Review

 „The Fifth Chord" ist der einzige dem Giallo zugerechnete Film, in dem Franco Nero sich die Ehre gibt. 


Und wir erleben ihn hier als den gebrochenen Helden, der von seiner Liebe verschmäht dem Alkohol etwas zu sehr zugeneigt ist. Dies drückt sich dadurch aus, dass er sich während des Fahrens den J&B direkt aus der Flasche gibt. Als leicht abgehalfteter Reporter macht Nero hier eine gute Figur und ich war bereit, wirklich Sympathie für seine Figur zu empfinden, bis er seiner ihm anscheinend verfallenen Affäre aufgrund einer vermuteten Lüge ins Gesicht schlägt, was angesichts seines Desinteresses an ihr einfach nur vollkommen scheiße wirkt. Ab diesem Punkt dachte ich mir nur, ob wohl irgendjemand das selbstmitleidige Vollarschloch ins Jenseits befördern würde, aber trotz der abstrusesten Einfälle des italienischen Kinos lässt der Film seine Hauptfigur natürlich reüssieren. 

Das Handlungsgerüst liest sich genretypisch: Ein Reporter geht einer Mordserie nach, die Personen einer ziemlich geschlossenen Gesellschaft heimsucht. Der Mörder hinterlässt jedes Mal einen schwarzen Handschuh, dem jeweils ein weiterer Finger fehlt. Nach und nach gerät der Reporter tiefer in den Strudel und wird letztlich selbst zum Verdächtigen. 

Hallo Giallo. 

Luigi Bazzonis Film scheint also wesentliche Elemente des Subgenres abzuarbeiten und inhaltlich ist „Der schwarze Tag des Widders" eben Genrekost. Auf der formalen Ebene liefert der Film aber eine durchgehende Qualität ab, die ihn deutlich vom Einheitsbrei abhebt. Letztlich kann man das über viele Filme zum Giallo sagen, denn selbst die uninspiriertesten davon liefern häufig das ein oder andere Highlight auf der inhaltlichen, tonalen oder bildlichen Ebene. Bazzonis Film ist jedoch durchgehend ein hervorragend strukturierter und bebildeter Film. 

Hinter der Kamera stand mit Vittorio Storaro auch ein begnadeter Handwerker, der bereits Argentos „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" filmte. Fand ich die Bilder und Kamerabewegungen da schon beeindruckend, hat mir die Inszenierung der Architektur in diesem Werk sogar noch besser gefallen.  Die Sorgfalt ist in jeder einzelnen Einstellung zu erkennen und die Gebäude und Räume sind der eigentliche Protagonist des Films, was mich dann angesichts der ätzenden Figur Andrea Bild wieder beschwichtigte. 

Bereits die Anfangsszene in einem Club ist so überstilisiert, dass man zwangsweise über eine tiefere Bedeutung der Bilder nachdenken muss. Wie sich hier die Kamera bewegt und das Spiel mit wenig Licht und sehr viel Dunkel und Schatten einfängt, hat einfach große Eleganz und wirkt schon fast traumwandlerisch. Nebenbei werden noch die wichtigsten Figuren und ihre Beziehung zueinander eingeführt, ohne dies über Dialoge zu steuern. Die Tanzfläche als goldener Käfig der illustren Gesellschaft, von der bereits einige der Figuren ausgeschlossen sind, ist ein sehr eindrucksvolles Bild. 

Der Kamerafetisch für die Symmetrie moderner Architektur, der sie beispielsweise sogar in einer Spiegelung auf einer Telefonzellentür einbindet, obwohl man eigentlich Franco Nero in einer Nahaufnahme sieht, drückt uns die Modernität der feinen Gesellschaft aufs Auge, die ihre ökonomisch begründete Macht eben nun nicht mehr mit barockem Zierrat ausdrückt, sondern mit Konstrukten aus Stahl, Glas und Beton. 

Die Sauberkeit und Ordnung der Sets wird mit allergrößter Akribie in Szene gesetzt und besonders das Archtitektenhaus der Ex-Geliebten Helene wird hingebungsvoll eingefangen. Der soziale Graben findet in diesem Setpiece im Finale dann seinen Ausdruck, wenn sich das Haus mit elektrischen Gittern vollkommen abschirmen lässt, damit dort ja nichts eindringt, was dort nichts zu suchen hat. Das gilt auch bis auf eine Szene für die Hauptfigur, die wohl gerne fester Bestandteil der oberen Schicht wäre, aber von seiner Ex-Geliebten lieber zum Gespräch und Knutschen ins Auto vor dem Haus gelenkt wird. Selbst zum Sohn scheint Helene zwar eine sorgevolle Bindung zu haben, richtig liebevoll zeigt uns dieser Film diese aber nicht. Umarmungen bleiben nur angedeutet und letztlich bangt der Junge wegen der Abwesenheit von Mutter und Vater am Ende um sein Leben. 

Dieser zwischenmenschlichen Kälte setzt der Film aber auch keine Alternativen oder Ersatzmodelle entgegen, denn die außenstehenden Figuren wollen ja Teil der feinen Gesellschaft sein und gehen untereinander so auch nur zweckmäßige Beziehungen ein, die auf der rein sexuellen Ebene bleiben. Die Figur Lu (Pamela Tiffin) ist die einzige, die versucht eine ernsthafte zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen, muss dafür aber anscheinend mit Tricks arbeiten, um die Aufmerksamkeit Andreas zu erhalten und kriegt dafür dann eben tierisch eins aufs Maul. 

