Review

Dies ist eine allgemeine Rezension und daher in Bezug auf konkrete Handlungselemente spoilerlos. Kleinere Spoiler werden als solche angekündigt und markiert.


J.J. Abrams und das große Korrektiv


So, nun ist offiziell das eventuell größte Kinomärchen der Filmgeschichte auserzählt. 

Das, was sich über den Film dabei immer wieder bemerkbar machte, ist der Kampf zweier Seiten, der im Rückblick die Wahrnehmung der finalen Trilogie wohl prägen wird. Dieser wogt aber weniger zwischen der dunklen und der hellen Seite der Macht, sondern vielmehr in den unterschiedlichen Vorstellungen und Ideen von Abrams und Rian Johnson. Denn kritisierte Johnson in seiner Idee von Episode 8 sehr deutlich Abrams als mutlos beschriene Episode 7, so schlägt dieser nun sehr deutlich zurück und greift Kritikpunkte auf, die sich "Die letzten Jedi" gefallen lassen musste. So darf beispielsweise Luke Skywalker sein Verhalten aus dem Vorgänger ganz direkt als Fehler bezeichnen. Ich würde wirklich gerne wissen, was da im Büro von Kathleen Kennedy abgegangen ist. Letztlich ist es aber gut zu wissen, dass man den Schuss wohl gehört hat und sich bereit zeigt, die Fehler auszubügeln. Nicht nur das: Vielmehr korrigiert Abrams auch noch Fehler, die man dem ersten Teil ankreidete. Stichwort "Medaille"... Es hätte nur noch gefehlt, dass Han Solo als blaue Glimmererscheinung in die finale Party brüllt, er habe damals zuerst geschossen. Abrams Ansatz ist es also ganz offenbar, ein Korrektiv zu schaffen, denn er hat nun das letzte Wort. 

Und mit allem Korrigieren wird auch das Problem deutlich, das Episode 9 begleitet, immerhin müssen dabei sowohl alle elementaren Erzählstränge der beiden Vorgänger nachvollziehbar zu Ende geführt als die Ausgangsgeschichte von 1977 berücksichtigt werden. Ganz schön viel Holz, denn Abrams bleibt eben nur ein letzter Film, dessen 140 Minuten folglich auch prall gefüllt sind. 
Hierbei zeigt sich der Regisseur einmal mehr als Nostalgiker, der, ebenso wie ich, wohl wenig von den Prequel-Episoden hält. Immer wieder werden Verweise auf Figuren, Orte oder Fahrzeuge der Ursprungsfilme eingebaut. Episode 1-3 ist nur dann zitiert worden, wenn es aufgrund der Geschichte nicht zu vermeiden war. Wieso nennen die den Palpatine? Das ist doch der Imperator. Ist schon einmal jemandem aufgefallen, dass "Sith" und "Shit"...  Viele dieser Zitate wirken dabei wie unnötiger Fanservice, wenn beispielsweise kurz die Ewoks zu sehen sind, wie sie den finalen Sieg feiern. Andere zielen auf aufmerksame Beobachter, wenn Kylo Ren den Harrison-Ford-Warnungsfinger auspackt, um klarzumachen, dass in ihm ja noch ein Kampf wogt.

Diese Verweise gehen aber oft unter, denn "Der Aufstieg Skywalkers" hat ja nicht allzuviel Zeit, um alle losen Enden aufzugreifen und mit eigenen Ideen in eine schlüssige Bahn zu bringen. Es gibt nur wenig Verschnaufpausen, um beispielsweise mal auf die Charaktere einzugehen. Von Johnson eingeführte Figuren, allen voran Rose, ignoriert Abrams so weit wie möglich. Wen wundert's...

Ein großer Teil des Films erweist sich als interstellare Schnitzeljagd, die erfreulicher Weise zielführender ist als in "Die letzten Jedi" und so dem Zuschauer auch konstant eine klare Richtung vorgibt. Dieser zentrale Handlungsstrang ermöglicht dann so viel Orientierung, um nebenher alles aufzuarbeiten oder zu entwickeln, was sonst noch auf der laaaangen To-Do-Liste stand. Abhaken ist hier das Motto.
Es werden aber dennoch weitere Figuren eingeführt, was angesichts des überlaufenden Füllhorns beinahe wahnsinnig anmutet. Neuer Droide, neue weibliche Mitstreiter, neuer fieser Offizier, neuer süßer Minimann. Als hätte man nicht schon genug wegzuarbeiten.

