Review

Eine Gruppe Gleichgesinnter verschleppt bisher unbestrafte Kriminelle und führt sie nach einem Gerichtsprozess dem Tode zu. Inspector John Hillier [ Hansjörg Felmy ] ist ratlos; Spuren und Ansatzpunkte fehlen vollständig. Zudem läuft ein zweiter Serientäter frei in der Gegend herum, bei dem sich seine Freundin Ann Barry [ Maria Perschy ] als Lockvogel anbietet...

Wie der Herr so sein Gescherr. Auch beim Wallace – Sohn fällt der Apfel nur unweit vom Stamm; da wird exakt nach demselben Motto wie beim Erzeuger vorgegangen. Dementsprechend gleichen sich die geschriebenen und verfilmten Werke auch relativ stark; aber den Plagiatsvorwurf kann man wohl stecken lassen, wenns in der Familie bleibt.
CCC – Produzent Artur Brauner bleibt jedenfalls der Erfolgsformel der seit 1959 von Rialto produzierten Wallace – Reihe treu. „Keine Experimente“ nicht nur als zeitgenössischer politischer Leitspruch, sondern in der Zeit des Wirtschaftswunders eben auch als produktbestimmende Devise.
Es werden dann auch nur einige wenige spezielle Zutaten beigemischt, die aber keine wirkliche Abhebung schaffen und sich eher als Verschlechterung darstellen. Ein halber Wallace nur.

Hier wie dort sind die Ausprägungen von Struktur und Plotelementen nahezu identisch, so dass es mehr als nur eine bestimmte Gattung von Filmen ergibt, sondern eben eine eigenes Subgenre: Die Wallace – Filme halt. Merkmale der Serie sind wahrscheinlich sogar beim Patentamt eingetragen:
Eine Gruppe von Menschen, zumeist Familienmitglieder, stehen sich einem Serienmörder gegenüber. Jeder von Ihnen könnte der Täter sein; die Motive aller Beteiligten schliessen keinen aus und alle rennen auch mal in die Falle des fehlenden Alibis.
Die Verdächtigungen und Hinweise machen den Hauptschwerpunkt aus, führen aber zumeist komplett ins Leere. Am Ende wird jemand als Überraschung aus dem Hut gezaubert; auf den man vorher in dem Gewulst zwar nicht gekommen wäre, was dann aber nochmal mehr oder minder logisch dargelegt wird. Oder auch nicht.

Aufgrund der engen Zusammengehörigkeit braucht man nur wenige Schauplätze; zumeist sitzt man also entweder in einer noblen Villa oder rennt um den Schreibtisch bei Scotland Yard herum. Reiner Atelierfilm; kommt der Ökonomie zugute.
Und es ist mehr Nacht als Tag; der Nebel gehört zum wenigen Aussensetting ebenso dazu wie die Themse.

Der Henker von London fängt dementsprechend gleich damit an; präsentiert eine Truppe Kapuzenmänner als eigenes Gericht, die Urteil über straffällig gewordene, aber durch die Maschen des Gesetzes geschlüpfte Kriminelle fällt. Tod durch Strang, vorschriftsmässig mit einem historischen Strick ausgeführt, bekannt – präzise Arbeit. Das Werk wird dann auch sichtbar für alle zur Schau gestellt; dass nicht nur die Polizei davon erfährt, sondern eben auch die gesamte Bevölkerung.
Diese steht den Gerichtsprozessen und seiner Vollstreckung gar nicht mal so ablehnend gegenüber; schnappen sie doch wahre Kriminelle und vollziehen damit nur Gerechtigkeit. Halt auf ihre Weise, aber mit begründeter Anklageschrift und sogar hieb – und stichfesten Beweisen.

Der Unterschied der Details liegt also bereits im Motiv; ansonsten ging es um Geld und die Gier danach, hier um eine Form der Rache und Sühne.
Daraus ergeben sich ein zwei moralische Dilemma, die allerdings nur kurz angesprochen werden und nicht weiter für Diskussionsstoff und Abhandlungen dienen sollen; wäre auch der falsche Ort für: Es erwischt nicht nur die Richtigen; sondern die öffentliche Anteilnahme an den Taten mindert auch die Verbrechensrate selber; da wird die Funktion der Polizei als vorbeugende Abschreckung ergänzt und ersetzt. Gemeindenahe Sicherheitsarbeit mal anders.
Persönlicher ist die Überlegung, wie man selber reagieren würde, wenn einem zugefügtes Unrecht auf diese Weise gesühnt wird. Wenn die staatliche Gewalt machtlos ist, aber sie jemand anderes in die Hände nimmt und für gewisse Befriedigung sorgt.
Hillier steht vor diesen Problemen; seine Schwester wurde von einem bisher nicht gefassten Frauenmörder [ Dieter Borsche ] umgebracht. Der Leiche den Kopf abgetrennt und den Körper in ein Gebüsch abgelegt. Hätte er etwas dagegen, wenn dieser Mann vor dem unrechtmässigen Gericht stehen würde ?

Nun mangelt es an tieferem Sinn aber ebenso wie auch an greifbarer Spannung, Tempo und Humor. Das letztere wird nur kurzzeitig durch eine Parallelsequenz erreicht, die die Auswirkungen des Henkers von London auf seine Mitmenschen zeigt: Trittbrettfahrer mit dem Ziel der Erpressung [ „Galgenfrist“ bis zur Zahlung der gefordeten Freikaufsumme ] werden ebenso angelockt wie eine Laienspieltruppe, die die Gerichtsprozesse als 2 Personen Stück nachstellen und so ebenfalls ins Radar der Ermittler geraten.
Ansonsten mangelt es an originellen Passagen: Gegen Ende kommt etwas Esprit über eine komplett der Mad Scientist Typologie zugehörige Episode, die mit seiner Beschäftigung mit dem Verhältnis von Körper, Geist und Natur aber einen sehr tiefen Griff in die Schundkiste macht und auch unpassend wirkt. Nicht dass das Vorherige viel realistischer ist, aber es beisst sich trotzdem; dann hätten sie auch gleich die Aliens landen lassen können.

Die aufgebotenen Darsteller sind auch sichtlich weniger exzentrisch als die in den Konkurrenzprodukten; Chris Howland muss als Polizeiberichterstatter, Amateurdetektiv, Mann mit den 1000 Gesichter, Kneipensänger und Fummeltrine in einem da ganz alleine die Kartoffeln aus dem Feuer holen, wobei er sich dann selber schnell verbrennt. Charakterdarsteller fehlen ebenso wie wirkliche Helden; Felmy ist sogar im Vergleich zu Drache und Fuchsberger eher blass. Einzig Borsche bringt Präsenz hinein, hat aber das falsche Umfeld und auch kaum Mitspieler. Die Verdächtigen im nahen Kreis haben alle genug Motive [ Hardliner Richter A.D., selbst einem Justizirrtum unterlegen, selbst Opfer geworden ohne vorm Gesetz Beachtung zu finden ], aber bleiben ziemlich unauffällig im Spiel.
Auch formal ist die Filmsprache wesentlich biederer; lange, gerade Einstellungen, wenig Bewegungen, geringer Einsatz von Toneffektschnitt.

Zu stereotyp, zu durchschnittlich. Hat alles schon seine Gründe, warum der Film nicht zum festen Repertoire der Wallace – Werke gehört.

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