Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich mein 400stes Review ausgerechnet einem deutschen Film widmen würde. Zum einen mag ich die Kinokultur aus unserem Land überhaupt nicht, zum anderen halte ich die deutsche Filmwirtschaft mit völliger Absicht für klein, unkreativ und den internationalen Ansprüchen nicht genügend gehalten. Und das schon seit Jahrzehnten. Da wird selbst ein Werk wie "Decoder" zum qualitativen Top10-Movie, was wiederum nicht viel heißen mag...
Zu tun haben wir es hier mit einem Experimentalfilm aus der Zeit als Berlin noch zweitgeteilt war. Schon damals gab es Straßenschlachten zwischen Autonomen und der Polizei, Massenmanipulation und eine Stasi, die noch ganz offiziell herumschnüffelte. In diese Zeit wird ein junger Soundtüfftler hinein geworfen, doch letztendlich dreht sich die Handlung um überhaupt nichts... Es gibt einen Jäger, der den jungen Mann jagt und einen kapitalistischen Schnellimbiss, wo die Revolutionsbeschallung von statten gehen soll...
Im Prinzip ist "Decoder" nichts anderes als ein einziger, farbenfroher Trip durch die Nacht. Eine Reise ohne Anfang und ohne Ziel. Mitunter sehr sperrig und nicht immer ganz einfach anzuschauen reihte Regisseur Muscha allerhand Komponenten aneinander, die man als wilde Mixtur aus Kunst und Stuss betrachten könnte. Gelegentlich wird "Decoder" sogar dem Cyberpunk zugeordnet, doch soweit würde ich nicht gehen: Dass in dem Film jede Menge Punk vorkommt, ist unschwer zu erkennen. Dennoch wirkt vieles eher hausbacken und provinziell, was schon bei der schwerfälligen Machart anfängt und bei der eher aufgesetzten Weirdness aufhört.
Wenn FM Einheit beispielsweise einen Frosch am Mikro zum "singen" bringt, um sich anschließend das Gesicht mit irgendwelchem Matsch zu beschmieren, dann kann man die künstlerischen Ambitionen schon mal in Frage stellen. Wie so oft im deutschen Film sind die Dialoge hölzern und die Figuren blass. Angeblich war war auch keine Überintellektualisierung geplant - Muscha selbst wollte laut eigenen Aussagen keine sozialkritische Bilderbuchgeschichte daraus machen.
Fast schon interessanter ist die Beteiligung diverser Zeitgeister vor und hinter den Kulissen, um mit Trini Trimpop von den Toten Hosen, William S. Burroughs, Christiane F., Soft Cell, den Einstürzenden Neubauten oder The The nur einpaar von vielen Namen zu nennen.
"Zeitgeist" ist bestimmt auch der treffendste Begriff, wenn es um das Gesamtbild von "Decoder" geht. "Gegenkultur" ein weiterer, wenn man ihn in eine Schubladen packen will, aber nicht sollte. 1984 war kein besseres Jahr, um diesen Westentaschen-Avantgarde zu produzieren. Der Streifen selbst ist wie so oft ein waghalsiger Spagat aus Kunst und Trash, was wiederum einzig und allein der Interpretation des Betrachters überlassen bleibt. Ein Film, den man kultig finden kann, aber nicht muss. Trotzdem schön, dass aus deutschen Land auch noch was anderes kam als nur Lindenstraße, Tatort und dem Traumschiff.