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Er werde um 18.00 Uhr wieder da sein, meint der Kubaner René González (Edgar Ramírez) noch zu seiner Frau Olga (Penélope Cruz), als er zur Arbeit fährt, doch das hat der Berufspilot nicht wirklich vor: stattdessen fliegt er mit einem Flugzeug in die USA, wo er neu durchstarten will. Gleichwohl er seine darauf nicht vorbereitete Familie einfach im Stich läßt, gewöhnt er sich schnell an den westlichen Lebensstil und arbeitet bald wieder als Pilot - für eine exilkubanische Organisation, die hauptsächlich Rettungsflüge vor der Küste Floridas unternimmt und über das Meer fliehende Kubaner der US-Küstenwache meldet, damit diese aufgesammelt und sicher in die USA geleitet werden.
Während seine Ehefrau die Tochter allein großziehen muß und bezüglich seiner Flucht aus Kuba als Frau eines Verräters angefeindet wird, wird González nicht nur vom FBI kontaktiert, welches ihm für Spitzeldienste innerhalb der exilkubanischen Community ein nicht zu verachtendes, regelmäßiges Einkommen anbietet, sondern lernt auch andere Aktionen seines Dienstgebers kennen, in welcher zwischendurch auch mal Anti-Castro-Flugblätter über Havanna abgeworfen und Waffen und Drogen durch ausgewählte Piloten geschmuggelt werden.
Bald macht er die Bekanntschaft eines weiteren Kubaners, der nach Guantanamo geschwommen und von dort nach Florida gekommen ist: Juan Pablo Roque (Wagner Moura), ebenfalls Pilot. Roque genießt das westliche Leben in vollen Zügen, trägt teure Uhren und Maßanzüge und ehelicht schon bald die hübsche Exil-Kubanerin Ana Magarita Martinez (Ana de Armas), zu der er allerdings ein eher distanziertes Verhältnis pflegt. González dagegen schreibt seiner Frau ab und zu Briefe, die jedoch nicht beantwortet werden, bis sie eines Tages ihre Meinung ändert und ihre (legale) Ausreise in die USA beantragt.
Als ein weiterer Exil-Kubaner seiner Freundin seine plötzliche Ausreise/Flucht in die Staaten ankündigt, bringt er es nicht übers Herz, ihr Lügen aufzutischen: in Wahrheit habe er gar nicht vor zu fliehen, sondern sei Spezialagent, der mit anderen zusammen ein Netzwerk - das titelgebende wasp network - in Florida aufbauen wolle, um exil-kubanische Gruppen dort zu infiltrieren und deren Aktivitäten, die auch Anschläge auf touristische Ziele in Kuba beinhalteten, aufzudecken und zu sabotieren...

Das im Film porträtierte historische Wespen-Netzwerk kubanischer Agenten im Auftrag Castros beruht auf dem Roman Die letzten Soldaten des Kalten Krieges, welcher durch den französischen Regisseur Olivier Assayas (Personal Shopper) verfilmt wurde und sich auf denjenigen Teil der Gruppe bezieht, der sich nach Aufdeckung ihrer Mission nicht mehr rechtzeitig absetzen konnte - diese Miami Five genannten 5 Agenten (von insgesamt mehr als 16), deren teilweise dargestellte Privatleben einen größeren Raum im Film einnehmen, wurden 1998 verhaftet und später zu langen Haftstrafen verurteilt - die letzten 3 der Miami Five kamen erst 2014 frei.

Das von Mißtrauen und Argwohn geprägte Verhältnis der USA zur kommunistisch regierten Insel vor ihrer Haustüre sorgt seit Castros Machtantritt Ende 1958 für Furore und ist durch zahlreiche, durchaus auch gewalttätige Zwischenfälle (Stichwort Schweinebuchtinvasion) der Weltöffentlichkeit bekannt - das wasp network hingegen fand zumindest in Europa kaum Widerhall, weswegen auch die meisten Zuseher in unseren Breiten hier etwas Neues zum Thema USA - Kuba erfahren dürften.

