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Im Zuge des erfolgreichen und schlagkräftigen Duos Bud Spencer / Terence Hill inszenierte Michele Lupo, der später mit dem Spencer-Vehikel „Sie nannten ihn Mücke“ wohl dessen bestes Soloprojekt verantwortete, einen überaus eigenen Italowestern, der anfangs noch überdeutlich der Schiene der beiden Genregrößen folgt und sich später zu einem harten, tragischen Film entwickelt, in dem eine Art Lehrprozess mit bitterbösen Lektionen knüppelhart initiiert wird.

Nach einem tollen, kribbeligen Intro, das auch etwas mehr verspricht als der trotzdem gute Film halten kann und über ein ungeheuer eingängiges Titellied verfügt, lässt Lupo auch zunächst keinen Zweifel daran das inzwischen etablierte Erfolgsrezept anzuwenden, hatte mit Giuliano Gemma („Tampeko - Ein Dollar hat zwei Seiten“, „Der Tod ritt Dienstags“) und George Eastman („Djando und die Bande der Gehenkten“, „Antropophagus“) zwei famose Darsteller an Bord, die in den richten Rollen alles aus sich herausholten. Als ungleiches Duo aufgespannt sind sie gleich noch einmal so gut.

Charlie (Eastman) ist ein eher ernster Typ, der sein Gehirn benutzt, sich seine nächste Aktionen sorgfältig überlegt, alle Eventualitäten abwägt und im voraus plant, während Ben (Gemma) eine überaus spontane Frohnatur ist, die sich nie viele Gedanken über die Folgen macht und doch verbindet sie eine Hassliebe und das kriminelle Gen.
Obwohl die Wege der beiden sich immer wieder trennen und Charlie sich bei dem frisch aus dem Knast entlassenen Ben nach tagelangem Warten in Regen und brennender Sonne erst einmal schlagkräftig dafür bedankt, dass Ben die Dollars der letzten Gaunerei durch seine Dummheit wieder los und eingelocht wurde, sind die beiden sich ähnlich, was Charlie aber erst einmal nicht wahrhaben will und so folgen beide unterschiedlichen Himmelsrichtungen, unterstützt von einer gelungenen deutschen Synchronisation, die aber nur selten das geniale Niveau der Spencer/Hill – Zwerchfellattacken erreicht.

Offensichtlich mit überzeugenden Production Values ausgestattet, die Equipment wie Dampfloks und lebhafte Städte inklusive Jahrmarkt garantieren, inszeniert Michele Lupo die beiden abgebrannten Galgenvögel auf ihrer Suche nach der nächsten Gaunerei überaus sorgfältig wie schick und führt sie versehentlich in einem Saloon an einem Pokertisch wieder zusammen, wo sie sich beide dank fehlender Absprache als Falschspieler mit jeweils 4 Asse outen, was eine hausgemachte Schlägerei in bester Spencer/Hill- Tradition nach sich zieht, an der unter anderem auch Claudio Ruffini als Boxer beteiligt ist. Spencer/Hill – Fans dürfen sich übrigens später auch noch über Luciano Catenacci freuen, der jeweils als Parapolis in „Zwei sind nicht zu bremsen“ beziehungsweise als Gegenspieler in „Zwei außer Rand und Band“ unsterblich wurde und auch der ewig auffällige Nello Pazzafini darf später noch seine Auftritte genießen.

Die Grundton bleibt also erst einmal stets humorig und die Chemie zwischen Gemma und Eastman stimmt haargenau, zumal da echt unterschiedliche Welten, nämlich Frohnatur vs. Miesepeter, aufeinander treffen, was zu einigen sehr amüsanten Szenen (Das Zusammentreffen am Eisenwagenwaggon) führt, die den großen Vorbildern in nichts nachstehen. Leerlauf fällt dabei gänzlich flach, denn wenn es nicht die Dialoge richten, sind es eben die riskanten Einfälle Bens, die Charlie ewig zur Weißglut bringen, da sein Partner trotz einer Auszeit mal wieder nur Dönekes im Sinn hat.

