Industrial Light & Magic
Nachdem Coppola mich (und viele andere) dieses Jahr mit „Megalopolis“ so dermaßen vor den Kopf gestoßen und enttäuscht hat, musste ich unbedingt nochmal in Richtung seiner Hochphase gehen, um sein ehemaliges Genie nicht komplett in meiner Stimmung verschütt zu sehen. Und da bot sich „One From The Heart“ von 1981 an, den ich bisher noch nie ganz gesehen hatte und der ähnlich künstlich ausschaut bzw. aufgebaut ist wie „Megalopolis“ - und sich doch von seiner Wirkung und Seele nahezu gegensätzlich zu diesem aktuellen Reinfall verhält. „One From The Heart“ ist großartig. Erst recht in der neuen, augenöffnenden und leuchtenden Restauration. Scharf und schön. Zu seinem Release wurde „Einer mit Herz“ verspottet und verkannt - nun ist er einfach ein reinstes Stilfeuerwerk mit Leidenschaft und Feuer. Erzählt wird hier (komplett im Studio mit aufwändigen Bauten und grandioser Beleuchtung gedreht!) von einem kriselnden Pärchen kurz vor dem Unabhängigkeitstag in Las Vegas, das sich mal wieder in die Haare kriegt wonach sich beide alleine auf in eine aufregende Nacht machen, neue, romantische Bekanntschaften machen und am Ende vor einem Scherbenhaufen oder einem Neuanfang stehen…
Full House… and Blouse!
Coppolas Hommage an die glorreiche Zeit der Hollywoodmusicals war kein Erfolg als er erschien. Weder bei Kritikern noch zahlenden Zuschauern. Vielleicht war er zu retro, zu melancholisch, zu abstrahlend schön oder speziell. Doch aus heutiger Sicht ist das sexy, ist das verspielt, ist das mehr als gelungen. Sehr moody, sehr atmosphärisch, sehr positiv kitschig. Er hat seine Renaissance und Wiederentdeckung definitiv verdient. Die Übergänge, Bildkompositionen und Schnitte sind meisterhaft. Die Farben knallen von der Leinwand. Die Lieder sind cheesy und emotional. Alles hat mehr als nur einen comichaften Touch. Definitiv wurden auch heutige Schwergewichte wie „La La Land“, „Moulin Rouge“ oder „Birdman“ davon inspiriert. Las Vegas sah noch nie dermaßen heiß und leuchtend aus. Film Noir'ische Elemente treffen ein kolossales Käsefest, Augenzwinkern trifft auf Studioluxus, Neonreklamen beleuchten liebeskranke Gesichter, gebrochene Herzen vor künstlichem Sonnenuntergang, Tangos in trügerischen Bars. Und trotz aller Verbindungen in die Vergangenheit sowie seine Zukunft habe ich ehrlich gesagt sowas wie „One From The Heart“ noch nie gesehen. Er ist sein ganz eigenes Ding, er lebt in seiner ganz eigenen Studiowelt, einem glitzernden Traumhorizont. Eine Tour-de-Force des Lichts. Alles flowt ohne Ablass. Sympathieträger wie Raul Julia oder Harry Dean Stanton obendrauf. Das ist sinnlich, das ist symphonisch, das ist alles andere als realistisch oder sachlich. Oft wie eine echte Bühnenshow. Ein Travestieprojekt. Ein lustvolles Laster. Ein gieriges Gedicht. Der künstliche Strip brummt. Lange Takes. Schöne Rücken, die entzücken. Eine satirische Schmalzschönheit, die wie gesagt ihren zweiten Frühling sowas von verdient hat und moderner denn je wirkt. Eine Wiedergeburt, die ich „Megalopolis“ weder zutraue noch gönne. Man spürt einfach, dass es ein ganz anderer Regisseur, ein ganz anderer Mann, eine ganz andere Kreativität und Energie, ein ganz anderes Kaliber war, das anders als heute viel mehr richtige als falsche Entscheidungen traf…
Fazit: ein artifizielles und audiovisuell berauschendes Las Vegas-Studio-Musical mit mehr Herz, Sinn und Seele in jeder seiner fünf Minuten als „Megalopolis“ komplett. Vielleicht Coppolas unterschätzteste und stylischste (!) Schöpfung. Betörend. Verspielt. Romantisch. Audiovisuell filmischer Kaviar. I like it very much!