Review

Veterans Day

Es ist müßig darüber zu spekulieren, warum der Retro-Trend sich ausgerechnet und ausgiebigst der gern geschmähten, belächelten und verteufelten Dekade der 1980er Jahre widmet. Weder das Jahrzehnt davor, noch das danach bekommt auch nur annähernd so viel popkulturelle Aufmerksamkeit. Von allem noch älteren oder noch neueren ganz zu schweigen. Vor allem im Kino tummeln sich die alten Recken, die alten Themen und die alten Sounds. Die 80er waren aber auch das Jahrzehnt der Videothekenhits, insbesondere Horror- und Actionfans dürften sich sehnsüchtig daran erinnern. Diese ganz spezielle Klientel darf nun Holzfällerhemd und Nietengürtel aus dem Schrank holen, die zwei Nummern größere Retro-Röhre in die Cowboystiefel stopfen und endlich mal wieder zur guten alten Dosenbierparty laden. Ein Veteranentreffen steht an und das feiert man am besten mit - ganz genau - einem Veteranentreffen.

VFW - VETERANS OF FOREIGN WARS heißt die Partygranate und der Begriff passt wirklich in jeder Hinsicht. Nur zart besaitet sollte man nicht sein, denn so sehr die alten Knaben Charles, Chuck, Michael und Jean-Claude auch hingelangt haben, die Kriegsveteranen packen hier gleich mehrere blutige Schippen drauf. Hier wird nicht nur geschossen, hier wird gehackt, abgetrennt, gespalten als gäbe es kein Morgen. Gut, um den zu erleben, bleibt den betagten Recken auch nicht viel anderes übrig, schließlich haben sie es mit Heerscharen durch Drogen aufgeputschter Gewaltfreaks zu tun, die wie die Bugs in STARSHIP TROOPERS gegen das Rentner-Alamo anrennen. Die Festung ist hier aber kein Fort, sondern eine Kneipe, die sinnigerweise ebenfalls VFW heißt, denn außer einer Handvoll kriegsversehrter Stammgäste verirrt sich kaum jemand in die modrige Spelunke. Tja, bis dort eines unschönen grauen Tages die junge Punkerin Lizard mit einem Rucksack voller Drogen in den Laden stürmt und der angegrauten Truppe völlig unerwartet die Chance bietet, die schwelgerischen Kriegserinnerungen noch mal so richtig lebendig werden zu lassen.

Wer jetzt an Stallones Söldnergang THE EXPENDABLES denkt, liegt gar nicht mal so falsch, nur dass hier alles eine Nummer kleiner und weniger namhaft, dafür aber auch eine große Nummer dreckiger und derber ist. Hier wetzen nicht die 80er Alphatiere um Sly, Arnold und Bruce die Messer und allerlei mehr Mordwerkzeuge, hier laden die Jungs aus der zweiten Reihe durch. Stephen Lang (AUF DIE HARTE TOUR, TOMBSTONE), William Sadler (STIRB LANGSAM 2, HARD TO KILL), Martin Kove (KARATE KID 1-3 und RAMBO 2) und Fred Williamson (Blaxploitation Tausendsassa) sind vielleicht nicht jedem sofort geläufig, aber viele wären überrascht, wie oft ihnen die ausgesprochenen Vielfilmer schon über den Weg gelaufen sind. Meist standen sie dabei auf der Gegenseite und machten unseren Helden das Leben schwer, noch öfter allerdings zierten sie die Cover diverser VHS-Titel der zünftigen Sorte.

Leader of the Pac ist ganz klar Stephen Lang, nicht nur weil er der gestandenste Mime, sondern vor allem auch, weil er noch der Virilste und mit großem Vorsprung der Coolste der verwitterten  Haudegen ist. Als Kneipier Fred hält er Laden und Kundschaft zusammen und übernimmt dann auch wie selbstverständlich den Oberbefehl über die letzte Verteidigungslinie vor den anstürmenden Gang-Horden. Zwischen den mit rohester Gewalt abgewehrten Angriffswellen bleibt aber natürlich immer wieder Zeit für zynische Frotzeleien auf die eigenen Kosten und hochprozentige Toasts auf die vergangenen Großtaten. Der geschulte Genrejünger ahnt es schon, VFW nimmt sich trotz seiner ultimativ derben Ausrichtung zu keiner Sekunde ernst und feiert hemmungslos das rüde Actionkino vergangener Tage. Und dafür kramt Regisseur Joe Begos wirklich alles raus, was die staubige Retro-Kiste so hergibt.

Angefangen über einen wummernden Synth-Score, der sich völlig ungeniert als offensichtliches Carpenter-Plagiat gibt. Fortgesetzt mit einem Szenario bei dem nur der nicht an ASSAULT ON PRECINCT 13 denkt, der den Film noch nie gesehen hat. Und weil Ton und Setting nur die halbe Miete wären, serviert uns Joe VFW mit hagelgroßem Filmkorn und in schummriges, blau-rotes Neonlicht getaucht, so dass man gar nicht anders kann, als sehnsüchtig der längst verscherbelten VHS-Sammlung nachzuweinen. Und wer jetzt noch nicht überzeugt ist, der böse Rechner wurde gar nicht erst angeworfen. Statt dessen dürfte die vermutlich am Existenzminimum herumkrebsende Zunft der Maskenbildner ein Jahresgehalt an der reichlich gedeckten Schlachtplatte verdient haben und hat zum Dank ein Splatter-Expose abgeliefert, das in Sachen Qualität und Quantität seines gleichen sucht.

Ob VFW der gleichnamigen, real existierenden Organisation gefallen wird, keine Ahnung. Aber eines ist gewiss, jeder Filmfreund der mit dem Begriff Bandsalat etwas anfangen kann und bei seiner John Carpenter-Liebe nicht DAS DING ausklammert, wird sich wohlig in seinem Retro-Sessel räkeln. Klar ist das rückwärtsgewandt, substanzlos und nerdig, aber der viel beschworene Eskapismus darf ruhig auch mal in Erinnerungen schwelgen. Ist vielleicht sogar ehrlicher, wie der Konsum der oft krampfhaften, retro-modernen Zwitterfilme der Gegenwart.

Details
Ähnliche Filme