Review

„Alles in diesem Film ist authentisch!“

In den 1970ern türmten sich im deutschen Erotiksektor die Pseudoreportstreifen. Meist ganz vorn dabei: Produzent Wolf C. Hartwig und seine Stammregisseure Ernst Hofbauer und Walter Boos. Etwas häufiger wechselten die Autoren, von denen sich jedoch kaum jemand mit Ruhm bekleckerte. Zwischen Streifen wie „Erotik im Beruf – Was jeder Personalchef gern verschweigt“ (Hofbauer), „Mädchen beim Frauenarzt“ (Boos) und dem zweiten „Schulmädchen-Report“ (Hofbauer) erschien im Jahre 1971 der von Manfred Purzer geschriebene „neue heiße Report: Was Männer nicht für möglich halten“ über Ehefrauen, die von ihren Männer ausgehalten werden, sich aber nicht mit ihrer Rolle als Hausfrau begnügen wollen – sog. „grüne Witwen“…

„Was Männer nicht für möglich halten – es geschieht!“

Der Off-Sprecher gibt sich pseudo-gesellschaftskritisch, zum Vorspann widmet sich ein nacktes Pärchen der Hausarbeit. Direkt die erste Episode konterkariert den Reportagenanspruch, denn hier gibt selbst der Sprecher zu, dass es sich um ein fiktionales Fallbeispiel handele. Es geht um Gustav (Oliver Domnik, „Urlaubsreport – Worüber Reiseleiter nicht sprechen dürfen“) und Gisela (Romana Lizalova), welche ihrerseits aus dem Off in die Handlung einführt: Ein frischvermähltes Paar in einer glücklichen Ehe. Kommt er von der Arbeit nach Hause, empfängt sie ihn fast nackt. Doch mit der Zeit nimmt die Zärtlichkeit ab und wird die Hausarbeit nerviger. Gisela ist als Hausfrau bald schwer gelangweilt. Zwischendurch gibt ein Scheidungsanwalt ein Interview und „Der neue heiße Report“ zeigt sich von seiner progressiven Seite, wenn er Hoffnung auf eine Viertagewoche schürt – leider umsonst, wie wir mittlerweile wissen.

„Was man auch lesen will – Sex, Sex, Sex!”

Die eigentlichen „Reportagen“ beginnen mit einer Frauenrunde, die den Bierkutscher Florian (Max Grießer, „Polizeiinspektion 1“) aufreißt, nachdem dieser ein paar Yuppies im Straßenverkehr gemaßregelt hat. Man empfängt ihn splitterfasernackt, seine Artikulationen sind unverständlich, weil in breitestem Bayrisch, aber er ruft sicherheitshalber seinen Kollegen Franz hinzu. Mehr wird nicht gezeigt. Tonio von der Meden („Josefine Mutzenbacher 2. Teil - Meine 365 Liebhaber“) tritt als Reporter in Erscheinung, dem der ehemalige Masseur Herr Zülsdorf (Hellmuth Haupt, „Zieh dich aus, Puppe“) im Ruhrpottdialekt Rede und Antwort steht. Was er erlebte, zeigt der Film in bewegten Bildern: Er massierte ein anscheinend rolliges Mädchen. Mehr wird auch hier nicht gezeigt, nun allerdings verdingt er sich als „Körperberater“ (ist das ein Ausbildungsberuf?).

„Eine Sexfalle!“

Industriellengattin Annette Westberg (Marlene Rahn, „Prostitution heute“) lässt sich wiederum von Alfons massieren. Das scheint sie sehr zu stimulieren, denn sie zappelt dabei unentwegt herum. Dieses eigentlich alberne Episödchen sticht dadurch hervor, dass es sich bei Marlene Rahn um eine ausgesprochen hübsche Frau handelt, von der man gern mehr gesehen hätte. Gertraut Klose (Elfie Helfrich) ist einen Schritt weiter und hält sich einen Liebhaber, den Herrn Hübner (Carl Möhner, „Zu dumm zum…“). Gertraud hat jedoch eine neidische Tochter, Silvia (Karin Götz, „Obszönitäten“), die Hübner kurzerhand verführt. Mehr als eine Altherrenfantasie der Marke „Schulmädchen-Report“ ist das nicht.

„Luder!“

Der indiskrete Reporter quatscht, wie auch aus anderen Reportfilmen gewohnt, nun auch Passantinnen und Passanten an, bevor man von der kriselnden Ehe Jochen (Jürgen Emanuel) und Biggi Alberts (Marianne Sock, „Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen“) erfährt, die ihren Sohn Detlef genannt haben. Jochen will seinen Geschäftsfreund Dr. Henkel treffen, obwohl er mit seiner Frau bei den Nachbarn, den Andags, eingeladen ist. Diese kann er nämlich ohnehin nicht leiden. Also geht Biggi allein auf deren Party, und dort geht’s hoch her: Nackttänzerinnen üben sich in Freikörperkultur und libidinöser Stimulation. Die Andags stehen hier für sexuelle Revolution, APO usw., und dass drei Männer versuchen, Biggi in der Küche zu vergewaltigen, mutet in einem Film, der die Errungenschaften sexuellen Revolution exploitativ ausschlachtet, verlogen und reaktionär an. Für die Albers handelte es sich offenbar um eine heilsame Erfahrung, denn sie vertragen sich wieder…

