Review
von Leimbacher-Mario
Schuster, bleib bei deinen Geistern!
Wenn Tetsuya Nakashima zu seinem ersten „echten“ Horrorfilm ansetzt, dann horcht nicht nur der asiatisch geneigte Genrefan auf. Die Laufzeit, die Beteiligten, der kickende Trailer, die Story - alles klang wie ein umfangreiches Festmahl und ein möglicher neuer Höhepunkt in Sachen J-Horror. Und was kommt dann auf den Tisch?! Schon ein fettes Essen, aber mit derart wild gemischten, bizarren und experimentellen Zutaten, Gerüchen, Anordnungen, dass man ordentlich ans Gucken, Schlucken und Ducken kommt... Wir folgen einem scheinbar recht glücklichen Paar, u.a. durch Hochzeit und die Geburt ihrer ersten Tochter. Doch ein mysteriöses Geschöpf scheint zumindest dem frischgebackenen Daddy ordentlich zu schaffen zu machen und ihm seit seiner Kindheit auf den Versen zu sein... Doch das ist nur ein kleiner Auszug aus einer richtig breit aufgezogenen Geschichte und einer (nicht nur für westliche Gehirne/Geschmäcker) gewagten Achterbahnfahrt der Gefühle! Ein hyperaktiver Hansdampf aus allen Gassen.
Horrorepen mit locker über zwei Stunden waren, sind und werden wohl immer die Ausnahme bleiben. Das ist eine leere, aber auch überproportional mit Meisterwerken gepflasterte Straße. Nach „It Comes“ weiß man warum... Das Ding ist gewaltig. Egal ob thematisch, stilistisch, storytechnisch - was für eine ambitioniert gedeckte, sich sicher manchmal auch überschlagende Tafel! Selbst wenn ich von Nakashima nichts Kleineres erwartet hatte, war ich geplättet, verwirrt und sicher auch etwas überfordert. Doch das spricht ja nicht unbedingt gegen den Film. Es ist eine höchst emotionale Geistergeschichte zwischen „Ju-On“ und „Hereditary“, „The Wailing“ und „The Conjuring“ - infusioniert mit der unverkennbarem, kinetischen, oft genauso nervigen wie genialen Handschrift des Regisseurs. Über die Sünden der Eltern und eines ganzen Landes, über die Oberflächlichkeit der Generation „Blog“, über Schein und Sein, über Fluch und Segen, über Tradition und Zukunft. Ein explosiver, unberechenbarer, aber einen auch leicht verlierender Genremix. Richtig gruselig wird's nie, zudem über die massive Laufzeit doch mit argen Längen für meinen Geschmack ausgestattet und thematisch fast schon zu weit gestreut. Vielseitig, hypnotisierend, einschläfernd. Groß gedacht und gemacht. Jedoch für mich wirklich mit heftigen Pacingproblemen und zu vielen Hochzeiten, auf den alle möglichen Stile getanzt werden. Das ist ein All-You-Can-Eat-Buffet, von Dämonen in deinen Rachen gekippt. Und das, obwohl du schon seit Stunden satt bist...
Fazit: was für ein epischer, chaotischer und wirrer Ritt... Als ob „Hereditary“ mit „The Conjuring“ ein Baby auf LSD gezeugt und nach Japan importiert hätte. Und noch viel mehr. Im besten Fall sehr interessant. Im schlechtesten Fall sehr anstrengend. Hui. Boah. That's (not) just weird.