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Schon bei der „Stirb langsam“-Reihe war es so, dass den Machern bewusst war, dass man das gleiche Rezept nicht andauernd verwenden kann. Beim „Stirb langsam“-Rip-Off „Olympus Has Fallen“ und dessen Sequels sieht es ähnlich aus: Wie „Stirb langsam 2“ erweiterte „London Has Fallen“ den Aktionsradius des Helden und das belagerte Gebiet, während Teil 3 noch mehr mit der Tradition bricht. Wie in „Taken 3“ wird der Held in „Angel Has Fallen“ zum von allen Gejagten.
Dementsprechend beginnt der Film mit Secret-Service-Agent Mike Banning (Gerard Butler) in einer Einer-gegen-alle-Situation, in der er sich souverän behauptet, ehe er dann doch abgeschossen wird – aber das Ganze ist natürlich nur eine Übung, in klassischer Actiontradition, was dem erfahrenen Genrefan schon bewusst wird, ehe der Film die Situation auflöst. Banning leidet aber unter den physischen und psychischen Folgen seiner früheren Abenteuer, weshalb man ihn als Nachfolger von Secret-Service-Boss David Gentry (Lance Reddick) erkoren hat, unter President Allan Trumbull (Morgan Freeman). Der frühere Speaker und Vizepräsident ist nun also der Chef, wohl auch, weil Aaron Eckhart eine erneute Rolle als Präsi wohl ablehnte, ähnlich wie Radha Mitchell, deren Rolle als Mikes Frau Leah nicht gestrichen, aber mit Piper Perabo umbesetzt wurde.
Während sich Mike trotz aller Zipperlein nicht sicher ist, ob er wirklich einen Schreibtischjob will, obwohl seine Frau dies sehr befürwortet, geschieht ein Drohnenanschlag auf den Präsidenten und sein Sicherheitsteam. Bis auf Mike sterben alle Secret-Service-Agenten, während er Trumbulls Leben nur mit knapper Not retten kann. Kaum im Krankenhaus erwacht muss Mike aber feststellen, dass er als Drahtzieher verdächtigt wird. Hier muss man schon sehr viel suspension of disbelief zulassen, denn auch wenn der Film haarklein aufzeigt, welche Hinweise den Verdacht so sehr auf Mike lenken, so bringt wirklich keine Figur das Argument, dass es kaum glaubwürdig ist, dass derjenige, der dem (früheren) Präsidenten schon mehrfach unter Einsatz seines Lebens die Haut rettete, nun auf einmal das genaue Gegenteil wollen soll.

Während Trumbull im Koma liegt, lässt FBI-Agentin Helen Thompson (Jada Pinkett Smith) Mike verhaften und überstellen. Doch der Konvoi wird von den Verschwörern attackiert, die Mike verschwinden lassen wollen. Aber mit dessen Fähigkeiten haben sie nicht gerechnet: Er überwältigt seine Entführer, flieht und sucht nach den wahren Drahtziehern…
Besagte Drahtzieher sind aber nicht so schwer zu finden und für den halbwegs genreerfahrenen Zuschauer noch leichter auszumachen. Nach dem Auftakt und der ersten Lagebesprechung im Weißen Haus kann man sich einen der Hauptschuldigen schnell denken (den der Film immerhin dankbarerweise schnell als solchen enthüllt), da es die Person ist, die es in so einer Situation in Actionfilmen immer ist. Der zweite Hauptverschwörer ist dann die andere Person, die es in so einer Situation in Actionfilmen immer ist, wobei das Type-Casting der besagten Rollen dem Film auch keinen Gefallen tut. Allerdings ist das Script, an dem neben Regisseur Ric Roman Waugh noch Robert Mark Kamen und Matt Cook mitschrieben, eh eine derartige Ansammlung von Klischees und Stereotypen, dass man nach dem Handlungsverlauf von „Angel Has Fallen“ beinahe die Uhr stellen kann. Noch dazu nicht immer kohärent: Die erst als Verfolgerin und kompetente Beobachterin aufgebaute Thompson verabschiedet sich irgendwann sang- und klanglos aus dem Film, Mikes gesundheitliche Probleme, auf denen anfangs groß rumgeritten wird, spielen in der zweiten Hälfte so gut wie gar keine Rolle mehr. Vielleicht mag dieser Aspekt auch der Idee des alternden Actionhelden geschuldet sein, die vor allem Clint Eastwood, Sylvester Stallone und Jean-Claude van Damme ihren Filmen und Rollen zusehends zukommen ließen, aber es wirkt als Plotfunktion wie ein sinnloses Gimmick, ähnlich wie die Gehirnplaque des Helden in „The Gunman“, die auch nach Belieben des Drehbuchs kam und ging.
Der ehemalige Stuntman und -Koordinator Ric Roman Waugh, der sein Regiedebüt mit dem grottigen „Exit“ gab und sich danach von Film zu Film verbesserte, ist inszenatorisch zum Glück deutlich begabter als schreiberisch, auch wenn „Angel Has Fallen“ ein qualitativer Rückschritt im Vergleich zu „Snitch“ und „Shot Caller“ ist. Gerade die Action, die er mit Hilfe des genreerfahrenen Second-Unit-Regisseurs Vic Armstrong in Szene setzte, ist meist gelungen inszeniert. Im Vergleich zu den Vorgängern ist das Ganze etwas bodenständiger und weniger exzessiv, Mike schaltet kleinere Gegnermengen aus und hat öfter Hilfe, aber die Schießereien, Nahkämpfe und Verfolgungsjagden können sich meist sehen lassen. „Angel Has Fallen“ ist weniger rabiat und ruppig als Antoine Fuquas Erstling, setzt mehr auf taktisches Vorgehen des Helden als auf Kopfschussorgien, hat aber einige schöne Set-Pieces: Gerade der Auftakt überzeugt mit dynamischer Kameraführung. Weniger schön dagegen ist ein komplett verschnittener Kampf in einem Auto, ebenso wie eine Gebäudeexplosion gegen Ende, die unter dem typischen Problem (nicht nur, aber vor allem) der Produktionsfirma Millennium Films leidet: Man nimmt sich große Schauwerte vor, ist aber nicht bereit die CGI-Tricks adäquat zu bezahlen. Dementsprechend künstlich und hässlich sieht dieser Effekt aus, ähnlich wie die animierten Helikopter. Sonstige Explosionen sind mal ähnlich schlecht, mal besser animiert und auch mal handgemacht. Wenn es dann rummst, dann werden die Stuntleute ordentlich durch die Gegend geschleudert, womit Waugh und Armstrong beweisen, dass sie dieses Metier verstehen.

