Review

Wenn Killer auf der Jagd nach einem Opfer sind, gestaltet sich das im Normalfall spannend, wird aber einen Tick dramatischer, wenn das Opfer einer körperlichen Beeinträchtigung ausgesetzt ist.
Das zeigte einst Audrey Hepburn als Blinde in „Warte, bis es dunkel ist“ und James Stewart an den Rollstuhl gefesselt in „Fenster zum Hof“.
Autor und Regisseur Anthony Waller setzt hier alles auf seine „Stumme Zeugin“ und beschert uns damit ein paar überaus spannende Momente, wenn auch die sprunghafte Story ein wenig zu wünschen übrig lässt.

Er steigt auch gleich voll ein, indem er den Zuschauer an der Nase herum führt: Ein weibliches Opfer taumelt, tödlich verwundet, im Todeskampf durch die Wohnung und reißt beim Herumschlackern die halbe Einrichtung zu Boden, - wie sich kurz darauf herausstellt, das halbe Filmset, denn wir befinden uns beim Dreh eines Slashers, irgendwo in Moskau mit ein paar russischen Darstellern (Der Film im Film, - und ich bin ihm wieder auf den Leim gegangen).

Regisseur Andy und Freundin Karen haben das Set bereits verlassen, doch Karens Schwester, die stumme Billy, die am Set für Maske und Special-Effects zuständig ist, wird im Gebäude eingeschlossen.
Dabei beobachtet sie, wie sich ein scheinbarer Pornodreh zum Snufffilm entwickelt, bei der die Darstellerin auf bestialische Weise ermordet wird.
Fortan befindet sich Billy nicht nur auf der Flucht vor den beiden Russen des Snuff-Videodrehs, sondern einer ganzen Russen-Mafia, die die stumme Zeugin aus dem Weg räumen möchte.

Die spannendsten Szenen finden sich ohne Zweifel in Billys Flucht aus dem usseligen Gebäude und den grauenvollen Beobachtungen, die sie beim Beseitigen der Leiche macht.
Von einer Kletterpartie in einem Fahrstuhlschacht über das Versteckspiel hinter Türen arbeitet die Kamera effektiv und ist stets clever positioniert. Der starke, orchestrale Score verstärkt die Bedrückung immens und das Tempo ist enorm.
Und so makaber es klingen mag: Hier scheint Billys Handicap von Vorteil, denn in einigen Momenten hätte sie geschrien – und sich damit verraten.

Dabei fällt das Mitfiebern nicht sonderlich schwer, denn die beiden Russen entsprechen so ziemlich allen negativen Klischees, die man irgendwo schon mal wahrgenommen hat. Der eine ist der Grobschlächtige, der wahrscheinlich schon als Kind eine Pulle Wodka zum Frühstück trank, der andere ein arglistig cooler Typ. Da wirkt das original gesprochene Russisch umso härter und grundlegend wie eine Besprechung krimineller Machenschaften.

Nein, die Russen kommen bei diesem Thriller überhaupt nicht gut weg, denn nach vorläufiger Flucht vom Filmset will Billy niemand Glauben schenken, die beiden Täter reden sich geschickt heraus und die Behörden können/wollen nichts unternehmen. Nur Schwester Karen hat eine böse Vorahnung, dass Billy in ihrer Wohnung nicht mehr sicher ist.

Und so kommt es auch, die bösen Wichte haben es erneut auf Billy abgesehen und brechen in ihre Wohnung ein, wo sich die stumme Frau mit allen herumliegenden Gegenständen zur Wehr setzt.
Immerhin bietet dieser Abschnitt eine weitere, höchst spannende Passage.

Gegen Ende wird es allerdings etwas wirr, denn immer mehr Russen mischen das Geschehen auf, irgendwelche Agenten, Mafiatypen, dubiose Scheinidentitäten, die alle etwas mit einer ominösen Diskette zu tun haben. Der Snuff-Part gerät völlig in den Hintergrund und letztlich geht es nur um die Omnipräsenz der Russen-Mafia.
Das Finale führt uns noch einmal zum Schauplatz des Filmsets, bietet auch die eine oder andere Überraschung, hinkt den weitaus spannenderen, vorangegangenen Szenen aber hinterher.

Um den Adrenalinpegel des Zuschauers zwischendurch ein wenig sinken zu lassen, wird das Geschehen durch kleine Humoreinlagen aufgelockert.
Da kommt der angenervte Untermieter Billys (im Superman-Bademantel) recht witzig und auch die kurze Stripeinlage, um Hilfe vom Spanner-Nachbarn zu bekommen, ganz niedlich.
Auf Dauer etwas nervig ist hingegen der tollpatschige Regisseur Andy, der mit seinem slapstickartigen, stoffeligen Herumgestolpere nicht so recht in diesen Film passt.

Über die Darsteller lässt sich ansonsten nichts Negatives berichten, alles recht solide, nur Marina Zudina ist in der Hauptrolle als stumme Billy etwas besser, ihre ausdrucksstarken Augen untermauern die Spannung innerhalb Konversationsproblemen exzellent.
Dazu gibt Sir Alec Guiness ein Cameo als russischer Mafiaboss, schön klassisch mit Limousine, Hut und markanter Stimme.

Letztlich schafft Waller es, einen spannenden Thriller aufzutischen, ohne mit der Story einen Volltreffer zu landen, die mit Klischees und Oberflächlichkeiten ausgestattet, eigentlich keinen Pfifferling wert ist.
Aber der lineare Ablauf und ein paar sehr fesselnde Szenen mit Verfolgung, Gegenwehr und Verstecken, machen „Stumme Zeugin“ zu einem recht sehenswerten Thriller.
7,5 von 10

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