Assayas Film leidet jedoch unter zwei grundsätzlichen Problemen: zum einen schlägt er sich, entsprechend der Romanvorlage, ziemlich eindeutig auf die Seite der verhafteten Spione, zum anderen ist die filmische Aufbereitung der Agententätigkeit reichlich ungewöhnlich, denn bis zur Mitte des Streifens scheint es sich eher um ein Familiendrama zu handeln, bevor mit dem Geständnis eines weiteren fluchtwilligen Kubaners das Ganze Formen eines Agententhrillers annimmt, der von wenigen Actionszenen abgesehen aber auch dann kaum Tempo entwickelt.

Zu Ersterem gehört die Darstellung der Exilkubaner als Haufen verkappter Extremisten, die unter dem Deckmantel wohltätiger Rettungsflüge in Wahrheit Waffen und Drogen schmuggeln, um die kubanische Regierung zu stürzen und sich dabei auch halbwüchsiger mittelloser Burschen bedienen, die als Tagestouristen getarnt vorbereitete Bomben in kubanischen Küstenhotels platzieren. US-Geheimdienstler sind fiese Typen, die viele Dollars für Informationen versprechen, dem solchermaßen auskundschafteten Treiben aber nicht wirklich Einhalt gebieten sondern dieses stillschweigend dulden. Auf der anderen Seite haben wir bedächtig sprechende kubanische Militärs, die sich nur gegen die Aggressoren zu verteidigen versuchen und die beiden harmlosen Wasserflugzeuge, die sie dann mit sowjetischen Raketen abschießen, immerhin noch vorwarnen, als diese zu nah an Kuba heranfliegen. Von Castros Ein-Parteien-Diktatur, dessen Menschenrechtsverletzungen und dem allgemein miserablen Lebensstandard im sozialistischen Kuba ist freilich zu keiner Zeit die Rede. Politische Ausgewogenheit kann man wasp network somit keineswegs bescheinigen, was zwar prinzipiell an der Romanvorlage liegt, für ein neutrales Publikum (außerhalb der an diesem Konflikt beteiligten Parteien) jedoch durchaus bedauerlich ist.

Das zweite Problem ist der ungewöhnliche Aufbau des Films, der mit den unterschiedlichen und zunächst nicht näher begründeten Fluchtverläufen wenig Anknüpfungspunkte zu einem Thriller bietet, gleichwohl wasp network als solcher gehandelt wird. Stattdessen wird das wenig spannende neue Leben nicht unbedingt sympathischer Kubaner gezeigt, dessen wahre Hintergründe sich erst ab Filmmitte erschließen - bis dahin haben vermutlich die Hälfte aller Zuschauer den gemächlich vor sich hin plätschernden Streifen aber schon abgedreht.
Wieso läßt González seine Gattin, die attraktive Penélope Cruz, plötzlich allein, und scheint sich dann in Miami auch nicht recht über seine neue Wahlheimat zu freuen? Wieso nimmt die Beziehung von Roque zu Ana zunächst soviel Raum ein (wobei Ana de Armas ihre Filmfigur des unpolitischen Dummchens derart sexy anlegt, daß der Film sich kurzzeitig in eine ganz andere Richtung zu drehen scheint), nur um dann sang- und klanglos zu enden? Was bewog Olga, die angeblich die Briefe ihres Mannes nie gelesen hat, eines Tages eine 180-Grad-Kehrtwende ihrer bisher geäußerten Ansicht, alleinerziehend und patriotisch in Kuba bleiben zu wollen, zu vollziehen? Fragen über Fragen, die jedoch nie beantwortet werden.

Insgesamt kann dieser genreuntypische filmische Mischmasch trotz seiner - übrigens durchaus ambivalent dargestellten - Protagonisten und teilweise bekannten Darsteller zu keiner Zeit überzeugen: 2 Punkte. Das zusätzliche Gnadenpünktchen verdienen sich die beiden einzigen im Gedächtnis bleibenden Figuren Ana Magarita Martinez (deren Auftritt als absolutes Eye Candy allerdings überhaupt nichts mit Politik, weder pro noch gegen Castro, zu tun hat) sowie der begierig McDonalds-Hamburger konsumierende edelmarkengeile Hedonist Roque, dem nach am Ende geglückter Flucht auf die Frage, was er am meisten aus seiner Spionagetätigkeit in Miami vermisst, nur sein Jeep Cherokee einfällt...

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