Review
von Leimbacher-Mario
Darf ich vorstellen: das Horrorgenre!
„Scary Stories To Tell In The Dark“ abzuwerten, weil man ja „Härteres gewohnt ist“ oder weil er „einem zu soft und kindlich erscheint“, ist absolut kein Zeichen von „ich bin ja der allergeilste und abgebrühteste Horrorgucker“. Sondern eher einfach unfair und unnötig. Denn diese Halloween-Semi-Anthologie ist für mich viel mehr der „Creepshow“ des neuen Jahrtausends als einfach nur „Goosebumps“ für etwas ältere Kids. Ich finde, André Øvredal hat hier einen richtig spaßigen, oldschooligen, lässigen Horror-Allrounder geschaffen, irgendwo zwischen „It“ und „Trick 'r Treat“, der sicher die kommenden Jahre öfters mal an Halloween in meinem heimischen Player landen wird. Erst recht wenn Kinder im Haus sind! Das Ding ist retro ohne Eigenständigkeit zu verlieren. Das Ding ist richtig creepy und hat tatsächlich/erfreulich Fallhöhe und echte Einsätze. Das Ding bringt den naiven Fun zurück in ein doch manchmal sehr ernst und bieder gewordenes Genre. Und das Ding ist obendrein noch respektvoll und würdig zu, sehr nah an seinen ikonischen, literarischen Vorlagen. All das gebührt ein wenig mehr Respekt als nur ein müdes: „Das ist was für die U17er.“
Wir folgen vier Jugendlichen am Halloweenabend in ein altes Spukhaus, wo sie ein Buch voller gruseliger Geschichten finden. Und schnell müssen die Kids feststellen, dass sich gerade neue Geschichten wie von Geisterhand schreiben und diese zudem noch wahr werden, jeder einzelne von ihnen in tödlicher Gefahr ist... Die Vibes vibrieren hier für meinen Geschmack vom edlen Intro auf „Season of the Witch“ einfach genau an den richtigen Stellen. Es gibt Radiodurchsagen wie in „The Fog“, eine herbstlich-wohlige Halloween-Atmo, der Bund der Teens ist spürbar, alle jungen Darsteller machen ihre Sache fehlerfrei - ich hatte meine helle Freude an diesen Scary Stories, die ihrem Namen Ehre machen. Auch für Erwachsene, keine Sorge. Die Designs der (oft handgemachten) Kreaturen sind Extraklasse, eine dicke Gestalt auf rotem Hintergrund als großes Highlight. Aber auch der Jangly Man samt seiner unter die Haut gehenden Backstory und Verbindung zu seinem Opfer, hatte was. Genauso wie die stapfende Vogelscheuche in einer nahezu meisterhaft komponierten Sequenz. Man spürt einfach das Talent, das Fansein, die Leidenschaft bei allen Beteiligten. Und auch das sicher nicht allzu kleine Budget. Es ist ein verdammt effektiv und positiv naiv gemachtes Best Of des Genres. Und das muss man erstmal derart überzeugenden, kurzweilig hinbekommen und das Generieren von neuen Horrorheads wird so ein Leichtes, kann kaum hoch genug gelobt werden. Denn was wären wir ohne Nachwuchs?! Also keine Angst vorm Pickelausdrücken, passt auf den Zeh in eurem Eintopf auf und denkt zweimal nach, bevor ihr ein verwunschenes Buch aufschlagt...
Fazit: ja klar, Mainstream, Blutarmut, Jugendlichkeit, Weichheit, stimmt schon. Und dennoch ist dieser geschmackvolle Teen-Grusler für mich ein moderner (kommender) Halloween-Klassiker. Warum? Weil Härte nichts über einen guten Horrorfilm sagt, weil auch die Jüngeren Filme für sie brauchen, weil das Ding wunderbarer, perfekter Einsteiger-Horror ist und richtig Bock auf unser liebstes Genre macht, weil die Vibes von Carpenter bis Del Toro stimmen, weil das Creature Design grandios ist, weil der Film für mich mehr als nur „Goosebumps“ +4 Jahre ist. Punkt. Nein, Ausrufezeichen.