Review

2019 "Rambo: Last Blood" oder "Der alte Mann und das Messer - Rambo returns again" (Sly Nr. 43)

„It's a long road, when you're on your own ... ."

Wenn Dan Hills schmachtende Ballade zu den Endcredits zu „First Blood" ertönt, passt das nicht nur perfekt zu den vergangenen 90 Minuten, sondern vor allem zu der hier noch nicht absehbaren Filmreihe um den traumatisierten Vietnam-Veteranen John Rambo. Obwohl ein unerwarteter Box Office Erfolg und der Beleg, dass Hauptdarsteller Sylvester Stallone auch außerhalb des Boxrings einen Treffer landen kann, waren es erst die Sequels - besonders und vor allem Teil 2 ("First Blood: Part II", 1985) -, die den Kult um den rabiaten Kriegsversehrten begründeten. Natürlich gefiel die Transformation vom gesellschaftskritischen Actiondrama hin zum brutalen Combat-Reißer nicht jedermann und der Name „Rambo" mutierte gar zum Symbol und geflügelten Wort für „brutaler, männlicher Typ bzw. Kraftprotz" (so sogar ein Duden-Eintrag). Stallones Ruf war damit ebenfalls zementiert und der einst ambitionierte Darsteller wurde fortan nur noch als tumbes Muskelpaket mit reaktionärer Gesinnung wahr genommen.

Es sollte bis zum seinem 62. Lebensjahr dauern, bis er sich traute den Wüterich wieder aus der Mottenkiste zu holen und ihm ein würdiges Finale zu bescheren. Nach dem missglückten, weil in jeder Hinsicht zu spät gekommenen „Rambo III" (1988) - die Dezimierung russischer Hundertschaften in Afghanistan fiel ausgerechnet in die Zeit von Glasnost - gelang ihm mit der grimmigen Schlachtplatte „John Rambo" immerhin eine konsequente Rehabilitation des umstrittenen Antihelden. Was ihn nun letztlich dazu bewogen hat 9 Jahre später einen weiteren Nachklapp folgen zu lassen, ist zumindest diskutabel. Vielleicht war es der auch von der Kritik gefeierte Erfolg, mit dem er sein Alter Ego Rocky wieder belebt hatte („Rocky Balboa" (2006)  und „Creed - Rocky´s Legacy" 2015), vielleicht wollte er sich tatsächlich noch einmal ernsthaft den Charakter der Figur vornehmen (was Teil 4 nicht wirklich gelungen war), jedenfalls machte er sich im stolzen Alter von 73 noch einmal auf zu „Rambo: Last Blood".

Und tatsächlich dürften Fans und Kritiker zunächst erstaunt sein. Fast zwei Drittel der Laufzeit sehen wir einen deutlich gealterten Rambo, der auf seiner Farm in Arizona mit der Welt und sich im Reinen scheint. Er züchtet und trainiert Pferde, sinniert im Schaukelstuhl auf der Veranda und kümmert sich liebevoll um die Tochter seiner mexikanischen Haushälterin. Dass die permanenten Kriege aber doch nicht ganz spurlos an ihm vorüber gegangen sind, wird allerdings ebenfalls schnell deutlich. Denn Rambo lebt nicht wirklich auf der Ranch, sondern in einem darunter angelegten Tunnelsystem, das frappierend denen des Vietcong ähnelt. Zudem ist er Tabletten-abhängig, wohl um seine zahlreichen Dämonen in Schach zu halten. Der darstellerisch notorisch unterschätzte Stallone spielt den nur äußerlich ruhigen und gesetzten Veteranen mit der ihm eigenen charismatischen Melancholie, die ihn in Underdogrollen so überzeugend macht und trägt Film wie Rolle absolut souverän. 

Man kann jetzt natürlich über die teilweise banalen Dialoge und die recht holzschnittartig angelegte Ziehvater-Tochter-Beziehung lächeln, aber Rambo war auch in den vorangegangenen Filmen kein Intellektueller und angesichts seiner Trauma-Historie ist das simpel gezeichnete Idyll keineswegs so abwegig. Das gilt eher schon für die notwendigen Plot-Bausteine, um den grimmigen Guerilla-Kämpfer wieder von der Leine zu lassen. Hier muss zügig eine entsprechende Nemesis installiert werden, da bleibt nicht viel Zeit für differenzierte Zwischentöne. Also wird die nach ihrem leiblichen Vater in Mexiko suchende Gabrielle von einem brutalen Drogen-Kartell verschleppt, versklavt und misshandelt. Der körperlicher Gewalt eigentlich abgeschworen habende Rambo wirft all seine guten Vorsätze flugs über den Haufen und mutiert zum ultrabrutalen Rächer, der mit der Urgewalt des jüngsten Gerichts über die ausnahmslos finsteren Gesellen kommt. Ganz nebenbei profiliert er sich auch noch als Berserker-MacGyver und beweist neben erkennbarem Sinn fürs Grobe einen erstaunlichen Erfindungreichtum in Sachen Feindeliminierung.