Ansonsten trägt die handelsübliche Story vom erkorenen Bauernopfer, das zurückschlägt, was man aus Werken von „Auf der Flucht“ über „Art of War“ bis hin zu „Shooter“ kennt, den Film nur mäßig gut über die Länge von zwei Stunden, bei der man gut hätte sparen können. So sind fast alle Subplots eher Ballast als Bereicherung: Mikes Frau und Kind sind hier noch nutzlosere Zuschauer als in den Vorgängern, die Bezüge auf aktuelle Themen wie die Prepper-Szene oder russische Wahlmanipulation sind wenig durchdacht eingeworfen und haben kaum etwas zu sagen – egal ob politisch links oder rechts, aus der Geschichte des schwarzen Präsidenten, der sich gegen Falken in der eigenen Administration durchsetzen muss und auch mal schlechte Presse trotz bester Absichten ertragen muss, hier kann sich jeder die Versatzstücke nach Belieben herauspicken. Und dann ist da noch ein Ansatz von Familiendrama, wenn Mike auf der Flucht seinen Veteranenpapi Clay (Nick Nolte) aufsucht, der die Familie dereinst verließ, sich dann aber trotz gewisser Schrulligkeit als tapferer Helfer erweist.
Nick Nolte, weiterhin sichtlich gezeichnet vom Alter und vom Alkoholmissbrauch, absolviert hier routiniert seine derzeitige Paraderolle als verwahrloster alter Mann, spricht aber erfreulicherweise wieder deutlicher als „Gangster Squad“ und „Run All Night“. Ebenfalls nach Schema F gibt Morgan Freeman seine Paraderolle als weiser Anführer, auch wenn sein Präsident komabedingt über weite Strecken mal nicht den Mentor und Erklärbären geben kann. Dritte Person, die voll in ihrem Element ist und das mit wesentlich mehr Elan als Nolte und Freeman, ist Gerard Butler: Als kerniger Actionheld hält er den Film zusammen, bringt aber auch das Altern und die inneren Widersprüche Mikes gut auf die Leinwand. Jada Pinkett Smith und Piper Perabo bleiben kaum geforderte Randerscheinungen, während ein paar Akzente noch von Lance Reddick als Secret-Service-Chef, Tim Blake Nelson als Vizepräsident und vor allem Danny Huston als altem Weggefährten Mikes kommen.

„Angel Has Fallen“ sortiert sich oberhalb von Babak Najafis suboptimalem Sequel, aber hinter Fuquas Erstling ein: Es ist ein reichlich durchschnittlicher Gebrauchsactionfilm, merklich besser inszeniert als geschrieben, wenngleich mit den üblichen Millennium-Films-Problemen im Bereich günstig produzierter CGI-Tricks. Der handgemachte Actionanteil dagegen ist ganz flott ohne Preise zu gewinnen, ist aber eingebettet in eine überraschungsarme 08/15-Story.

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