Fragt oder sucht man nach Filmen zum Thema Snuff, wird auch immer wieder „Stumme Zeugin“ an die Oberfläche gespült, obwohl das Thema nur ein Element in diesem Film ist und letztendlich mit dem großen Rahmen des Plots nichts zu tun hat.
Die Story an sich paßt in ein Streichholzschächtelchen: stumme Maskenbildnerin wird versehentlich im Filmstudio in Moskau eingeschlossen und beobachtet des nächtens, wie zwei Böslinge anscheinend eine Frau für einen Snufffilm ermorden. Die Flucht aus dem Studio wird nur Nagelprobe und danach ist die Frau Freiwild für die Killer, allerdings geht es letztendlich um eine Mafia-Affäre und Erpressung.
Der Plot ist aber sichtlich unwichtig, denn Regisseur Anthony Waller ist vielmehr daran interessiert, das Maximum aus der Situation seiner Heldin herauszuholen. Die zwielichtige Horrorfilmproduktion in Moskau (komplett mit Sprachproblemen) ist schon beunruhigend genug, das Einschließen verstärkt den Hang zur Klaustrophobie, von der mangelnden Sprachfähigkeit ganz zu schweigen.
So wird die komplette Mordsequenz mit anschließenden Flucht- und Versteckversuchen zu einem Kleinod an Spannung und Suspense mit einer entsprechend motivierten und engagierten Heldin in Todesangst.
Die zweite Hälfte (die Behörden glauben mal wieder nix) besteht dann in fortwährenden Versuchen, die Zeugin in die nächste Welt zu befördern und ermöglicht weitere Intensivstszenen wie das Eindringen in die Stadtwohnung, wo alle genretypischen Elemente frisch angeordnet und angewendet werden, um sich gegen die Mörder zu wehren. Klassisch dabei die verschiedenen Kontaktversuche mit der Außenwelt, die Suche nach einer möglichen Waffe, die Flucht in immer kleinere und ausweglosere Räume.
Das Finale wird dann zum doppeldeutigen Spiel mit verschiedenen Identitäten, wobei es gilt, Figuren wie Zuschauer zu verunsichern und über die wahren Motive im Unklaren zu lassen.
Die Pointe ist dann wieder filmisch, aber die allgemeine Verunsicherung und das ungute Gefühl kann der Film die volle Laufzeit über so stehen lassen.
Negativ ins Gewicht fallen allerdings einige Konzessionen an den Massengeschmack. Denn so wunderbar grimmig, unmenschlich und ausweglos die Konfrontation mit den bösen Russen scheint, so albern, überzogen und comedyhaft ist der Umgang mit der Freundin der Heldin und dem amerikanischen Regisseur, deren Befreiungsversuche (und Bemühungen, selbst am Leben zu bleiben) zu stark ins Slapstickhafte rutschen und der Ton der Handlung verstärkt stören.
Alec Guiness gibt übrigens ein Cameo als Mystery Guest Star, in Form des russischen Gangsterbosses, doch sollte man sich nicht täuschen lassen, die Szenen waren zur Produktionszeit des Films bereits acht Jahre alt.
Wer also mal wissen möchte, wie man handwerklich kompetent und druckvoll das Maximum aus einer archetypischen Horror- bzw. Thrillersituation herausholt und vor Hitchcock zwar einen Knicks aber keine Verbeugung macht, der ist bei „Stumme Zeugin“ genau richtig. (7,5/10)