Der schweizerische Regisseur Carl Schenkel („Exquisite Tenderness – Höllische Qualen“) empfahl sich mit der deutschen Produktion „Abwärts“ aus dem Jahre 1984 für spätere höher budgetierte Projekte, denn es gelang ihm, mit sehr eingeschränkten Mitteln einen gut funktionierenden Psycho-Thriller zu kreieren.
An einem Freitagabend bleiben vier Menschen im Fahrstuhl eines Frankfurter Bürokomplexes stecken: Werbekaufmann und Yuppiemacho Jörg (Götz George, „Der Totmacher“), Kollegin und Karriereblondchen Marion (Renée Soutendijk, „Eve 8 – Außer Kontrolle“), der auf alternativ machende, lässige Pit (Hannes Jaenicke, „Rosa Luxemburg“) und der schweigsame, alte Buchhalter Gössmann (Wolfgang Kieling, „Der Millionenraub“). Damit prallen Welten – insbesondere zwischen Jörg und Pit – aufeinander und Konflikte treten offen zutage, als die Egos der beiden jüngeren Männer sich gegenseitig nur bedingt zu dulden bereit sind. Da die Situation aber immer ernster wird und Hilfe nicht in Sicht scheint, pendelt man zwischen konstruktiver Zusammenarbeit, um der engen Kabine zu entkommen, und offenen Anfeindungen bis hin zu nonverbalen Auseinandersetzungen.
Schenkels klaustrophobischer Thriller gleicht die meiste Zeit einem Kammerspiel, findet es doch hauptsächlich in der Fahrstuhlkabine statt. Dabei möchte er menschliches Verhalten in Extremsituationen aufzeigen, die beinahe alle guten Manieren und vordergründige Etikette vergessen lassen. George nimmt man seine Rolle des sich in seiner Männlichkeit durch Pits Anwesenheit gefährdet sehenden, prolligen Möchtegern-Upperclass-Yuppies zu jeder Sekunde ab, wobei sich mir bei dieser Art des Schauspiels immer die Frage stellt, inwieweit er nicht einfach sich selbst spielt. Jaenicke feiert in „Abwärts“ sein Spielfilmdebüt und ist aus heutiger Sicht zunächst sehr gewöhnungsbedürftig als, ja, als was eigentlich? Ein angepunkter Anarcho? Ein Sponti-Student? Was immer er da genau spielt, seine Rolle, die die Antithese zu Jörg darstellen soll, erscheint mir etwas eigenartig konstruiert, doch Jaenicke füllt sie mit Leben. Und während Kieling als unauffälliger Buchhalter Gössmann erst zu einem relativ späten Zeitpunkt das Sprichwort von den tiefen, stillen Wassern bestätigen darf, verwundert die aufgetakelte, aber recht uncharismatische Soutendijk als Objekte der Begierde sowohl Jörgs als auch Pits. Klar, zu Jörg passt diese oberflächlich erscheinende, egozentrische Schlampe, aber zu Pit? Möglicherweise lässt das Drehbuch sich Pit nur für Marion interessieren, um Jörg eins auszuwischen und schwer auf die Nerven zu gehen.
Generell ist kein wirklicher Sympathieträger vorhanden, Pit nervt ebenso wie Jörg, nur eben auf etwas andere Weise. Am erträglichsten erscheint da noch der Buchhalter, der wenigstens den Mund hält. Kehrseite der Medaille ist, dass man ihn zunächst überhaupt nicht kennenlernt. Dennoch funktioniert „Abwärts“ gut, wenn auch nicht alle Dialogzeilen sofort nachvollziehbar erscheinen. Spannung wird erzeugt, wann immer unsere Gefangenen durchs Kabinendach in den Fahrstuhlschacht klettern, um nach einer Möglichkeit zu suchen, endlich aus dem Schlamassel herauszukommen. Das führt zu schmutzigen Klamotten und blutigen Verletzungen, von der schweißtreibenden Lebensgefahr ganz zu schweigen. Als nach langer Zeit endlich Rettung naht, treibt man die Spannung mit einer nervenzerreißenden Geräuschkulisse auf den Höhepunkt und als es schlussendlich tatsächlich „abwärts“ geht, stellt sich die Frage, wer diesen Wahnsinn wie überleben wird.
Nicht schlecht, was Herr Schenkel da fabriziert hat, wahrlich nicht. Ein paar Abstriche muss man sicherlich bei den konstruierten Charakteren und manch Textzeile des dialoglastigen Films machen, der zudem bisweilen etwas klinisch-kühl und distanziert wirkt. Ansonsten aber gerade für Fahrstuhlphobiker zu empfehlen, die sich „Abwärts“ am besten im Doppelpack mit „Fahrstuhl des Grauens“ anschauen.