Zwischen „Der tödliche Freund“ und „Shocker“ drehte „Nightmare on Elm Street“- und „Scream“-Erfinder Wes Craven im Jahre 1988 „Die Schlange im Regenbogen“, einen Mystery-Horror-Thriller, der sich der Untoten-Thematik im Jahrzehnt des enorm grafischen Horrorfilms einmal nicht von der Romero’schen Menschenfresser-Prämisse aus näherte, sondern auf die Ursprünge der Zombies zurückging: Auf Voodoo-Zauber exotischer Südsee-Kulturen. Der Film basiert lose auf den vom Anthropologen E. Wade Davis‘ 1984 veröffentlichten, umstrittenen und auf seiner Hardvard-Doktorarbeit beruhenden Aufzeichnungen „Die Toten kommen zurück“, in denen er beschreibt, wie er auf Haiti dem Zombifizierungs-Geheimnis auf den Grund zu gehen versuchte und dabei ein geheimnisvolles, für die Pharmaindustrie überaus interessantes Pulver fand.
Aus Davis wird in diesem Film Dennis Alan (Bill Pullman, „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“), der sich mit diversen Substanzen anthropologisch beschäftigt und auch schon mal von schamanischer Medizin nascht. Im Auftrag der US-amerikanischen Pharmaindustrie soll er nach Haiti reisen, und dort nach der Arznei forschen, die angeblich für die Zombifizierung von Menschen genutzt wird, indem sich mit ihr Menschen derart tief betäuben lassen, dass sie wie tot wirken – ausgehend von einem vor Jahren für tot erklärten Haitianer, der als vermeintlicher Untoter über die Insel streicht. Doch die Schergen des diktatorischen Duvalier-Regimes verwenden dieses Mittel, um ihre Gegner auszuschalten. Bald schon gerät Alan in die Fänge des Polizeichefs und Voodoo-Priesters Dargent Peytraud (Zakes Mokae, „Schrei nach Freiheit“) …
Geht man davon aus, dass Davis‘ Aufzeichnungen nichtfiktiv sind, handelt es sich bei Cravens Film um einen semifiktiven, denn die ursprünglichen Überlieferungen reichert er insbesondere in der zweiten Hälfte mit diversem Übersinnlichen an. Zunächst an Originalschauplätzen, später (angeblich aufgrund politischer Unruhen) in der Dominikanischen Republik gedreht, nähert Craven sich Haiti und seiner Kultur mit viel Respekt und nimmt starken Bezug auf das reale Duvalier-Regime, das 1986 gestürzt wurde. Dabei punktet Craven mit seinem Gespür fürs Einfangen der Andersartigkeit, der Exotik, der Mystik und des Transports der Faszination für all das. Harten Horror braucht es dafür nicht. In dieses Ambiente sticht Alan wie ein Fremdkörper und wird immer wieder von surrealen, bösen Träumen geplagt. Mokae brilliert derweil als Antagonist mit ultrafieser Fresse, der sogar Kastrationsängste auslöst.
Craven vermengt Medizin und Wissenschaft mit übersinnlicher Voodoo-Mystik und der haitianischen Revolution, was den Film lange Zeit dramaturgisch und vor allem atmosphärisch gut trägt. Die fiebrige Stimmung des Films geht unter die Haut, bis Craven dazu übergeht, sämtliche offenen Fragen zu beantworten und so die geheimnisumwitterte Atmosphäre zu zerstören, indem er gegen Ende einen Beinahe-Overkill an Spezialeffekten installiert und aus Peytraud einen Seelenfresser macht. In diesen Momenten ist „Die Schlange im Regenbogen“ dann auch „nur“ noch Genre-Standard, was ihn letztlich etwas abwertet, sich aber passabel im Genre-Rahmen bewegt. Aus Alan einen an der fremden Kultur verzweifelnden Paranoiker zu machen, dem keine seiner Fragen befriedigend beantwortet werden und somit offen bleibt, was es mit dem Voodoo-Zauber und den Zombies auf sich hat, während Alan aufgewühlt und verrückt geworden in die USA zurückkehrt, wäre die Königsdisziplin, vermutlich aber auch der kommerzielle Selbstmord des Streifens gewesen. Zumindest deutliche Kritik an Alans Auftraggebern zu formulieren, hätte aber schon gern drin sein können. Nichtsdestotrotz wirkt „Die Schlange im Regenbogen“ auf mich originell genug, um 7,5 von 10 Nägeln zu vergeben – ganz ohne faulen Zauber.