Bei alledem gibt es Stränge und Szenen, die mich durchaus zufrieden stimmen konnten. Allerdings gibt es mindestens vier Szenen, die ein
"Oh nein! Wieso? - Ach, doch nicht! Alles gut. Falscher Alarm!"
enthielten. Dadurch gibt es eventuell einen unnötigen emotionalen Overload, der demzufolge auch vom Publikum mit leicht sarkastischem Lachen quittiert wurde. 

Hier baue ich nun einen kleinen, aber erstaunlich irrelevanten *SPOILER* ein:

Ist man durch den Trailer und C3POs darin enthaltene Aussage, er blicke zum letzten Male auf seine Freunde, davon ausgegangen, dass er das Zeitliche segnen wird, so ist eben dies eine Szene, die in die Kategorie „falscher Alarm“ gehört. Ich vermute aber mal, dass die Verantwortlichen bei Disney diesen Satz im Trailer hatten, um dem geneigten Kinogänger klarzumachen, dass auch er ein letztes Mal die Figuren auf der Leinwand sehen kann. Dass sie damit falsche Erwartungen an den Film schüren, die dann mir nichts, dir nichts in Wohlgefallen aufgelöst werden und somit wie eine ganz billige Emo-Falle für den Zuschauer wirken - so weit scheint man in diesem Verein nicht gedacht zu haben. Es ist mehr als verwunderlich, wie viele grobe und vorhersehbare und so ja auch vermeidbare Fehler einem Konzern wie Disney unterlaufen. Bei der ganz nebenbei durchgeführten „Wiederbelebung“ C3POs wurde folglich auch kurz gebuht. Da hatte jemand keinen Bock mehr, nachdem man Chewbacca schon fälschlich für tot gehalten hatte.

*SPOILERENDE*

Wenigstens gab es keine dämlichen Kommentare zu einem lesbischen Kuss im Happy End, den Disney wohl ganz beiläufig und doch exponiert einbaute. Ich verstand das als Mittelfinger in Richtung derjenigen, die sich in den Vorgängern über den Mix an Ethnien und die höhere Frauenquote beschwert haben. Von daher fand ich das schon fast wieder gut.

Zum emotionalen Overload gesellt sich dann noch der optische Overkill. Da der Film meist ein sehr hohes Tempo aufweist und es viele Ortswechsel gibt, erschlägt der Bildinhalt einen bereits nach kurzer Zeit. Aber Disney lässt sich natürlich nicht lumpen und bietet gefällige und auch atmosphärische Setdesigns. Animationen sind zwar zu erkennen, bieten aber ein organisches Ganzes und Abrams setzt hier und da auch auf klassische Creature-FX und Setdesigns. 
Auch John Williams zitiert sich ungebremst selbst, wodurch der Soundtrack seine Pflicht erfüllt. Neue starke Themen habe ich aber im 140-Minuten-Rausch nicht so wirklich ausmachen können.
Insgesamt muss man aber die vielen Wendungen innerhalb der Handlung kritisieren, da sich „Der Aufstieg Skywalkers“ rückblickend eine gewisse Beliebigkeit vorhalten lassen muss. Zu sehr wird das Fehlen einer übergeordneten Idee, eines Masterminds deutlich, so dass die neue Trilogie niemals eine ähnliche Wirkung erzielen wird, wie es die Originale schafften. Das wird allein in einer wesentlichen Sache spürbar: Den Imperator zurückzuholen hatte im Team von Episode 7 und Episode 8 wohl kaum jemand im Sinn. Ganz offensichtlich hat man diesen elementaren Gedanken, der sich nun nachträglich und kaum schlüssig über die beiden Vorgänger stülpt, zur Rettung der Trilogie für den Star-Wars-Fan der ersten Stunde hinzugeklatscht. Der Effekt ist jedoch misslungen. Zum einen wird der Mangel einer tragenden Idee für die neue Trilogie mehr als deutlich. Zum anderen reißt man unnötig Logiklöcher auf und interpretiert die „heiligen“ Klassiker um. Beim Schluss von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ soll man ab jetzt also denken: Der hält sich da im Reaktorschacht noch fest, täuscht seinen Tod durch einen Haufen Blitze vor und verlässt den zweiten Todesstern, bevor dieser kurze Zeit später explodiert. Disney wäre zuzutrauen, dass die entscheidenen Szenen im Klassiker am Computer einfach angepasst werden. Was nicht passt...

