Undurchsichtige Kurierfahrer üben eine Faszination im Actiongenre aus: Man denke an den Jason-Statham-Hit „The Transporter“, der Sequels, ein Reboot und eine TV-Serie nach sich zog, oder an „The Courier“ von 2011. Mit jenem Film teilt sich auch der Reißer von Zackary Adler aus dem Jahr 2019 den Titel.
Der Kurier (Olga Kurylenko) ist weiblich und kurvt in der Titelsequenz auf einem Motorrad mit High-Tech-Helm durch London, vor allem aber wird erst einmal der Schurke des Stücks vorgestellt. Dabei handelt es sich um den schwer kriminellen, bisher aber unantastbaren Geschäftsmann Ezekiel Mannings (Gary Oldman). Gegen den hat die New Yorker Staatsanwaltschaft endlich etwas in der Hand, nämlich einen Kronzeugen, der allerdings aus Gründen, die das Script nicht erklärt, in Großbritannien festgehalten wird. Das ist natürlich der Logistik bei diesem britischen Actionthriller geschuldet, aber etwas Logik wäre auch schön (der Schurke hätte ja kein US-Verbrecher sein müssen).
Jedenfalls soll Nick Murch (Amit Shah), der besagte Zeuge, per Videoschalte im Prozess aussagen. Das will Ezekiel mithilfe von Töchterchen Alys (Calli Taylor) verhindern und hat schon einen Hit in Auftrag gegeben. Aus erneut nebulösen Gründen haben die Gesetzeshüter nicht das volle Equipment dabei, sondern müssen sich die Ausrüstung für den besagten Video-Uplink liefern lassen. Natürlich bringt die Kurierfahrerin mit dem mysteriösen Auftraggeber das Gerät und für kurze Zeit hält „The Courier“ in der Schwebe, ob sie vielleicht auf Nick angesetzt ist. Aber nein: Im Gerät ist eine Ladung Zyanidgas versteckt, die ein Maulwurf unter den Agenten zündet, um das Ganze der Kurierin anzuhängen.
Die Protagonistin erweist sich als wehrhaft, killt den Maulwurf und entkommt mit Nick, doch die Flucht endet in der Tiefgarage des Gebäudes. Diese wird nämlich von der eingetroffenen Verstärkung der Schurken abgeriegelt, die nun Jagd auf den Zeugen und seinen Schutzengel machen…
Parkhäuser sind günstig zu mieten, aber auch schmucklose Schauplätze. Man kann daraus durchaus etwas machen, wie der Actionthriller „No Way Up“ bewies, sie können aber auch als Handlungsort etwas öde sein, wie man in „The Marine 5“ sah. „The Courier“ gehört eindeutig zu letzterer Kategorie, denn Zackary Adlers Film ist ein schmuckloser Reißer, dem man das knappe Budget merklich ansieht – da ging wohl die meiste Knete für die Hauptdarsteller drauf. Deshalb bekommt es die Heldin nur mit rund zehn Schurken im Parkhaus zu tun, deren schmächtigere Exemplare sie in Sekundenschnelle killt, während sie gegen die dicken Brocken nur mit List ankommt. Klassisches „Die Hard“-Territorium also, nur ohne die Klasse und den Spannungspegel des Vorbilds.
Das liegt unter anderem daran, dass man so gut wie nichts über die Figuren erfährt. Dass die Schurken undefinierte Pappkameraden sind, wäre vielleicht noch gegangen, aber bei Heldin und Schützling wird es zum Problem. Nick ist ein nervöses Hemd und sonst nichts weiter, während das aufgesetzt Geheimnisvolle bei der Kurierfahrerin, deren wahren Namen man nie erfährt, einfach nur nach gelangweiltem Drehkritzeln aussieht. Zumal ihre Hintergrundgeschichte, sobald sie dann enthüllt wird, recht banal daherkommt: Eine frühere Elitesoldatin, die ihren ebenfalls kämpfenden Bruder in Syrien verlor, danach desertierte und jetzt die Kurierfahrten macht, um der Militärgerichtsbarkeit zu entgehen. Einen ähnlichen Background haben Jason Statham oder Steven Seagal in jedem zweiten ihrer Filme, die machen aber nicht so ein Gewese drum.