Wer in all dem aber mal wieder den bösen Polit-Reaktionär am Werk sieht und gar eine schamlose Huldigung der Trumpschen Revisionspolitik wittert, der schießt weit über das Ziel und die Intentionen des Films hinaus. Weder kann man hier von dem in vielen Kritiken kolportierten Mexikaner-Bashing sprechen, noch wird hier in irgendeiner Form ein Loblied der Mauer-Politik geschmettert. Davon abgesehen ist Stallone zwar Republikaner, aber definitiv kein Anhänger des aktuellen US-Präsidenten. Der Film ist purster Fanservice und verfolgt ganz sicher keine politische Agenda. Das Augenmerk liegt vielmehr ganz und gar auf dem Titelhelden.
So abwegig es für manche angesichts der gezeigten Grausamkeiten auch klingen mag, Rambo 5 ist zunächst einmal ein Charakterdrama mit dem Versuch die komplexe Psyche des Vietnam-Veteranen ein Stück weit offen zu legen. Eine ähnlich angelegte Konzentration auf das Innenleben der fälschlicherweise oft als eindimensional missverstandenen Figur gab es jedenfalls seit dem Original nicht mehr. Vielleicht wäre dafür noch weniger Dialog bei noch mehr Fokus auf Bildsprache und Stallones Spiel förderlicher gewesen, aber den normalen Rambo-Fan hätte man damit sicher eher verschreckt denn fasziniert. Zumindest gesteht Stallone Rambo hier wieder eine sehr persönliche Motivation zu, die er im vierten Film weitestgehend vernachlässigt hatte. Vor allem aber bleibt er in der Rambo-Tradition, bei jedem neuen Abenteuer den Härtegrad hoch zu schrauben.

Eingeschworene Rambo-Fans jedenfalls jubilierten, als das ersehnte R-Rating fest stand und auch hierzulande wäre eine Altersfreigabe unter 18 einer Majestätsbeleidigung gleich gekommen. Ob man dafür wiederum ein derart blutrünstiges und splattriges Gemetzel hat veranstalten müssen, sei aber mal dahin gestellt. Zumal zumindest die erste Gewaltspitze weder situations- noch figurbedingt stimmig ist. Andererseits, Stallone gibt der darbenden Fangemeinde nur das, was sie wohl mehrheitlich wollte und das mit brachialer Drastik. Angesichts des eher knapp bemessenen Budgets wird dieses Leckerlie allerdings auch in häufiger Dunkelheit und mit freigiebigen CGI-Einlagen serviert, was den Jubelarien den ein oder anderen Dämpfer versetzen dürfte.
Für sich gesehen funktioniert das finale Schlachtfest aber durchaus, vor allem in seiner karthartischen Intention und Wirkung. Zwar mag es selbst innerhalb der speziellen Gesetze des harten Revenge-Reißers - denn nichts anderes ist Rambo 5 in erster Linie - etwas bemüht wirken, wenn eine Ü-70-Ein-Mann-Armee eine ganze Bande viriler Kartell-Fieslinge ins Jenseits befördert, bei einer inzwischen ikonischen Figur wie Rambo sind solche Glaubwürdigkeitsbrechungen aber Usus und Teil der spezifischen Mythologie.
Das gilt auch für das finale Belagerungsszenario, in dem der vermeintlich Unterlegene den Spieß einfach umdreht und die Eindringlinge respektive Verfolger auf sein ureigenes Terrain lockt, um sie dann dort in Seelenruhe auseinander zu nehmen. Abgesehen von den inszenatorischen Schwächen ist das klassischer Rambo-Stoff, angefangen mit der Infiltration des Gegners, über Gefangennahme plus Peinigung, bis hin zu Flucht und Verfolgung, bei der der Gejagte schließlich zum Jäger wird und so gnadenlos wie effektiv seinen Heimvorteil ausspielt. Wenn Rambo also sein Tunnelsystem mit allerlei fiesen Fallen präpariert, sich sein Waffenarsenal zurecht legt und teilweise sogar selbst anfertigt, dann knüpft „Last Blood" nahtlos an „First Blood" an und schlägt zumindest hier überzeugend den Bogen. Stallone und Grunberg verschenken dabei allerdings auch die große Chance für einen runden Abschluss zugunsten einer eventuell fünften Fortsetzung. So bleibt Rambo 5 wie schon sein unmittelbarer Vorgänger unter den angelegten Möglichkeiten hinsichtlich eines echten finalen Akts.

Vielleicht hätte der ja überaus versierte Regisseur Stallone selbst das Ruder übernehmen sollen, denn  Adrian Grunberg hatte sich bisher nur mit dem mittelprächtigen Mel Gibson-Actioner „Get the Gringo" empfohlen gehabt. Der war zwar ebenfalls in Mexiko angesiedelt und auch nicht gerade zimperlich in seiner Gewaltpräsentation, aber erzählerisch und dramaturgisch erkennbar auf Sparflamme gekocht. In „Last Blood" ist ihm beides besser gelungen, wenn er auch nicht die Intensität und charakterliche Tiefe erreicht, mit der Stallone seinem anderen Alter Ego ein spätes Denkmal gesetzt hatte. Was dem Ringkämpfer vergönnt war, ist dem Einzelkämpfer also bisher (noch) verwehrt geblieben. Wenn zu den Endcredits Bilder aus allen fünf Rambo-Filmen ablaufen, dann ist der manipulative Charakter zu offensichtlich, um die intendierte Wirkung vollends entfalten zu können. Die blutige Reise des Protagonisten scheint noch immer nicht in Gänze abgeschlossen und Stallone scheint dies ähnlich zu sehen.  
Nach eigenem Bekunden will er es vom Erfolg des fünften Teils abhängig machen, ob John Rambo noch ein sechstes Mal zurückkehrt. Als Fan ist man da zwiegespalten, einerseits wirken weder „John Rambo" noch „Last Blood" wie ein in sich rundes Finale der Saga, andererseits ist es fraglich, ob dies beim dritten Anlauf endlich gelingt. Vermutlich bleibt es beim knüppelharten B-Brett für Action-Nostalgiker. Womöglich kann es für den wilden Krieger aber auch kein anderes Ende geben, was uns Dan Hill eigentlich schon 1982 klar gemacht hatte:

„It's a long road, and it's hard as hell, tell me what do you do to survive - When they draw first blood that's just the start of it, day and night you gotta fight to keep alive ..."

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