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Mit "Dracula jagt Mini-Mädchen" entstand zwei Jahre nach "Nächte des Entsetzens" der sechste, und somit vorletzte Beitrag von Hammers "Dracula"-Reihe mit Christopher Lee in der Rolle des aristokratischen Blutsaugers, den es 100 Jahre nach seiner letzten Konfrontation mit seinem Erzfeind Dr. Van Helsing ins Swinging London der frühen 70ies verschlägt, um hippen Mini-Mädchen bei Sex, Drugs & Rock´n Roll auf die wohl geformten Leiber zu rücken.


Autor Don Houghton und Regisseur Alan Gibson verpassten nach - dem lediglich auf plakative Sadismen reduzierten - "Dracula - Nächte des Entsetzens" dem kränkelnden Genre eine Frischzellenkur, die selbst Christopher Lee wieder lebendiger erscheinen lässt. 
Seine Auftritte sind in "Mini-Mädchen" zwar an einer Hand abzählbar, dafür tritt er jedoch weniger steif und mit mehr Spielfreude auf.

Trotz modernen Flairs und Ambiente findet dieser "Dracula" zu seinen alten Wurzeln zurück, kombiniert gothischen Grusel mit neumodischen Horrorelementen und bereitet den Fans ein Wiedersehen mit Peter Cushing als Van Helsing, der der poppigen Gruselmär den letzten Schliff verpasst.und auch fast 25 Jahre nach seiner letzten (filmischen) Konfrontation mit Christopher Lee als Blutsauger noch immer als unerschrockener Vampirjäger zu überzeugen und zu gefallen weiß.

Zurück zu den Wurzeln - das bedeutet eine intensive Auseinandersetzung mit der Vampirismus-Thematik, und da ist Peter Cushing natürlich adäquat besetzt, um die altbekannte Vampirseuche im modernen London zu bekämpfen: 
geweihtes Wasser, das Kruzifix, der Holzpflock, die vernichtende Kraft von Sonnenlicht und klarem Wasser, all die netten Anekdoten aus dem Blutsauger-Fundus - die in "Nächte des Entsetzens" zugunsten blutiger Effekte sträflich vernachlässigt wurden - werden hier zitiert und perfekt in die Handlung eingebaut. 
Van Helsings Kampf gegen "Dracula"-Jünger Johnny Alucard (den Nachnamen einfach mal rückwärts lesen!) zählt in "Mini-Mädchen" zu den besten Szenen, die in ihrer Länge und Van Helsings Wahl der "Waffen" an seinen finalen Kampf im Ur-"Dracula" von 1958 erinnert:
mit dem Kruzifix abgewehrt, vom Sonnenlicht mit Hilfe eines Spiegels geblendet und im klaren, laufenden Wasser in der Badewanne ertränkt, findet Alucard ein spektakuläres Ende. 
Diese schnell geschnittene Sequenz wird nur noch von einem weiteren Highlight übertrumpft, bei dem in der Kulisse der Ruine einer alten, verfallenen Kirche die Stilelemente gothischen Horrors perfekt zum Einsatz kommen:
Unterstützt von einer unheimlichen Geräuschkulisse, einem rasanten Score und wabbernden Nebel feiert Alucard mit seinen Freunden eine schwarze Messe mit dem Ziel Graf Dracula auf dem angrenzenden Friedhof aus seinem feuchten Grab auferstehen zu lassen und in der bildhübschen Caroline Munro sein erstes Opfer zu finden.

"Dracula jagt Mini-Mädchen" ist der durchaus gelungene Versuch, dem Genre neue Impulse zu verleihen. Das Drehbuch ist einfallsreich, die Inszenierung ist sorgfältig und eigenständig, sie folgt weniger ausgetretenen Pfaden, sondern überzeugt vor allem auch mit einer sehr guten Kameraarbeit mit außergewöhnlichen Einstellungen. 
Die Mischung aus alt- und neumodischen Grusel-Elementen geht auf, und wird dabei von Michael Vickers rundum gelungenen Score veredelt, der sowohl temporeiche Szenen als auch schaurig-gruselige Momente perfekt unterstreicht.
Vor allem sorgt das Zusammenspiel von Lee/Cushing für den größten Unterhaltungswert. Lee als "Dracula" ist trotz seiner Abneigung für die Rolle sichtbar gut aufgelegt und Cushing verkörpert in gewohnter Perfektion mit seiner seriösen Ausstrahlung den kongenialen Gegenpart zum Blutsauger Dracula und verleiht dem Film zusätzliche Klasse.

Nach einem fulminanten Prolog aus der Vergangenheit, der die letzte Konfrontation zwischen Dracula und Van Helsing im Londoner Hyde-Park darstellt, nimmt der Film zwar einen etwas zähen Verlauf, doch noch dem zweiten Highlight - der schwarzen Messe und Draculas Auferstehung - wird "Mini-Mädchen" zunehmend unterhaltsamer und steuert auf ein einfallsreich inszeniertes Doppel-Finale zu.

Insgesamt um Klassen besser als "Nächte des Entsetzens": weniger blutrünstig, dafür mehr Atmosphäre und viele unverbrauchte Ideen mit einer tollen Besetzung, die das Sahnehäubchen ist.

7,5/10

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