So folgt man den stereotypen Figuren bei eine 08/15-Katz-und-Maus-Spiel, das seine eher dosiert eingesetzte Action mit längeren Laberpassagen streckt, in denen zwar viel geredet, aber wenig gesagt wird. Oder warum muss der verräterische Agent Bryant (William Moseley) mehrfach bei dem unter Behördenaufsicht stehenden (!) Oberschurken anrufen, nur um ihm zu sagen, dass der Zeuge noch nicht tot ist?
Vielleicht vor allem deshalb, weil Gary Oldman sonst gar nichts mehr zu tun hätte. Der war anscheinend eh nur für ein paar Tage am Set und gibt das totale Klischee eines Actionfieslings: Ein reicher Oligarch, der manchmal noch selbst tötet, Augenklappe auf dem vernarbten Gesicht trägt und (wie könnte es anders sein?) ein Faible für klassische Musik hat. Man sieht Oldman an, dass die Rolle ihm wenig abverlangt, aber er macht das noch okay. Voll rein hängt sich dagegen Olga Kurylenko, die als Heldin der B-Klasse vollends überzeugt. Der Rest vom Fest agiert relativ durchschnittlich, wobei vor allem Greg Orvis als fieser Sniper noch Akzente setzen kann. Dagegen sieht Dermot Mulroney in einer eher unnötigen Rolle als Special Agent eher unglücklich aus.
Nun wäre manches davon zumindest zum Teil verschmerzbar, wenn „The Courier“ wenigstens den großen Actionotto losmachen würde. Aber auch da ist wegen der überschaubaren Gegnerzahl nicht der größte Grund zur Freude. Außerdem hakelt der Schnitt in den Nahkampfszenen, deren Choreographie dagegen gelungen ist. Manchmal haben Regisseur Adler und Stunt Coordinator Peter Pedrero ein paar starke Ideen, etwa wenn die Heldin einen Gegner bei Notbeleuchtung und laufender Sprinkleranlage immer wieder mit einem Teppichmesser aus dem Hinterhalt eingreift, bis dieser an seinen Wunden verblutet. So macht die Action, trotz gelegentlich handwerklicher Mängel, durchaus Laune, ist aber etwas zu dünn gesät. Überraschend hoch ist der Härtegrad, wenn Köpfe zermatscht, Schurken in Brand gesteckt oder Scheibenwischer in Hälse gerammt werden.
Ähnlich derbe wie die Todesszenen sind leider auch die Logikfehler in dem Film. Warum ein ausfallender Videouplink gleich zum möglichen Abblasen des ganzen Strafverfahrens führen soll, ist schon wenig glaubwürdig, aber es gibt noch dickere Klöpse. Da schreien die Schurken der Heldin entgegen, dass diese ihren Kumpel getötet haben, worauf diese erwidert, dass sie nach ihrer Zählung schon zwei von denen zur Hölle geschickt haben – tatsächlich sind zu dem Zeitpunkt schon vier Fieslinge durch ihre Hand gestorben. Und ganz besonders absurd wird es in einer Szene, in der das Protagonistenduo mit einem Auto durchs Parkhaus rast und unter Dauerbeschuss der Bösewichte steht: Adler will dem Zuschauer weißmachen, dass beide aus der Beifahrertür raushechten (die Kurierin wohlgemerkt vom Fahrersitz) und das Auto dabei gerade weiterfahren lassen, während die wenige Meter entfernt stehenden Schurken nichts davon mitkriegen. Auch von der räumlichen Anordnung und der Inszenierung wird klar, dass dies eigentlich gar nicht möglich ist, aber Adler will dem Zuschauer diesen dicken Hund trotzdem unterjubeln.
So bleibt „The Courier“ ein klischeehafter, schmuckloser und bestenfalls begrenzt spannender Actionthriller mit massiven Logiklücken und einem total verschenkten Gary Oldman. Aus Prämisse, aus der man vielleicht ein brauchbares „Die Hard“-Rip-Off hätte stricken können, wird wenig gemacht und die Inszenierung hakt auch immer mal wieder. Da helfen auch eine überzeugende Olga Kurylenko, diverse Härten und eine brauchbare Actionchoreographie nicht wirklich über die Runden.