Gäbe es eine Zeit in die ich mich gerne zurückbeamen lassen könnte, dann wären das ganz sicher die 80er. Als Subkultur noch Subkultur war, aufregend, gefährlich und 100% gegen das Establishment. Heute erinnern nur noch die Schallplatten von damals an diese Zeit. Und solche Perlen wie "Decoder".
Die Hauptrolle wird verkörpert von FM Einheit (damals Mitglied der grandiosen EInstürzenden Neubauten). Sein Beruf ist es die Bewohner einer sterilen, kalten Stadt mit seichten, oberflächlichen Muzaks zu versorgen, die man ununterbrochen in die Gehörgänge bebohrt bekommt. Als er allerdings dann eines Tages anfängt mit Musik zu experimentieren und dabei extreme Industrialtöne erzeugt bringt er diese unter die Leute, welche bisher nur zwischen Fast Food und Peepshow hin- und herpendeln. Von nun an proben diese Leute den Aufstand und unglaubliche Aufstände (dargestellt durch Archivaufnahmen) erschüttern das Land. Das will man sich natürlich nicht bieten lassen und man hetzt den Agenten Jaeger (unglaublich verkörpert durch Bill Rice) auf ihn...
Eine zwar einfache, aber sehr gut veranschaulichende und passende Parabel auf die Undergroundkultur der Achtziger. Eigentlich auch auf jede andere Jugendbewegung beziehbar, doch ganz deutlich aufgrund der Konsumkritik und der glaubhaften Darstellung des dristen Stadtlebens, in erster Linie der Underground Szene dieser Zeit zu zu ordnen. Die Machart des Films ist ebenfalls unkonventioneller Art: Die meiste Zeit ist das Geschehen in intensive Farbtöne getaucht. So ist der Film auch ein wunderbarer Schmaus für die Augen.
Neben FM Einheit fungieren auch noch andere Gallionsfigur der Gegenkultur in diversen Rollen: Christiane F (die leider eher durch ihre Drogenkarriere bekannt ist) sieht man hier als seine fröscheliebende Freundin. William S. Burroughs, Kultautor der Beatnikära, spielt hier einen Händler für Aufnahmegerät. Auch wieder Stoff für Interpretationen. Ein besonderes Erlebnis ist auch Genesis P-Orridge, seines Zeichens Sänger der legendären Industrialgruppen Throbbing Gristle und Psychic TV, als Priester einer Außenseitergruppe, die schließlich bei der Verbreitung der noisigen Klänge hilft. Auch in einer kleinen Rolle zu sehen ist der junge Ralf Richter mit lustiger Perücke.
"Decoder" ist zurecht ein Kultfilm. Zu Unrecht allerdings ein ziemlich in Vergessenheit geratener. Allein durch seine liebevolle und beeindruckende Machart ist der Film ein Aushängeschild seiner Zeit und hat ein Comeback verdient. Ein Film, der nicht nur dazu da sein sollte um in alten Zeiten zu schwelgen oder wie ich, davon zu träumen, sondern auch ein Film, der anregt selbst wieder auf zu stehen und zu hinterfragen!