Der Biss der Klapperschlange (Netflix Marke Eigenbau 1)
Horrorfilme müssen weder teuer sein, noch viel Personal aufbieten, noch spektakuläre Effekte bieten, um erfolgreich zu sein. Für Angst und Grusel sind ein begrenztes Setting und eine fiese Prämisse oft erheblich effektiver. Für den Streaming-Giganten Netflix und seine Ambitionen dem Kino auch auf seinem ureigenen Setting des Spielfilms das Wasser abzugraben, ist das Horrorgenre daher wie gemalt. Hier kann man mit relativ wenig Aufwand und in relativ flottem Tempo Quantität liefern und dabei auch noch für eine schicke optische Verpackung sorgen, schließlich spielt Geld nur eine untergeordnete Rolle. Gerne gibt man dabei auch unabhängigen Filmemachern eine Chance, die so auf eine Schlag ein recht umfangreiches Publikum erreichen können.
„Der Biss der Klapperschlange" ist ein solch kleiner, feiner Horrorstreifen mit Independent Label. Zak Hilditchs Visitenkarte war der interessante Endzeitthriller „The final hours", bei dem er bewies, das er mit sehr geringen Mitteln ein Maximum an Beklemmung erzeugen kann. Das gelingt ihm auch zu Beginn von „Rattlesnake". Katrina (Carmen Ejogo) und ihre kleine Tochter Sarah haben in der texanischen Einöde eine Reifenpanne. Während die Mutter das Rad wechselt, wird die Tochter von einer Klapperschlange gebissen. Das Handy hat kein Netz und die Straße ist menschenleer. Plötzlich sieht Sarah einen Trailer, den sie zuvor nicht bemerkt hatte. Oder war er gar nicht da?
Schon sehr früh streut Hilditch damit sehr geschickt Zweifel an der Wahrnehmung seiner Protagonistin bzw. gibtHinweise auf einen womöglich übersinnlichen Hintergrund. Die Spannung jedenfalls ist in diesen ersten Minuten förmlich greifbar und man wartet gespannt auf die weiteren Ereignisse. Und es geht zunächst ähnlich packend weiter. Im Trailer treffen sie auf eine mysteriöse Heilerin, die Sarahs Zustand schlagartig verbessert, dafür aber eine zu leistende Gegenleistung ankündigt. Wieder rätselt man und ahnt Unheilvolles.
Hilditch ist hier voll in seinem Element und heizt die Stimmung durch einen unterschwellige grummelnden Score, elegische Bilder der texanischen Einöde und eine aufreizend langsame Inszenierung immer weiter an. In der nahe gelegenen Kleinstadt ist man im Krankenhaus mit Sarahs Zustand hoch zufrieden und alles schient wieder in bester Ordnung. Bis ein geheimnisvoller Fremder auftaucht und den angekündigten Preis fordert: Katarina muss einen Menschen töten, um das Leben ihrer Tochter zu retten. Ein Leben für ein Leben.
Bis zu diesem Punkt ist „Rattlesnake" versiertes Horrorkino ohne wenn und aber. Der unfreiwillige faustische Pakt mag nicht neu sein, man ist aber durchaus neugierig, wie und ob Katarina sich aus dieser fatalen Lage befreien kann. Leider kommt Hilditch ab da zunehmend aus dem Tritt. Was schließlich folgt ist keine Katastrophe, aber doch ein gehöriges Stück stromlinienförmiger, erwartbarer und unaufregender als der Auftakt. Beim ersten ausgewählten Opfer funktioniert das Spiel mit Erwartungen und Auflösung noch ganz ordentlich, im finalen Drittel herrschen dann allerdings zunehmend Ideenarmut und eine gewisse Hilflosigkeit ob einer gewitzten Klimax. Was den Film noch in der Spur hält, ist die weiterhin exzellente Optik und das ständig schwelende moralische Dilemma, das man zusammen mit Katrina durchlebt.
Es ist also noch Luft nach oben in der Horrorabteilung des Streaming-Riesen. Dieses Schicksal teilt „Rattlesanke" allerdings mit den allermeisten Netflix-Eigenproduktionen, was zeigt, dass die Eroberung des Filmmarktes und der Angriff auf das Kino noch ein steiniger Weg ist. Was aber die Direct-to-video-Konkurrenz angeht, hat man beste Karten und ist nicht zuletzt dank der enormen finanziellen Möglichkeiten bereits jetzt deutlich überlegen. Wer also im Heimkino Halloween feiern möchte oder regelmäßige Gruselabende schätzt, der wird mit Netflix womöglich noch viel Freude haben. Aktuell muss man sich aber noch mit mittelprächtigen Produktionen wie „Rattlesnake" begnügen, denen es schlicht an Biss mangelt.