Review
von Con Trai
Bestandteil einer kleinen, im Vergleich zu den Jahren zuvor aber wieder angewachsenen Reihe an Horrorfilmen aus der Sonderverwaltungszone Hongkong, an der vor allem 2013 teilweise auch wieder die größeren Produktionsfirmen und talentierteren Leute beteiligt waren, was Anregung und Ansporn für Nachzügler aus den zweiten Reihen und der Semiprominenz nach sich zog. Motiviert zusätzlich durch finanziellere Versprechungen an der lokalen Kinokasse und einem mittlerweile etwas freizügiger und offener gewordenen Chinesischen Markt, bei der nunmehr auch Werke wie Mysterious Island (2011) und speziell The House That Never Dies (2014) + Fortsetzung und Phantom of the Theatre (2016) bei der jüngeren, heranwachsenden Klientel überaus erfolgreich liefen, wurden die seit ehedem bekannten Formeln und folkloristischen Mythen reaktiviert. Ein Wiederaufbau auf längst bestehendem Fundament, was tatsächliche Entdeckungen weniger fördert, aber als Gruß aus der Unter- und Zwischenwelt willkommen ist und zahlreiche Referenzen an das eigene Brauchtum der Filmhistorie bereithält:
Als Inspector Gu [ Eddie Cheung ] zu einem Selbstmord nach Tuen Mun, zum als Anziehungspunkt für Suizide berüchtigten Yau Oi Estate gerufen wird, ahnt er noch nicht, was diese Nacht und die folgenden Ereignisse alles für ihn bereithalten wird. Zusammen mit seinem eher inoffiziell zugeteilten Partner Bee Chen [ BabyJohn Choi ] jagt Gu vergebens einer mysteriösen Erscheinung durch den Wohnblock hinterher, und von einer Leiche nach dem gemeldeten Sprung vom 10. Stock ist auch nichts zu finden. Zuguterletzt wird das neue Team auch an einen weiteren Tatort ganz in der Nähe gerufen, zum Ting Kau Village, west Tsuen Wan District, New Territories, in dem eine nächtliche paranormale Expedition unter Beteiligung der lokalen Berühmtheit Edmond Poon [ spielt sich selber ] horrend schiefging, und von der diese Expedition in Gang setzende Schulmädchengang bestehend aus Kitty Cheung [ Yanny Chan ], Carol Ko [ Jessica Choi ], Wendy Wong [ Aka Zhao ] und Amy Luk [ Kabby Hui ] längst nicht mehr alle überbleiben, während ihr Lehrer Kin Pong [ Lawrence Chou ] und das eingeschaltete Medium 3rd Sister [ Siu Yam-yam ] relativ hilflos daneben stehen, nicht helfen können oder auch nicht helfen wollen.
Die Suche bis zur Jagd nach dem Übersinnlichen, bei der weniger nach Erklärungen geforscht wird als vielmehr dem bestehenden Glauben daran weiter Nahrung zugeführt und der Zuschauer auf eine ihn wohlig fröstelnde Reise mitgenommen und sachkundig geführt wird, ist seit langem nicht nur in der westlichen Welt, sondern vor allem auch in HK, der Stadt mit all den überlieferten Sitten und Bräuchen Aufmerksamkeit und damit auch bares Geldes wert. Wo es woanders die Celebrity Ghost Stories, die Ghost Adventures oder die Paranormal Witness gibt, existiert in HK mit Edmond Poon eine mittlerweile zur Berühmtheit gewordene Person, die im Grunde all dies als bekanntestes Aushängeschild voran und über all Medien an das wartende Publikum heranführt. Poon hat als Radio Talk Show Gast begonnen und wurde dann schnell Gastgeber, der anschließend mit Büchern, Spielen und den Verkäufen von VCD und DVD wie Ghost Hotline (2001), Ghost Hotline 2 (2001), besonders Horror Hotline...Big Headed Monster (2001) und so als King of Ghosts auf allen Kanälen und allen Frequenzen aktiv war. Auf dem Zuge des Ruhmes sprangen auch andere Teilnehmer wie bspw. The Unbelievable (2009) und dies ebenfalls im Kino veröffentlicht auf, was Poon anschließend mit The Cases (2012) und Case II (2016) erneut gleichzog und bei den (sowieso weniger freundlich gestimmten) Kritikern (zumindest) auch noch positiver Anklang fand.
Poon ist hier gleichzeitig als Celebrity und als Darsteller dabei, spielt sich quasi selber, was dem Film bereits von Beginn an mit zwei noch zusätzlich erwähnten Faktoren ein unangenehmes Gefühl des Mischens von Dokumentation und Fiktion sowie Realität und Skript beigibt. Die beiden hier erwähnten Vorfälle, der sogenannte 'Ting Kau Bridge Accident' mit 23 Toten und auch die verheerende Zunahme von Selbstmorden sind echt und die Erklärungsversuche vor allem beim letzteren mithilfe von daoistischen Zeremonien auch, was dem Unwissenden hier als großes Abrakadabra und Hokuspokus vorkommen mag, seine Wirkung dem Wissenden aus den Verbindungen mit der tragischen Wirklichkeit aber durchaus bezieht. Zudem inszeniert die Regiedebütantin Maggie To, seit 1995 bisher als Production Manager tätig, hier gerade die ersten Szenen auch in Form einer 'Live-Aufnahme' als längerer Plansequenz und mit eben Poon als Koryphäe auf dem Gebiet als Moderatoren anwesend, was ebenso seinen Effekt nicht verfehlt.
Interessanterweise ist dabei das Skript zwar heillos durcheinander, springt alsbald zurück und wieder voran, und macht bisher gesehenes dann in einer großen Rückblende auch wieder rückgängig bzw. variiert es mit neuem Wissen, erreicht dadurch aber eine Form einer unfreiwilligen Komplexität, die den Horror und seine Versuche darin zudem mit einem routinierten Cop - Thriller der Marke 08/15, mit Befragungen, Verfolgungsjagden und Erkundungen an ehemaligen und jetzigen Tatorten verwickelt und so in ein großes Puzzleallerlei mit Parallelgeschichten hier und da einhergeht. Unterstützt durch ein wissendes Drehteam, allen voran Kameramann Cheng Siu-keung sieht das Gebotene mit seinen verwunschenen Plätzen, den düsteren Wohnanlagen, den verwinkelten und der Natur und dem Verfall überlassenen Behausungen unterschiedlicher Art gar statthaft gut, mit viel Vorliebe für Grünstichigkeit und etwas Einsatz der Lichtmaschine vergleichsweise edel aus und wird durch die anwesenden Schauspieler, namentlich die Darsteller des Polizistenduos auch in aller bodenständigen Solidität ergänzt. Beweis und Wissenschaft, gegenüber den Ritualen des chinesischen Mondkalenders und seiner ewig währenden Spiritualität (der Siebente Monat ist der Geistermonat, in dem u.a. auch das Hungry Ghost Ritual, 2014 fällt), angereichert mit Sensationsjournalismus, Schulmädchenverführung und anderen fatalen Affären, plus dem gewohnten Zuschlagen von Fenstern und Türen sowie dem Ausgehen von Licht im ungünstigsten Moment.