Review
von Leimbacher-Mario
Seltsamere Dinge
„Dreamcatcher“ kann Spuren eines Epos enthalten. Jahrzehnte überspannende Clique und Freundschaften. Übernatürliche Fähigkeiten. Arschalieninvasion. Militäraction. Monstermadness. Schneetreiben. Das erinnert oft genug an die ganz großen king'schen Hits wie „Es“, „Misery“, „Langoliers“, „Sturm des Jahrhunderts“ oder andere fette Konzepte von ihm. Das Buch dazu habe ich leider nie gelesen, da kann ich nicht hundertprozentig sagen, ob es an seine berühmteren „Brüder“ im Geiste heranreicht oder zumindest Potenzial hat. Doch zum Film „Dreamcatcher“ kann ich genug sagen. Und das ist leider nur in Ansätzen positiv. Das meiste davon dreht sich um vertane Chancen und falsche Entscheidungen, ja auch vergebenes Potenzial und ärgerlich missachtete Möglichkeiten, über Zeitdruck und Hektik, über Schwung und tonale Fehltritte.
Erzählt wird die Mischung aus „It“, „Stranger Things“ und „Signs“ mit viel Schnee und großen Sprüngen: vier Sandkastenfreunde treffen sich nach Jahren endlich mal wieder in einer einsamen Waldhütte wieder. Jeder von ihnen besitzt besondere Fähigkeiten, die scheinbar mit einem weiteren, sehr speziellen Freund aus ihrer Kindheit zusammenhängen. Doch als sie in ihrer verschneiten Männerhöhle Besuch von einem aufgeblähten und furzenden Mann bekommen, dem schon bald noch wesentlich mehr aus dem Hintern kriecht als Donner und Gestank, scheinen selbst ihre Begabungen nicht auszureichen um die gefrässige Bedrohung zu stoppen... „Dreamcatcher“ ist im besten Fall wild und faszinierend, King pur und vollgestopft mit bizarren Ideen, die (nicht zuletzt sichtbar an der von mir oben genannten Netflix-Hitserie) seiner Zeit vielleicht sogar etwas voraus waren. Außerdem ist die Besetzung namhaft, interessant und klasse. Außerdem mag ich das snowy Setting, die oft genug dichte Atmosphäre, dass sich nicht gescheut wird Hauptfiguren brutal sterben zu lassen und den fiesen, glitschigen und für mich wahrhaft angsteinflössenden Look der zahnreichen Eindringlinge. Leider werden all diese Pluspunkte durch fast noch schwerer wiegende Arschrittentscheidungen und Abzweigungen zunichte gemacht. Die Laufzeit ist entweder deutlich zu lang oder noch deutlicher zu kurz, bei all den Ideen und Ansätzen und Ebenen. Da wäre fast eine Miniserie drin gewesen. So ist das alles sprunghaft und gehetzt genauso wie in weiten Teilen ziemlich zäh. Zudem macht sich immer wieder Overacting breit (Freeman oder auch der „besetzte“ Damien Lewis), Logiklöcher und offene Fragen muss man nicht lange suchen, der eingeworfene Humor wirkt meist erschreckend fehl am Platz. Zudem sind einige Effekte eher nicht gut gealtert und ganze Szenen klar dem „high budget trash“ zuzuordnen. Plus das Ende sackt vollkommen in sich zusammen. Es macht zwar Sinn, befriedigt aber kaum. Dagegen wirkt selbst der shyamalan'sche Wasserkniff in „Signs“ noch gelungen. Und insgesamt hat man etliche Teile und fast auch die Summe dieser damals wie heute einfach schon viel, viel runder und besser erlebt. Von King selbst, von Fans, von Nachahmern. „Dreamcatcher“ ist ein Kuriosum, dem ich gerne den Titel „underrated“ geben würde - es beim besten Willen und gerade wegen einer wirren zweiten Hälfte jedoch einfach nicht kann.
Fazit: einige tolle Einzelteile und ein starker Beginn machen noch keinen guten Film. Erst recht nicht über zwei Stunden lang. „Dreamcatcher“ reiht sich leider die meiste Zeit trotz potenter Besetzung deutlich in der unteren Hälfte aller King-Verfilmungen ein. Interessant - aber im Kern für mich fehlgeschlagen.