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In der Ruhe liegt die Kraft

Jean Rollin filmte in seiner ausschweifenden Karriere ausserordentliche Streifen. Darunter unzählige Vampirstreifen, die immer den Hang zu erotischem Beiwerk hatten, darunter aber auch Filme wie Grapes of death (1977), der zwar unter seiner fadenscheinigen Schicht ein Zombiefilm war, aber  an mehreren Orten angefasst werden konnte, wollte und dadurch auch zurecht verstörend im Gesamten blieb. Eine irre Faszination, angeregt durch verträumte Bilder, diese morbide Faszination im Wechsel mit dem Unbehagen einer zerstörten Illusion und der fassadenhaften Schönheit, die uns alle umgibt.

Und genau das ist auch die Stärke jenes Filmes, den viele wohl auch als das Meisterwerk eines Regiseurs sehen, der immer irgendwie polarisieren wollte, niemals konventionell sein wollte, sondern immer poetische, schwer greifbare und schwer verdauliche Filme schuf, die mitnichten einfach mal so für "Zwischendurch" geeignet sind. Die eiserne Rose, auch Friedhof der toten Seelen genannt, ist einer dieser Filme, die man rein gar nicht irgendwo einordnen kann, verzichtet Rollin hier gänzlich auf seine solch übernatürlichen Thematiken wie Zombies oder Vampire.

Rollin kreiert einen morbiden Alptraum, der sich durch ein Nichts von Story wälzt, aber dennoch so vielschichtig ist und auch zu interpretieren ist, dass einem das Unbehagen, je nach Betrachtrungsweise auch die Langeweile, die durchaus von dem Werk ausgehen könnte, umhaut. Rollin verlässt sich voll und ganz auf die Szenerie des Friedhofs, diese unbekümmerte Ruhe, umrungen von den Toten und die Stille, die das "Leben" draußen, vor den Gittern des Jenseits vermissen lässt. Es sind die bedeutungsschwangeren Bilder voller grauenhafter und dennoch wunderschöner Poesie und Zweideutigkeit, die uns verzaubert, denn alleine darauf setzt dieser Film, falls man ihn denn so nennen mag. Vielmehr ein Gedicht, dass sich wie die boshafte Schönheit einer schwarzen Rose mit dem Leben und dem Tod vermischt. Ein verträumtes Gedicht, welches Jess Franco niemals gedreht hat.

Und genau in diesem Gedicht finden sich zwei Menschen wieder, nur alleine die vermag Rollin für seinen Film, beschränkt er sich doch in seiner Intention geradezu auf diese Zweisamkeit zweier Seelen, so unbekümmert interessiert im "Leben" stehend, auf der Suche nach der Stille und Ruhe, die zu suchen auf der Erde des Zerfalls und dem eigentlichen Verderben. Dem Tod. Es ist wie das blühende Leben, die Liebe der Beiden, die einen solchen Ort für sich suchen, ein Abenteuer fernab dem Getöse der lauten Grossstadt, fernab der Ruinen in den Städten, mit den hilfslosen, kalten und toten Menschen. Tote Seelen, die durch den Alltag ihrer Sorgen wandeln. Eine unerklärliche Metamorphose, die nicht allzu deutlich wird, denn lange Zeit, muss man erahnen, was hinter Friedhof der toten Seelen steckt.

Es ist diese Doppeldeutigkeit der Szenen die fasziniert, die Erklärung und auch die Erkenntnis des Widerspruchs in sich, findet man das Unberührte, die Natur, das blühende Leben an einem Orte wieder, auf dem Leben erloschen, die Erloschenen liegen, während draußen im Leben, die wirklich Lebenden von totem, grauen Stein umgeben, von unüberwindbaren Mauern vor uns, uns zu schützen, von Brücken, die wir niemals alle gemeinsam überqueren können. Eine Zerissenheit, diese Zerissenheit, die im Tode nicht stattfindet. Im Tod ist jeder gleich - leben die Toten?

Friedhof der toten Seelen ist ein Film der berührt, der in keinster Weise massenkompatibel ist, und eigentlich, wenn wir das mal normal betrachten nichteinmal ein Film ist, erzählt er doch eigentlich gar keine Geschichte. Von einem Plot ist er weit entfernt, denn als Aufhänger dient bloss das Verbleiben der Beiden auf dem Friedhof, den sie erwählt, um bloss in Ruhe diese Ruhe geniessen zu können. Da wird in vollster Kühnheit eine Gruft zur Liebeshöhle entweit, ganz unbefangen, aber doch bei Verstand, überkommt einen die Liebe der Beiden, wie ein Traum eigener Träume, aber dennoch so morbid, dass es selbst bald die Protagonisten merken.

Angst macht sich breit, können sie von dem Friedhof nicht mehr fort, das Tor geschlossen, sie nun ein Teil der toten Welt, abgeschottet von draußen, der sie selbst nach draußen kehrt - in eine andere Welt, die sie wahnsinnig werden lässt, zumindest die Frau, die im Vorfeld nicht besonnen von der Idee, nun über Leben und Tod sinniert, während der Mann zu zweifeln beginnt. Da werden die Zeichen des Christentums mit Füßen getreten, wobei die Liebe zum Tod immer deutlich wird. Liebliche Stunden in einem gerade frisch ausgehobenen Grab, noch voll mit altem Gebein, praktizieren sie dort ihre Liebelei, als wären sie eingetaucht in eine andere Welt.

Das ist morbide, aber genauso verträumt und schön, denn die Kulisse ist ruhig, so auch der Film, der stellenweise, fast ohne Bedenken selbst ohne Begleitmusik fesseln mag. Rollins Kamera ist exzellent, wechselt sich ab zwischen minutenlanger Starrheit, ist nervös, ist schnell - aber immer verträumt, so auch die Musik, die eintritt, wenn die Frau den Mann in der Gruft einsperrt. Abgeschlossen, wie fest in ihrem Herz, labt sie sich an den Gräbern noch, bevor sie beim Sonnenaufgang ebenfalls zu ihm herabsteigt, lebend, eingeschlossen in Zweisamkeit, für ihre Liebe zusammen, um festzustellen, dass die Lebenden die Toten sind.

Fazit:
Jean Rollins Friedhof der toten Seelen wird wenigen gefallen, viel mehr wird er die Menschen, die sich diesem Werk hingeben verzaubern, oder langweilen, denn konventionell ist das keineswegs. In keinem Belangen. Kein Horrorfilm an sich, kein Gothichorror a la Hammer, kein Sleaze a la Franco, kein typischer Rollin. Doch, aber sicherlich nicht für Zwischendurch tauglich. Vielmehr für die Stunden bei Kerzenlicht, in Zweisamkeit in verträumten Gedanken, alleingelassen mit Rotwein, um darüber nachzudenken, mit welch störrischter Kälte wir im Leben, dass Überleben als Tote, Herztote und Hirntote bewältigen. Ein kleines Glanzstück, dass schwer verdaulich ist und irgendwo bewegt - sei der Inhalt und das Erzählte doch so schmal - Diskussionsbedarf steht am Ende doch, vielmehr als irgendwosonst.

84%

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