Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges kehrten überall auf der Welt Hunderttausende von Soldaten zurück in ihre Heimat. Sie hatten erbittert um ihr Leben gekämpft, unsägliches Grauen erlebt, und dürften nun in den meisten Fällen, wie man heute sagen würde, einen Schuss gehabt haben. Zurück zu Hause wurden sie nicht nur vollkommen unvorbereitet in einen Alltag geworfen, mit dem sie nichts mehr anfangen konnten, sondern sie standen zudem auch noch vor völlig veränderten Bedingungen: Ihre Frauen, die sie als hübsche Heimchen für den Herd und die Kindererziehung zurückgelassen hatten, waren durch die lange Abwesenheit der Männer nun selbständig und vor allem selbstbewusst geworden. Die Frauen wussten mittlerweile was sie wert waren, und waren auch nicht in allen Fällen gewillt, sich diese neue Freiheit wieder nehmen zu lassen, vor allem nicht von Männern, die in den vergangenen Jahren verinnerlicht hatten, dass Gewalt sehr wohl ein Mittel zur Lösung von Problemen sein kann. (Der völlig unterschätzte DAS WUNDER VON BERN schildert diese Situation im Nachkriegsdeutschland sehr überzeugend, dies aber nur nebenbei …)
In dieser Situation setzt THE GUILT OF JANET AMES an. Janets Mann hat sich im Krieg auf eine detonierende Handgranate geworfen, um seinen Kameraden das Leben zu retten. Janet möchte zwei Jahre nach Kriegsende wissen, wer diese anderen Männer waren, und ob sie den Verlust ihres einzig wahren und geliebten Mannes denn überhaupt wert waren. Doch auf dem Weg zum ersten dieser Männer wird sie von einem Auto angefahren und landet im Krankenhaus, wo der Journalist und Säufer Smitty sich um sie kümmert. Denn Smitty hat eine Liste mit den Namen dieser Männer bei Janet gefunden, und der letzte Name auf dieser Liste ist sein eigener. Er möchte dieses Geheimnis gerne lösen, und auch die psychische Blockade Janets, die sich seit dem Unfall einbildet nicht mehr laufen zu können, aufheben. Gemeinsam reisen sie in Gedanken zu den andern Männern der Einheit, damit Janet erfahren kann, wer diese Männer sind, und dass sie den Tod ihres Mannes sehr wohl wert waren. Im Laufe dieser Reise erfährt Janet eine Menge über sich selbst, und sie erkennt ihre eigenen Fehler und Versäumnisse, doch die Wahrheit hinter den Männern ist eine ganz andere, denn auf dieser Reise sieht sie die Wahrheit aus der Sicht von Smitty. Der ja wie gesagt selber auf der Liste steht …
Ähnlich wie beim Western muss sich nicht hinter jeder Verpackung, auf der das Wort Noir prangt, ein Krimi verbergen. Und gerade der Noir-Film war immer ganz groß darin, aktuelle politische oder psychologische Themen aufzugreifen und in spannende Inhalte zu verpacken. THE GUILT OF JANET AMES ist trotz seiner klar erkennbaren Noir-Elemente weder ein Krimi noch ein Thriller, sondern vielmehr ein psychologisches Drama um zwei Menschen, denen der Krieg ein bitteres und tiefes Trauma eingepflanzt hat. Ein Drama um eine Sinnsuche in einer Zeit die sich gewandelt hat, und in der nicht jeder mit diesen Veränderungen zurecht kommt. Smitty zum Beispiel war früher ein großartiger Journalist, ein rasender Reporter, der weder Teufel noch Chefredakteur fürchtete wenn es um eine gute Story ging. Doch plötzlich begann er zu saufen, und jetzt ist er Stammgast in einer billigen Kneipe und belügt seine Umwelt und sich selbst. Warum? Niemand weiß es. Der Film wird die Wahrheit aufdecken, aber es ist keine schöne Wahrheit, und ich kann mir ohne weiteres vorstellen, dass sehr viele Männer im Publikum des Jahres 1947 sich mit Smitty gut identifizieren konnten, weil sie die gleichen Gespenster mit sich herumschleppten.
Auf der anderen Seite Janet Ames. Die Frau, die wissen will warum ihr Mann starb. Warum er sich für fünf andere Männer opferte, und ob diese fünf anderen Männer seinen Tod, und damit ein gutes Stück auch ihren eigenen Tod, wert waren. Janet Ames, was man übrigens auch wie Janet aims, übersetzt Janets Ziele, interpretieren könnte, Janet Ames also wird im Lauf dieser gedanklichen Reise erkennen, dass sie ihren Mann eingesperrt hatte, und dass Krieg und Tod für ihn möglicherweise eine Erlösung von einem Leben waren, das er so nie erträumt hatte. Janet wollte kein Haus, ihr Mann schon. Janet wollte kein Kind, ihr Mann schon. Ihr Mann wollte sich beruflich verändern, etwas ausprobieren, sie ließ ihn aber nicht. Was passiert also nun, wenn so ein Mann vor der Entscheidung steht, sich selbst zu opfern, um das Leben von fünf Kameraden zu retten? Eine Entscheidung, für die er nur wenige Sekunden Zeit hat …
Janets Ziele waren grundlegend anders als die ihres Angetrauten, und Janet erkennt im Laufe ihrer Reise sehr deutlich, dass es ihre eigenen Ziele waren, die das Leben ihres Mannes und vor allem seinen Tod wesentlich beeinflussten. Die also letzten Endes schuld waren daran, wie sich ihr eigenes Leben verwandelt hat. Die Schuld von Janets Zielen …
In ruhigen und mit Schatten getränkten Bildern sind zwei großartige Schauspieler zu sehen, die mit großer Selbstverständlichkeit in die Rollen einer kranken Frau und eines kranken Mannes schlüpfen. Die zusammen auf eine Reise durch den Geist gehen, um die Wahrheiten und die Defizite ebendieses Geistes aufzudecken. Um herauszubekommen, ob es eine objektive Wahrheit geben könnte, oder ob Wahrheit nicht vielleicht doch immer subjektiv ist.
THE GUILT OF JANET AMES mag kein Highlight der schwarzen Serie Hollywoods sein, aber er ist ein spannender und filmisch faszinierender Schauspielerfilm zum Rundumwohlfühlen. Große Empfehlung für alle die gute Geschichten mit erstklassigen Bildern mögen!