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Bei dem titelgebenden "Birdcage Inn" handelt es sich um den Namen des Bordells, daß am Strand einer südkoreanischen Küstenstadt liegt. Während die Innenstadt das Bild einer glänzenden wirtschaftsstarken Metropole abgibt, ist hier am Rand der Stadt der Verfall offensichtlich. An diesem Teil des Strandes geht niemand mehr schwimmen - der aus dem Wasser ragende Sprungturm trotzt rostig dem Meer und der Sandstrand ist von Müll übersät.

Über Regisseur und Drehbuchautor Ki-duk Kim's Film liegt die Atmosphäre der Veränderung, gespeist aus dem Gegensatz von Vergangenheit und Gegenwart und von global stattfindenden sozialen Veränderungen, die auch vor diesem verdreckten und heruntergekommenen Teil am Rande Süd-Ost-Asiens nicht halt machen. Für uns europäische Beobachter bedeutet das einen Sprung in eine vordergründig fremde Welt, denn Ki-duk Kim erklärt uns nicht die südkoreanische Gegenwart, die für ihn natürlich präsent ist. Doch mehr und mehr finden wir uns in der klar und linear erzählten Story zurecht und müssen feststellen, daß die Unterschiede letztendlich sehr gering sind.

Zu Beginn sehen wir die sehr hübsche Jin-a (Ji-Eun Lee) auf den Strand zugehen. Sie trägt einen großformatigen Malblock unter dem Arm und stößt versehentlich mit einer fremden jungen Frau zusammen. Dabei fällt dieser ein Plastikbeutel mit einem Goldfisch aus der Hand, der sofort sein Wasser verliert. Jin-a nimmt eine Flasche aus ihrer Tasche, füllt den Beutel wieder mit Wasser auf und drückt der anderen Frau diesen wieder in die Hand. Dabei gibt es keinerlei Kommunikation zwischen den Beiden, so als wäre der Vorfall gar nicht passiert.

Schon hier zeigt Ki-duk Kim die Atmosphäre des Alleinseins und der Einsamkeit der jungen Frau, ohne das dem Betrachter das in diesem Moment bewußt ist. Doch wenige Augenblicke später, als Jin-a ihr Zimmer in dem Bordell bezieht, in dem sie ab sofort arbeiten wird, erkennt man an einem Foto und einem leeren Goldfisch-Glas, daß es sich um ihre Vorgängerin handelte, der sie kurz zuvor einen Moment begegnete. Eine Solidarität unter den Frauen existiert nicht einmal bei gleichem Stand und schon gar nicht zwischen Frauen unterschiedlicher Stellung in der Gesellschaft...

Die Rollenverteilung in diesem kleinen als Hotel getarnten Bordell ist klar. Die Mutter der Familie leitet das Unternehmen und ernährt ihre Familie schon seit 20 Jahren, in dem sie eine Prostituierte eine zeitlang dort wohnen und arbeiten läßt. Der Vater hat nur die Aufgabe des Aufpassers, der eingreift, wenn sich ein Freier nicht benimmt - darüber hinaus ist er sehr schweigsam. Der Sohn und die Tochter Hye-Mi (Hae-Eun Lee) werden im bürgerlichen Sinn erzogen und sollen möglichst wenig Berührungspunkte zu Mutters Geschäft haben.

Ähnlich verdeutlicht Ki-duk Kim auch die Regeln in der südkoreanischen Gesellschaft, die er sukzessiv in die Handlung einspinnt. Während Prostitution offiziell verboten ist, insgeheim aber polizeilich geduldet wird, gilt es immer noch als Anstandsregel, daß sich eine Frau sexuell für die Ehe aufhebt. Ki-duk Kim zeigt hier ein patriarchalisches Gesellschaftssystem, daß noch nach den jahrhundertealten Regeln funktioniert und in dem besonders die Frauen dafür sorgen, daß es erhalten bleibt, während es sich die Männer längst in ihren Freiräumen aus Prostitution und sexueller Übergriffigkeit gemütlich gemacht haben. Ein klassisches System, daß sich auch in Deutschland erst langsam nach dem 2.Weltkrieg auflöste und auch heute noch in weiten Teilen der Welt die Normalität darstellt.