Als die beiden mal wieder von der Hand in den Mund leben, Ben sich spontan dazu entschließt einen Revolver zu klauen und eine Bank zu überfallen, während Charlie nichts Böses ahnend im Saloon nach einem Bier lechzt, bis er heimlich ein Glas von der rege besuchten Theke schnappt, müssen beide flott mit der Postkutsche verduften. Doch aufgrund der schnelleren und hartnäckigen Verfolger ihre Beute wegwerfen, was schließlich dazu führt, dass selbst die Pinkterton-Detektei auf sie aufmerksam wird und sich wenig später den inzwischen dank des hilfreichen Kassierers, von nun an aufgrund seines Anteils nur noch 3 Prozent genannt, zum Trio erwachsenen Gaunern drei zwielichtige und gefährliche Banditen (Da treten dann Catenacci und Pazzafini auf) anschließen. Ganz grün ist man sich mit den rauen Mitgliedern natürlich nicht, was zu einer hinreißenden Vorführung der Schießkünste mit Lachgarantie und einem staubtrockenen Kommentar Eastmans führt. Doch der Erfolg gibt dem Gespann recht und so überfallen sie als nächstes ein Casino bis endlich in Form der nächsten zünftigen Schlägerei die Hackordnung festgelegt wird und Charlie sich von Ben, der sich als Chef fühlt, trennt, nachdem der seinem Rat nicht folgen will, die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den knallharten Gangstern zu beenden und ihm dafür ein paar Lektionen erteilt.

Die Stimmung wird von da an ernster, auch wenn die Kommentare das noch ganz geschickt kaschieren. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der Originalton da ebenso verfährt oder die Angelegenheit ernster anlegt. Denn in der nahezu ausgestorbenen Stadt Silvertown, wo momentan auch Charlie sein Dasein fristet, will Ben seinen letzten Coup landen, nachdem alle größeren Banken im Umland zu Gut bewacht sind und er nach Möglichkeit keine Toten riskieren will. Für das ihm immer noch folgende Trio eine prima Gelegenheit den vermeintlichen Anführer Ben abzuknallen und mit der Beute zu verschwinden und für Lupo die Gelegenheit für einen fürstlichen Showdown, in dem Ben dann doch endlich dazulernt und von Charlie dafür beglückwünscht wird.

Der Showdown wird mit einem tragischen Schicksal eingeleitet und ist wirklich überlang gehalten. Das Duo findet dafür dann auch wieder zusammen und vergisst den Zwist für den Moment. Immer wieder auffällig ist nicht nur hier die sehr gute Kameraarbeit von Joe D'Amato, der mir in dieser Position immer besser gefiel wie als Regisseur und wirklich mit innovativen Einstellungen arbeitet. Minutenlang geht es durch die Gebäude der Geisterstadt bis der Sieger feststeht und man hektisch von dannen zieht.

Obwohl mit zunehmender Laufzeit der Film seinen Humoranteil zurückfährt und Michele Lupo mehr Ernst in die Vordergrund rückt, der nicht direkt Gemma und Eastman betrifft, sind die beiden doch der Schlüssel zum Erfolg, weil sie sich so prächtig ergänzen und in ihrer Souveränität dem anderen nicht die Schau stehlen, sondern sich gegenseitig in Szene setzen. Ein schönes Beispiel ist der Moment als Charlie im Badezuber vom Sheriff erwischt wird, Ben auf dem Balkon, nur mit einem Handtuch bekleidet, ausbüchst, sich eine amerikanische Fahne umwickelt und seinen Kumpan man nächsten Tag rausboxt.

So leichtfüßig und unterhaltsam wie Lupo den Film ohne Durchhänger trotz einer deutlich überdurchschnittlichen Laufzeit voran treibt und niemals den Film in eine zwischenzeitliche Auszeit manövriert, die einfach nur Lücken füllen soll, muss man dem später auf Komödien abonnierten Filmemacher zu seiner Leistung beglückwünschen, die locker in die Liga der schwächeren Spencer/Hill – Filme aufschließt, auch wenn ein direkter Vergleich eigentlich unfair ist, denn „Ben und Charlie“ will gar kein Plagiat sein und im letzten Abschnitt geht es dann auch ungleich ernster zu, so dass die Überraschung zum Schluss schon groß ist.


Fazit:
Gelungene Italowesternkomödie von Michelle Lupo, der alles im Griff hat und mit seiner starken Regie glasklar über dem Genredurchschnitt inszeniert und sich auf ein famose Duo verlassen kann, das seinem guten Namen gerecht wird und miteinander prächtig harmoniert. Der Stimmungswechsel mag ungewöhnlich sein, fügt sich jedoch überraschend gut ein. Den Rest erledigen die gute, deutsche Synchronisation, das kurzweilige Drehbuch und für Abwechslung sorgende Prügeleien oder Schießereien. Natürlich mit sehr viel Witz aufgezogen und nicht allzu zynisch, aber dafür spaßig und tragisch. Sicherlich einen Blick wert.

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