Fazit

"Alle sind Jedi" vs. "Ich bin alle Jedi"

Abrams musste eigentlich etwas Unmögliches schaffen: Er musste die Deutungshoheit zurückerlangen, Fehler des Vorgängers ausbügeln und im passenden Tonfall das zu Ende bringen, was mit "Krieg der Sterne" 1977 begann. Das gelingt ihm streckenweise überraschend gut, haut aber auch so manches Mal mit Schmackes daneben. Die Story kann grob als Wiederholung von "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" eingeordnet werden, aber die vielen Nebenstränge und Beliebigkeiten brechen dem Abschluss der Saga erzählerisch zwar nicht das Genick, aber doch zumindest den ein oder anderen Knochen. Innovationsfreunde werden dabei eher enttäuscht sein, denn die angedeutete Idee Johnsons, dass viele Jedis nachrücken und neue erzählerische Wege eingeschlagen werden, ignoriert Abrams schlichtweg und konzentriert sich auf die Kerngeschichte der gesamten Saga, der er aber letztlich nichts Wertvolles hinzuzufügen hat. Im Grunde wollte er wohl nur Neuauflagen der Klassiker drehen und seine beiden Filme sind eben dann am stärksten, wenn er Motive und Figuren der alten Trilogie aufgreift. Und so stimmt das letzte Motiv folglich auch zufrieden, wenn die zwei Sonnen über Tatooin  einem erklären, dass die Reise nun nach 42 Jahren ein Ende hat. 

Na ja, abwarten... 

Die drei Originalfilme hatten es jeder für sich geschafft, formal und narrativ ein in sich geschlossener Film zu sein und sich trotz dieser Eigenständigkeit in die Gesamterzählung einzufügen. Sogar der "Mittelteil" "Das Imperium schlägt zurück", den ich heute als meinen Favoriten bezeichnen würde, ist für sich genommen ein kohärentes Filmerlebnis.
Dem Opener der neuen Trilogie "Das Erwachen der Macht" gelang dies auch noch in weiten Teilen, indem er wiederholte und zitierte. "Die letzten Jedi" hat es leider total verbockt, indem mitten in der Erzählung ein neuer Weg eingeschlagen wurde, der sich folglich nicht in einen Bogen einfügen wollte. Zudem ist er in sich einfach unrund geraten und enthielt schlicht überflüssige Erzählstränge.
Und "Der Aufstieg Skywalkers" hat dann offensichtlich zu viel zu kitten, um sich die Frage stellen zu können, was für ein Film er denn nun sein möchte. Abrams hätte gut daran getan, in seinem Abschluss weniger Haken zu schlagen und hätte durchaus mehr Mut zur Gradlinigkeit walten lassen können. Denn überrascht hat hier trotz aller krampfhafter Bemühungen wirklich nichts. Und so gebe ich einfach mal die Punktemitte. Vielleicht war es der größte Fehler Disneys, die Sequel-Trilogie nicht in einer Hand zu belassen. Das fiel mir beim zweiten Betrachten noch mehr auf als bei der Premiere. Und so habe ich tatsächlich noch einen Punkt abgezogen. Schade.

Somit bleibt "Rogue One" der bisher beste Franchise-Beitrag aus dem Hause Disney, eben weil er den erzählerischen und stilistischen Spagat zwischen Eigenständigkeit und Einordnung in die Gesamterzählung gut hinbekommen hat.  



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