Eine ruhige Vorstadtgegend irgendwo in den Staaten ist das neue Domizil von Melanie Edwards (Dawn Van de Schoot) und ihrer beiden Kinder Madison und Timothy: Die toughe Alleinerzieherin managt ihre kleine Familie nach der Scheidung mit Bravour, als eines Tages ein (titelgebender) roter Brief im Postkasten auftaucht. Darin steht unmißverständlich und mit Foto, daß sie eine Nachbarin umzubringen habe, und zwar zügig, da diese dasselbe mit ihr vorhabe. Melanie nimmt das Ganze nicht allzu ernst, aber da offenbar alle Nachbarn in der Gegend einen solchen roten Brief erhalten haben und es schon zu ersten Gewalttaten kommt, beschließt sie, ihre Bekannte zumindest mal zu besuchen. Dummerweise packt ihr der pubertierende Filius - von ihr allerdings unbemerkt - ein Fleischermesser in ihre Tasche, welches dann beim zunächst harmlos verlaufenden Besuch unerwartet entdeckt wird und weitreichende Folgen nach sich zieht.
Mit einer prinzipiell interessanten Frage, wie normale Menschen auf eine solch direkte Aufforderung zum Töten reagieren, startet die kanadische Produktion Red Letter Day und gibt schon mit den ersten Szenen die erschreckende Antwort: die Allermeisten lassen sich von diesem anonym abgeschickten Schreiben tatsächlich verunsichern - und manche eben soweit, daß sie sich bewaffnen und losziehen, ihren vermeintlichen "Gegenspielern" zuvorzukommen.
Was sich vom Konzept her ein wenig nach The Purge anhört, hat hier jedoch keinerlei gesellschaftpolitischen Hintergrund, sondern beruht auf der Autoritätsgläubigkeit einer weißen Mittelschicht, die sich von einem von außen kommenden, nicht einmal besonders ausgeklügelten Schreiben beeinflußen lassen. Das ist dann auch der Knackpunkt des Films, denn bei uns in Europa würden solche Schreiben zum Großteil unbeachtet im Müll und zu einem kleineren Teil bei einer Polizeibehörde landen, doch im vorliegenden Fall ignoriert die Polizei die vielen roten Briefe und es kommt auch keiner der Filmcharaktäre auf die Idee, die Obrigkeit vor Ort zu verständigen. Stattdessen werden an sich harmlose Bürger in zum Teil groteske Notwehr-Situationen hineingezogen.
Trotz mancher Logiklücken gelingt es Regisseur Cameron Macgowan mittels einiger Thriller-Elementen für Kurzweil zu sorgen, beispielsweise, wenn die eigentlich umsichtige Mama ihre beiden Kinder allein zuhause läßt und diese sich dann gegen einen mordlustigen Nachbarn zur Wehr setzen müssen. Die hierbei eingestreuten Gore-Einlagen sind trotz des erkennbar geringen Budgets als gelungen zu bezeichnen, auch wenn man sich angesichts teilweise schwacher schauspielerischer Darbietungen (hier: der beiden Kinder) des Öfteren fragt, ob der mit nur 73 Minuten sehr kurze Streifen nicht als eine Art Realsatire gemeint sein könnte - doch wartet man vergeblich auf zynische Dialoge oder schwarzhumorige Einlagen. Solchermaßen unschlüssig, das Gezeigte einzuschätzen, ergibt sich ein immerhin unterhaltsamer Streifen, der vor allem von der resoluten Dawn Van de Schoot lebt, die ihre Mutterrolle authentisch rüberbringt.
Mit etwas mehr Details vor allem zu den Urhebern dieser Briefe (die immerhin einige Hintergrundinfos über die Betroffenen voraussetzen bis hin zur Verteil-Logistik), was durch die wenigen Hinweise auf die virtuelle Herkunft der ominösen Gruppe viel zu vage abgehandelt wird, wäre eine bessere Bewertung drin. So bleibt es bei 6 Punkten für den auf gutem Indie-Niveau abgedrehten Red letter day.