iHaveCNit: Joker (2019)
10.10.2019
Kommen wir nun zu der für mich vielleicht schwierigsten Review in diesem Jahr, denn nachdem ich gestern Abend Todd Philipps „Joker“ gesehen habe, brauchte ich ein bisschen Zeit über das Gesehene nachzudenken und durchaus den ein oder anderen Gedanken zu reflektieren. Denn „Joker“ ist aktuell einer meiner Filme des Jahres, wenn nicht sogar der Film meines Jahres 2019 geworden.
Arthur Fleck hat es in seinem Leben nicht gut getroffen. Während in Gotham die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft, ist Arthur Fleck ganz unten angekommen. Als Leihclown verdient er sich ein wenig Geld und zuhause pflegt er vollkommen von der Außenwelt isoliert seine kranke Mutter, während er selbst mit einer psychischen Störung zu kämpfen hat. Der freudlose Arthur, für den jedes Lachen eine regelrechte Tortur darstellt träumt jedoch davon, endlich als Komiker wahrgenommen zu werden. Bis ihn eine Kette von Ereignissen so an die Wand drängt, dass er nichts mehr zu verlieren hat.
„Joker“ ist eine der ikonischen Figuren, selbst wenn wir uns außerhalb des DC-Universums bewegen. Und filmisch haben wir bisher einige interessante Ansätze geboten. Allen voran den Ansatz eines Jack Napier, in Form von Jack Nicholson, dessen Overacting mir jetzt nicht so zugesagt hat ; dann die über alles stehende Performance eines namenlosen Joker vom leider viel zu früh verstorbenen und zurecht posthum mit dem Oscar gewürdigten Heath Ledger bishin zum zuletzt zum psychotischen Bling-Bling-Tattoo-Gangster verkommenen Jared Leto. Da fragt man sich natürlich auch, ob es überhaupt einen Film braucht, um die Hintergründe eines „Joker“ darzustellen. Das kommt natürlich immer darauf an. Die beste Erfahrung für eine Tragödie ist die Komödie, so dass der eigentlich für Komödien wie die „Hangover“-Trilogie und „Stichtag“ bekannte Regisseur Todd Philipps hierfür eine richtig gute Wahl gewesen ist. Und gerade in einer filmischen Zeit, in der sich Regisseure gerne bei Vorbildern bedienen um auch Liebeserklärungen an die Filme der Regisseure zu liefern, finde ich es auch gar nicht problematisch, dass sich Todd Philipps hier an den Filmen „The King of Comedy“ und „Taxi Driver“ von Martin Scorsese bedient, denn sowohl die Charakterstudien, als auch die Gesellschaftsstudien beider Filme wie auch jetzt von „Joker“ sind absolut zeitlos, selbst wenn wir uns in einer sehr 80er-Jahre-lastigen Welt wiederfinden – und da passt mit Robert DeNiro auch die Besetzung einer Nebenfigur perfekt. Der Film zeigt uns auf eindringliche Art und Weise, wie wir als ignorante und unempathische Gesellschaft Außenseiter wie Arthur Fleck noch weiter an den Rand drängen, so dass diese nur noch nach einem Ventil greifen, die dadurch entstandene Wut regelrecht ausbrechen zu lassen – um die Welt brennen zu sehen. Das ist vor allem depressiv und nihilistisch und der Film lässt das alles auf einem sehr bodenständigen Niveau ablaufen, so dass die Gewaltspitzen des Films richtig reinhauen. Die audiovisuelle Gestaltung des Films ist richtig stark von der Kameraarbeit, den Kostümen, dem Make-Up und auch der wundervollen Musik der Cellistin und Filmmusikkomponistin Hildur Gudnadottir, die mit ihrer Musik die Streicherklänge eines Hans Zimmer-Scores von „The Dark Knight“ aufgreift und mit bombastischen sphärischen Klängen eines Johann Johannsson ergänzt, so dass die Musik den Film teilweise mit Musik und Bildern in den Rausch eines Fiebertraums verfrachtet. Den Rausch eines harten, depressiven und nihilistischen Fiebertraums habe ich im letzten Jahr bereits auch mit „You Were Never Really Here“ bzw. „A Beautiful Day“ von Lynne Ramsay erlebt. Was das mit „Joker“ zu tun hat ? Ganz klar einen der besten und wandlungsfähigsten Schauspieler unserer Zeit – Joaquin Phoenix, der mit jeder Pore seines Körpers und mit jeder Facette seines Schauspiels den wohl interessantesten Filmcharakter auf so unglaubliche Art und Weise darstellt und alleine mit seiner Performance den Zuschauer emotional herausfordert, denn bei dem gezwungenen, schmerzhaften Lachen, das einen regelrecht anstecken kann kann es im selben Moment passieren, dass es einem auch ob der ganzen Härte und Tragik im Hals stecken bleibt. Ich habe nur die Befürchtung, dass die Rolle und der Film allgemein zu hart und zu traurig ist, so dass all der Hype für die kommende Award-Saison sowohl für Joaquin Phoenix als auch den Film nur ein Hype ohne Ergebnis bleibt. Und es kann auch extrem sein, wenn man durch diesen Film als Gesellschaft einen unbequemen Spiegel vorgehalten bekommt, der eine wichtige Botschaft für uns bereits hält – dass wir uns als Gesellschaft auch um die Personen kümmern sollten, die vollkommen unsichtbar an den Rand gedrängt worden sind und sonst nur noch Ablehnung widerfahren, denen das Leben immer und immer wieder unnötig erschwert wird.
Denn die teils ignorante und absolut unempathische Behandlung von Personen wie Arthur Fleck ist nicht in Ordnung – genau wie es natürlich auch nicht in Ordnung ist, wenn Leute wie Arthur Fleck am Ende einen Zustand der kompletten Anarchie und Gewalt herbeiführen. Da bewegt sich dieser Fiebertraum eines Psychogramms auf jeden Fall in vielen Graustufen und lässt den Zuschauer selbst urteilen. Der eigenständige Film schafft es auch auf sehr bodenständige und treffende Art und Weise die Filmwelt, in der er spielt zu integrieren und durchaus auch beim ein oder anderen Element den Zuschauer aufs Glatteis zu führen, so dass man sich am Ende wirklich fragt und emotional herausfordert – ob man nun in einem Fiebertraum ist oder die harte Realität einen eingeholt hat.
„Joker“ - My First Look – 10/10 Punkte