So verachtet die gleichaltrige Hye-Min ihre Geschlechtsgenossin abgrundtief und gönnt ihr nichts, obwohl die einsame Jin-a die Nähe zu ihr sucht. Ebenso gibt auch die Mutter der jungen Prostituierten die Schuld, als sie erfährt, daß ihr minderjähriger Sohn mit ihr geschlafen hat, obwohl dieser sie dazu fast genötigt hatte. Genauso wie die Frauen in ihren Rollen verharren, brechen auch die Männer nicht aus ihren Verhaltensmustern aus. So vergewaltigt der Familienvater die junge Prostituierte ganz selbstverständlich und wir werden immer wieder Zeuge davon, daß selbst anständige Männer erst dann von ihrem sexuellen Begehren ablassen, wenn ihnen körperlich seitens der Frauen zugesetzt wird - selten habe ich einen Film gesehen, in dem so oft die Frauen den Männern eine Ohrfeige geben mußten. Unterstützt werden diese Geschehnisse von kühlen, meist in grau-blau getauchten Bildern und einer nahezu fehlenden Kommunikation, die dazu noch unfähig ist, Emotionen zu transportieren.

Die eigentliche Qualität des Films, die diesen gleichzeitig für den Betrachter so unbequem macht, liegt darin, daß Ki-duk Kim diese Verhaltensmuster nicht dazu nutzt, bestimmte Klischees oder plakative Verurteilungen zu bedienen und irgendwelche typischen Erwartungshaltungen zu erfüllen. Selbst die Männer, die hier nur Nebenrollen spielen, wirken keineswegs nur negativ. So hilft der Familienvater Jin-a mehrfach, der Sohn verteidigt sie vor seiner Mutter und der Freund der Tochter wirkt fast verzweifelt in seinem sexuellen Begehren und dem Wunsch, sich korrekt zu verhalten. Man spürt darin auch ihre Einsamkeit in der Unfähigkeit, zu Frauen einen echten Kontakt herzustellen.

Doch im Mittelpunkt stehen die beiden jungen Frauen Jin-a und Hye-Mi, an denen der Film "Birdcage Inn" den hier beginnenden Prozess verdeutlicht. Dabei stellt der Regisseur den Beruf als Prostituierte nicht in Frage, obwohl er ihn gleichzeitig in deprimierensten Bildern schildert und er auch keine Begründung dafür liefert, warum die schöne Jin-a, deren bürgerliche Vergangenheit kurz angedeutet wird und die künstlerisch sehr begabt ist, diesen überhaupt ergriffen hat. Auch sie selbst äußert sich nie negativ darüber oder über irgendwelche Freier, genauso wie sie ein ambivalentes Verhalten gegenüber ihrem brutalen Zuhälter hat, der sie im "Birdcage Inn" wieder findet.

Die Veränderung findet stattdessen in Hye-mi statt und das ist nur konsequent, denn sie löst damit die noch in ihr verankerten patriarchalischen Strukturen auf und beginnt zu begreifen, daß erst eine Solidarität zwischen den beiden Frauen zu der Stärke führt, die Veränderungen erst möglich macht. Ki-duk Kim gelingt damit das Kunststück, in seinem kühl inszenierten, genau beobachteten und konsequent demaskierenden Film ein Happy-End zu erreichen, daß wirklich Hoffnung macht, ohne eine Sekunde den Blick auf die Realitäten zu verklären oder diese in Wohlgefallen aufzulösen.

Fazit : "Birdcage Inn" zeigt den Beginn eines Prozesses, den Ki-duk Kim für unbedingt notwendig halten muß. Seine Schilderung einer seit Jahrzehnten bestehenden sozialen Struktur aus moralischer Verlogenheit und trennenden Verhaltensformen an Hand eines kleinen Bordells am Rande einer Großstadt, ist optisch wie erzählerisch von gnadenloser Kälte.

Er sieht die Hoffnung auf einen Prozess am stärksten in einem möglichen Umdenken bei den jungen Frauen, die sich von den moralischen Leitbildern ihrer Gesellschaft verabschieden müßten, wodurch einen der Film, trotz seiner sonstigen Düsternis, mit einem postiven Gefühl zurückläßt.

Großartiger, gestalterisch konsequenter und jederzeit abwechslungsreicher Film, der sich jeder Anbiederung verweigert und auch für uns Europäer ein Thema nah bringt, daß bei uns keineswegs als abgeschlossen gelten kann (9/10).

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