Review

Oberflächlich betrachtet hat „Die drei Tage des Condors“ alle Elemente aus der Klischeekiste der Agentenfilme zu bieten. Eine mächtige Organisation, Doppelagenten, schöne Mädchen, eiskalte Bösewichte... Alles schon tausend Mal gesehen, also warum sollte man sich Sydney Pollacks angestaubte Version aus den 70ern antun? Dafür gibt es vor allem zwei gute Gründe. Zunächst einmal präsentiert der Film einen wohltuend durchschnittlich begabten Agententyp, fernab von sämtlichen James Bond oder Jerry-Cotton-Attitüden und erhöht dadurch das Identifikationspotential und die Spannung für den Zuschauer. Zum anderen verleiht das Entstehungsdatum dem Streifen eine gehörige Portion funkigen Seventies-Flair, dass z.B. die Neuverfilmung von „Starsky und Hutch“ (2004) blass aussehen lässt. Schade nur, dass mit fortlaufender Dauer der anfangs eingeschlagene Realismusgrad durch immer übertriebenere Szenen Stück für Stück demontiert wird.
Joseph Turner (Robert Redford) ist Buch-Analytiker in einer kleinen Außenstelle des CIA in New York. Eines Tages entgeht er durch Zufall einem Attentat, bei dem seine gesamte Abteilung ums Leben kommt. Bald kann er niemanden außer der Malerin Kathy Hale (Faye Dunaway) vertrauen, die er zunächst als Geisel nimmt und sich dann in sie verliebt. Mit ihrer Hilfe deckt er Stück für Stück die Hintergründe für das Attentat auf und stellt fest, dass der Feind in den eigenen Reihen zu suchen ist.
„Die drei Tage des Condor“ beginnt furios. Glaubhaft und elegant werden zunächst ein Haufen sympathischer Personen eingeführt. Der Arbeitsplatz unseres Helden Joseph Turner entpuppt sich als eine etwas angestaubte, kauzige Beamten-WG. Hier der nörgelnde Chef, dort die halbherzige Empfangsdame. Turner nimmt in diesem Potpourri aus typischen Bürocharakteren den Platz als unpünktlicher aber kreativer Luftikus ein. In den ersten Szenen wird das Bild eines eingespielten, etwas gelangweilten Teams von Bürohengsten und Bücherwürmern gezeichnet, die so gar nicht in das Klischeebild eines CIA-Agenten passen wollen. Action und Gewalt kennt Turner nur aus seinen heiß geliebten Comics. Umso stärker entfaltet sich die Wirkung des anschließenden Massakers, als unvermittelt drei Killer das Büro stürmen und in aller Seelenruhe einen nach den anderen umbringen. Turner, der passenderweise sein Leben nur einem wahnsinnigen Zufall verdankt, steht anschließend dann auch entsprechend ungläubig vor den Leichen seiner Kollegen. Panisch irrt er durch New York und versucht Kontakt mit dem Hauptquartier aufzunehmen. Bis hierher beherrschen gelungene Irritation, pure Atemlosigkeit und Spannung das Geschehen. Gerade weil der Held nicht mit allen Wassern gewaschen ist, und bei seinen Aktionen Fehler macht, wirkt der Charakter Joseph Turner ungeheuer sympathisch.
Weitere Pluspunkte verdient sich Film in seiner Darstellung einer weltfremden automatisierten CIA-Superbehörde, deren Entscheidungsträger im Grunde genauso Theoretiker und Schreibtischhengste sind, wie Joseph Turner. Hier wird in zynischen Floskeln über das Schicksal von Menschen und Mitarbeitern debattiert. Einzelschicksale und Verhaltensweise werden von Sandkastengenerälen in Wahrscheinlichkeiten und Effizienz-Rechnungen verklausuliert. Die Darstellung des Geheimdienstes als gesichtlose, automatisierte Superbehörde kann man ohne Übertreibung als richtungweisenden Meilenstein für das Genre bezeichnen. Schon damals nicht mehr ganz so innovativ, aber nicht minder beeindruckend ist die Performance von Max von Sydow als stoischer Auftragskiller. Mit Eleganz, Ruhe und Präzision verrichtet er seine mörderische Tätigkeit und überrascht am Ende mit einem Erklärungsansatz seiner Motivation, nach dem man seiner Figur Sympathie, wenigsten aber Verständnis entgegenbringt.
Bei allem positiven Eigenschaften gibt es allerdings auch einige Schwächen, die dem Film zu nicht unerheblichem Schaden gereichen. Zunächst wäre da einmal die äußerst aufgesetzt wirkende Romanze zwischen Robert Redford und Faye Dunaway. Die Filmfigur Kathy Hale leidet offensichtlich an einer ausgeprägten Form des Stockholm-Syndroms, oder ist masochistisch veranlagt. Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn man eine Thrillerhandlung mit einer Romanze würzt, allerdings wird in dem Moment, wenn die Figur von Faye Dunaway Teil der Geschichte wird, der vorab mühsam aufgebaute Realismustouch vollends über Bord geworfen. Nicht nur die Tatsache, dass sich Kathy Hale von unserem Helden Joseph Turner zunächst entführen und misshandeln lässt und zur Belohnung mit im in die Kiste steigt, in ihrer Gegenwart mutiert der ehemalige Antiheld zu 007, Jerry Cotton, XXX und Jason Bourne in einer Person, tötet ausgebildete Killer im Zweikampf, kann perfekt Schießen, trickst den gesamten CIA aus und deckt nebenbei die Verschwörung, deren Opfer er wurde, im Alleingang auf. Die etwas unerwartete Redford/Dunaway Romanze wird im Film mit einer gewissen Todessehnsucht seitens der Figur Kathy Hale erklärt, wurde mir dadurch allerdings nicht plausibler. Über den Sinn und Unsinn dieser Liebschaft haben George Clooney und Jennifer Lopez in „Out Of Sight“ (1998) bereits trefflich debattiert – schlüssig wirken diese Szenen jedenfalls nicht. Die Genese des Protagonisten vom Feigling zum Helden, der über sich hinaus wächst, mag ein fester Bestandteil des Hollywood Kinos sein, in „Die drei Tage des Condors“ wirkt das Ganze aufgrund der eher realistischen Einleitung doch arg übertrieben.
Trotz allem überwiegen die positiven Momente und so wird der Film seinem Ruf als Klassiker des Genres durchaus gerecht

Daran werde ich mich noch lange erinnern:
Die furiose Eröffnungssequenz

Details
Ähnliche Filme