Ihre Sehnsucht bleibt davon aber unbeeindruckt und kurze Zeit später rollen die beiden ausgelassen durchs Bett, nachdem Lu im Scherz ihren Tod fingiert hat. So wirklich gesund ist diese Beziehung also auch nicht, denn Andrea zieht es zur Oberschicht zu Helene und auch der letzte Versuch Lus, mit einer angeblichen Hochzeit eine Reaktion Andreas zu erzeugen, verpufft an seinem Desinteresse, das so groß ist, dass es theoretisch möglich wäre, dass Lu eine ernsthafte und zu einer Heirat führende Beziehung zu einem Mann hätte, von der Andrea noch nicht einmal weiß.  

Wenn es Interaktion zwischen Mittel- und Oberschicht gibt, findet diese nur im Kontext eines konkreten Nutzens für die ökonomisch Mächtigen statt. Das einfachste Verhältnis ist ein Arbeitsverhältnis wie im Falle von Andrea, dem seine Eigenständigkeit in dem Moment aberkannt wird, in dem sie für seinen Vorgesetzten unbequem wird. In einem anderen Fall geht es um missbräuchliche Sexualität, wenn die junge Giulia und der Rennfahrer, dessen Namen ich nun gerade vergessen habe, der aber interessanter Weise Lus Bruder ist, zum Vergnügen der zusehenden Figuren miteinander vögeln.  

Dieses Gesellschaftsbild ist indes nicht neu, wird hier aber sehr stilsicher formuliert und wirkt quasi ganz natürlich. Auch die im Rollstuhl sitzende Sofia Bini (Rossella Falk) wird von Beginn an als Ausgeschlossene präsentiert, die nur noch über eine Nähe zur Gesellschaft existiert, obwohl sie mit einer zentralen Figur aus derselben verheiratet ist. Wie ihr Mann Dr. Bini (Renato Romano) sie behandelt und emotional abweist, lässt sie als bemitleidenswerte Figur erscheinen, deren Frustration nur allzu verständlich ist. Als sie erstes Mordopfer wird, entwickelt der Film dann den angemessenen Zynismus, um sich seinem Kernthema zu nähern. 

Zudem wird hier die klare Trennung der Geschlechterrollen verdeutlicht. Ökonomisch mächtig sind die Männer, Frauen haben über ihr Äußeres und den Trauschein Zugang zum Elfenbeinturm. Sofia kann Zugangsvoraussetzung Nr. 1 nicht mehr erbringen und ist als Frau in logischer Konsequenz vollkommen unselbstständig. 
Lediglich Helene bricht mit diesem Mann-Frau-Konstrukt, wenn sie am Schreibtisch sitzt und arbeitet, scheinbar also vollkommen unabhängig vom Mann ihr Leben bestreiten kann. Andrea reagiert deswegen auch ablehnend auf die Brille, die sie dabei tragen muss. Der Protagonist wäre nur allzu gern Teil der Oberschicht und hat die dort geltenden Regeln schon vollkommen verinnerlicht.

Die Musik von, einmal mehr, Ennio Morricone ist gelungen, hält sich aber sehr zurück und kommentiert passend, wenngleich sie auch etwas austauschbar scheint. Morricones Musik ist in den allermeisten Fällen eine sichere Bank, die Kompositionen unverwechselbar, aber ein Zusammenspiel wie in „Spiel mir das Lied vom Tod" eben auch recht selten.   


Fazit

Der Giallo nimmt sich ja in den allermeisten Fällen Figuren aus den durch Geld und/oder Kunst geprägten Gesellschaftsschichten zur Grundlage seines Ouvres, weil ein Musiker, Autor oder Fotograf nun einmal interessanter und außergewöhnlicher scheinen als ein Supermarktkassierer. 

In „Ein schwarzer Tag für den Widder" wird daraus aber ein geschlossenes Konzept gemacht, das sowohl inhaltlich als auch bildlich konsequent ausformuliert wird. In Folge haben wir es aber auch nur mit Figuren zu tun, zu denen wir kaum eine Bindung aufbauen können, worunter die Atmosphäre und Spannung meines Erachtens leiden. Der Film ist ein optischer Genuss voller Präzision und Hingabe an die Klarheit moderner Architektur als Ausdruck einer sich ebenso klar trennenden Gesellschaft voller emotionaler Kälte. Dadurch hebt sich dieser Film innerhalb des Subgenres von vielen Filmen ab, die ihre Konzepte oft nicht in diesem Maße ausformulieren. Oder auch gar keine haben...

Aber die Sorgfalt und Planmäßigkeit lässt „Ein schwarzer Tag für den Widder" fast schon zu glatt wirken. Es fehlt ihm an einer Kantigkeit und an dieser speziellen Stimmung, die andere Filme im Giallo haben und stellenweise für ein gruseliges Kribbeln oder auch einfach besondere Anspannung sorgen können. Auch wenn sie schwer zu vergleichen sind: Ich würde beispielsweise Sergio Martinos „Der Killer von Wien" diesem deutlich sorgfältiger arrangierten Film vorziehen, da er mich einfach mehr packt. „Ein schwarzer Tag für den Widder" ist jedoch ein eindrucksvoller Film mir erstklassigen Bildern und einer formalen Geschlossenheit, wie man sie selten im Giallo findet. Für mich ist er aber insgesamt etwas zu kühl und es fehlt eindeutig an Figuren, mit denen man irgendwie connecten könnte. 

Mehr ein Film für den rein intellektuellen Zugang.   

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