Review

kurz angerissen*

Man könnte sagen, dies ist Jean Rollins Geisterfilm. Schon die malerischen Impressionen des kleinen Küstendorfs geben zum Vorspann die Stimmung an, und selbst als mit scharfem Kontrast der Szenenwechsel mitten auf eine Hochzeitsfeier erfolgt, geht es darum, die auserwählten Hauptfiguren, einen Mann und eine Frau, vom Puls der Gemeinde zu isolieren. Die Kommunikation zwischen ihnen erfolgt durch die tanzende und feiernde Menge hindurch stillschweigend über Blicke, verstärkt durch die scharfe Semiotik der Schnittmontage; für die ahnungslose Hochzeitsgesellschaft wird der Gedankenaustausch in einem obskuren Gedicht verschlüsselt, das der Mann zur Irritation der meisten Anwesenden zum Besten gibt.

Schnitt zurück ins Freie. Es folgen symbolisch aufgeladene Schlüsselbilder wie der Kopf eines Zuges, der aus dichtem Nebel ragt und zur Bühne für die Frau wird, die darauf für mögliche Aushangfotos posiert. Später wird auch der Clown wieder einen bizarren Kurzauftritt haben, der Rollins Werke immer mal wieder heimsuchen würde. Die Dialoge bleiben sparsam und in ihrer Semantik vage. Sie spiegeln damit die Handlung, die sich in einer großen Ellipse erschöpft. Man kann nicht umhin, schon in der reinen Inhaltsbeschreibung ein Bildnis zu entdecken: Ein Paar, das in der Nacht auf einem labyrinthischen Friedhof eingesperrt wird und nicht mehr den Weg zum Ausgang findet.

Erwartungsgemäß inszeniert Rollin die gotischen Relikte aus Stein und Eisen, überwuchert mit wild wachsendem Grün, von Meisterhand; schließlich befindet er sich voll und ganz in seinem Element, wenn er derartige Kulissen zur Verfügung hat. Obwohl er diesmal - abgesehen von einer Szene an seinem ebenfalls gerne besuchten Strand - fast völlig auf Nacktszenen verzichtet, spielt die Ästhetik wieder eine große Rolle, wo die Handlung jeglichen Kommentar verweigert.

Seine Spannung bezieht das surrealistisch angehauchte Umherirren zwischen den Toten hauptsächlich aus dem sich verändernden Verhältnis zwischen Françoise Pascal und Hugues Quester. Die Dominanzverhältnisse verschieben sich mehrfach. Die Stimmung mäandert ständig zwischen Panik und innerer Ruhe. Die traumwandlerische, diffuse Art der Inszenierung trügt, denn tatsächlich arrangiert Rollin hier das uralte Spiel der Machtverhältnisse zwischen Mann und Frau. Er stellt Fragen bezüglich Führungsqualität, Vertrauen und dem Umgang mit Macht, nach selbstzerstörerischen Tendenzen und der eigentümlichen Dynamik, die sich zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts ergeben, wobei er den Friedhof unmissverständlich, aber doch mit aller gebührenden Zurückhaltung als zentrales Symbol für den Kreislauf des Lebens versteht.

Klammert man die offensive Symbolik, angeführt durch die "Eiserne Rose" aus dem Titel, völlig aus, so mag man einen ereignislosen Erfahrungsbericht über eine Nacht auf dem Friedhof vorfinden, ganz ohne Monster und Vampire, geschmückt mit nur wenigen unheimlichen Gestalten anderer Art. Entschließt man sich aber dazu, die Subtexte anzunehmen und den ein oder anderen Holzhammer zu verzeihen, so wird aus dem Camping in der Gruft eine durchaus sinnliche Erfahrung.

*weitere Informationen: siehe Profil

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