Der Film läuft nun schon eine ganze Weile, hat es bisher aber tatsächlich geschafft, jegliche Sexszene zu umschiffen. Stattdessen werden nun wieder Leute auf der Straße belästigt, bevor Senta, der im Krankenhaus der Magen ausgepumpt wurde, Krankenschwester Elisabeth ihre visualisierte Geschichte erzählt: Vor drei Monaten kam Norbert, ein Studienfreund ihres Mannes Walter, zu Besuch. Seitdem begegnen sie sich immer wieder; Senta verknallt sich in ihn und masturbiert, während sie an ihn denkt. Endlich kommt es zur ersten Softsexszene, wenn sie es schließlich auf einer Weise miteinander treiben. Allerdings hat Norbert kein weitergehendes Interesse an Senta…

Diplompsychologe Knut Nielsen gibt seinen Senf dazu, bevor Franz Dobermann (Karl-Heinz Otto, „Schulmädchen-Report – Was Eltern nicht für möglich halten“) sich weigert, seiner Frau Karla (Michaela Martin, „Die Vergnügungsspalte“) ein Kleid für 1.000,- DM zu kaufen. Deren Freundin empfiehlt ihr, sich auch einmal anderweitig umzusehen. Franz ist selbst kein Kind von Traurigkeit und besucht regelmäßig Prostituierte. Eines Tages begegnet er seiner Frau im Bordell, als Hure Mary (Monika Rohde, „Beim Jodeln juckt die Lederhose“) sie dazuholt… Diese Episode punktet tatsächlich mit ihrem sarkastischem Humor.

Auf weitere Straßenbefragungen folgt ein Interview mit einem Postbeamten (Hans Bergmann, „Schüler-Report – Junge! Junge! Was die Mädchen alles von uns wollen!“), der neben Briefpost auch seine Manneskraft zustellt. Auszüge seiner sexuellen Abenteuer werden von Zitaten aus seinen Dienstvorschriften konterkariert. Das ist nett gemacht, letztlich aber auch nicht mehr als ein Herrenwitz. Die eigentlich Episode zeigt im Anschluss Frau Tönnisen (Helen Vita, „Jürgen Roland's St. Pauli-Report“), die ein Einschreiben von der Vertretung des gewohnten Zustellers überreicht bekommt: einem Jüngling mit Macken und gesegnetem Appetit. Sie versucht, ihn zu verführen, doch er ziert sich. Da jagt sie einen Hund auf ihn, der ihm die Hosen zerreißt. Sie zieht ihn aus, doch er flieht durchs Fenster. Eine komödiantische Episode, albern und nicht weiter bemerkenswert.

Kommen wir zum Fall Irma Fricke (Astrid Frank, „Laß jucken, Kumpel!“): Rosl Mayr, die Oma aus den „Schulmädchen-Report“-Filmen, mimt hier die Putzfrau Meyer, aber das nur am Rande. Irma, verheiratet mit einem wesentlich älteren Mann (Helmut Früchtenicht, „Der nächste Herr, dieselbe Dame“), lockt ihren Frauenarzt herbei und versucht, ihn zu verführen, doch dieser reagiert professionell und lässt sich nicht darauf ein. Eine weitere Episode also, in der eine Frau Sex will, ihn aber nicht bekommt – was natürlich dem Sexgehalt des Films nicht zuträglich ist. Dies ändert sich mit der nächsten Geschichte, der vom streitenden Ehepaar Dr. Rademacher. Kurt Rademacher (János Gönczöl, „Stehaufmädchen“) arbeitet zu viel und vernachlässigt seine Frau Maria. Da springt die heiße Nachbarin in die Bresche und der Film bekommt die Gelegenheit, eine Lesbenszene zu zeigen, bevor es wieder für indiskrete Fragen auf die Straße geht. Und als Kurt ein Haus kauft, ist auch Maria wieder glücklich. Merke: Wenn’s kriselt, kauf deiner Frau einfach eine „Kleinigkeit“…

„Das Buch adelt den Menschen!“

Otto von Pasleske (Josef Fröhlich, „Mädchen, die nach München kommen“) belästigt Frauen als Buchvertreter, indem er versucht, erst Thomas Mann an die Frau zu bringen, dann Sexheftchen und schließlich übergriffig wird. Seiner Kundin Christine gefällt’s jedoch… Dafür, dass dieser Beitrag sexuelle Belästigung rechtfertigt, ist er eigentlich recht harmlos, aber auch unspektakulär ausgefallen. Nach weiteren Straßen-Interviews werden Gisela und Gustav wieder aufgegriffen Er befürchtet, sie gehe fremd, und stürmt nach Hause – und tatsächlich erscheint ein Klempner zum Rohrvorlegen, jedoch im nichtübertragenden Sinne. Somit ist alles wieder gut.

„Der neue heiße Report: Was Männer nicht für möglich halten“ ist eine Ansammlung leidlich kreativer Episödchen, die überraschend arm an Softsex sind und, wie bereits knapp drei Monate zuvor der unsägliche „Erotik im Beruf – Was jeder Personalchef gern verschweigt“, den Anschein erwecken, bei anderen Erotikreports vom Schneidetisch gefallen zu sein. Er verbreitet wie erwartet ein sehr fragwürdiges Frauenbild, nach dem die Damen nichts mit sich anzufangen wüssten und daher lieber mit anderen Männern herumvögeln würden, zählt andererseits aber zu den harmloseren Vertretern seiner Art. Zwei, drei Episoden wissen tatsächlich für sich betrachtet zu gefallen, beleidigender Sexismus ist weit weniger stark ausgeprägt als in vergleichbaren Produktionen und billigen Klamauk auf Kosten von Minderheiten findet sich erst gar nicht. So helfen die wenigen lichten Momente sowie natürlich die meist attraktiven Darstellerinnen, den Reigen durchzustehen, wenngleich es sich um ein reichlich liebloses Massenprodukt vom Sexreportfließband handelt, das unter keinen Umständen mehr als 3,5 von 10 Thomas-Mann-Ausgaben verdient hat.

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