siu Ho ] können mitsamt einer heissbegehrten Goldenen Medaille fliehen. Sie verstecken sich im Shaolintempel, wo sie zudem ihre Techniken aufbessern.

Nun folgt etwas, was man eher unter der Ägide eines Wong Jing erwartet hätte, und dort wohl auch besser aufgehoben wäre; Grünschnabel Yau Fung Hung pendelt nämlich zu nichts Geringerem als Die Lümmel von der ersten Bank - Asian Style. Alle sieben Film der Reihe auf einmal, angefangen von Zur Hölle mit den Paukern über Hurra, die Schule brennt! bis hin zu Betragen ungenügend.
Einblicke in die Philosophie des Kung-Fu ? Gestrichen.
Ansätze einer Problematisierung mitsamt Anmerkungen zur chinesischen Innenpolitik der späten 70er Jahre ? Gestrichen.
Perfekt inszenierter Martial-Arts-Film ? Gestrichen.
Brennen tut hier nur der einstmals ehrwürdige Shaolintempel und ungenügend sind die Witze; also zur Hölle mit dem Film.

Der Paukerschreck ist natürlich der Neuankömmling Fong Sai-yuk, der seinen später mal hochangesehenen Namen hier überhaupt nicht verdient und sich auch gar nicht wie ein anerkannter Volksheld im Frühstadium benimmt. Er ist ein bisschen feige, hat die grosse Klappe, noch nicht das entsprechende Können und auch gar nicht die Figur dafür; sieht also weder wie ein Jet Li aus noch verhält er sich so. Ärger mit älteren Frauen gabs auch hier schon – mit Mami nämlich; ansonsten wird sich aber bevorzugt an Gleichaltrigen rangehalten und dabei keck der Pony gewippt.
Er ist der Anführer der Frischlinge, die von den Senior Studenten unter Führung von Wu Qing [ Gordon Liu ] getrietzt werden und dagegen alsbald ebenso zurückschlagen wie sie sich gegen die veralteten Lehrmethoden und steifen Pädagogen durch Streiche auflehnen.
Wer jetzt noch dabei ist, bekommt viele männliche Nackedeis geboten, einige Furzgags, Urinieren in den Pool, Schäkereien mit Mädels und etwas frühpubertäres Balzverhalten. Die Problem Bunch führen sich dabei auf wie junge Hunde, tollen im Wasser herum, lehnen sich gegen jedwege Authorität, Ausgangssperren und Nachtruhen auf, verkleiden sich als Frauen, veranstalten Mutproben, fallen mit dem Gesicht voran in Kot und vereinigen sich noch stärker über gemeinsame Strafen. Vorsicht: Chinesischer Humor !
Nun war das erste Sequel Die Rückkehr zu den 36 Kammern der Shaolin [ 1980 ] schon mehr ein komödiantischer Vertreter, aber er wusste zumindest beizeiten, wo Schluss mit Lustig ist.

Irgendwann hat man auch hier wieder an den Ausgangspunkt gedacht und Chik den Aufenthaltsort der Flüchtlinge mitgeteilt; als dieser nach der Hälfte vorm Tempel auftaucht kann er zwar den örtlichen Vorsteher verprügeln, wird aber erstmal von dem Dreierbund in Schach gehalten. Diese haben zwar die ganze Zeit nicht trainiert – wer sich also ähnliche Leibesübungen wie in den Vorgängern erwartet, kann dies auch abhaken -, aber die Burschenschaft zur Fröhlichen Schlagfaust hatte auch zwischendurch immer so genug Zeit für Körperertüchtigung und andere Aktivitäten. Über mangelnde Action als einzigen Blickfang kann man sich jedenfalls nicht beklagen; nur leider steht der Comedyaspekt auch dabei die meiste Zeit im Vordergrund. Man kann den blitzschnellen Taten gar nicht so richtig aufmerksam folgen, da man schlicht und einfach durch den low-brow humor abgelenkt wird. Es sieht zumindest soweit gut aus, was der Choreograph und seine Marionetten da veranstalten; wird viel mit dem Inventar herumgespielt, mehrere Ausführungen zur gleichen Zeit am gleichen Ort, aber die feste Zusammengehörigkeit mit dem weniger zündenden Schalk schmälert unweigerlich jeden guten Eindruck.

Am Ende bekommt der Bösewicht noch mal seine 5min, aber bis dahin haben wohl die Wenigsten ausgehalten. Wer wirklich alles schauen möchte und nachts um 2 wegen einer Entzündung des Gelenkkapseln eh nicht schlafen kann, der kann sicherlich bei den 90min mehr falsch machen. Wem entweder eine richtige Story, gute Gags oder die Kindheitserinnerung an einen bewunderten Gordon Liu / Lo Lieh wichtig sind, ist aber mit einem Kauf ganz falsch beraten.

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