Regisseur und Kameramann Romano Scavolini, der in knapp 40 Minuten exklusiven Interviews der Camera Obscura Scheiblette von den künstlerischen Höhepunkten seiner Karriere schwärmt, in der er weder Un bianco vestito per Mariale’ – Spirits of Death noch den Video Nasty Nightmare, seinen berühmt-berüchtigsten Titel, für sein Schaffen repräsentativ hält, würde dieser Überzeugung selbst vielleicht nicht zustimmen. Aber so ist es mit Werken, die man zur Rezeption entlässt, seien es nun Auftragsarbeiten oder nicht. Manchmal kommt es nicht auf die Sicht des Künstlers an, sondern was der Betrachter daraus macht.
Un bianco vestito per Mariale’ – Spirits of Death beginnt mit einem Rückblick auf das traumatische Erlebnis seiner Protagonistin Mariale, als ihre Mutter und deren Liebhaber im satten Grün eines idyllischen Forstes hingerichtet werden und sich der Vater in Folge selbst erschießt. Romano Scavolini, der nach eigenen Aussagen aus finanzieller Bedrängnis an die Arbeit ging, sich eine gehörige Umarbeitung des Drehbuches jedoch nicht abschlagen ließ, baut auf diesem Ereignis einen Blick in den Habitus der erwachsenen Mariale (Ida Galli) auf, die zurückgezogen und von Medikamenten benebelt mit ihrem Mann und Vaterersatz Paolo (Luigi Pistilli) nebst kauzigem Diener (Gengher Gatti) residiert.
Die Anlagen für einen gothischen Horrorfilm sind unverkennbar, doch Un bianco vestito per Mariale’ – Spirits of Death erweist sich als sperrige Augenweide, deren saftige Soden nur mit Kennerblick zu stechen sind. Es scheint kein Zufall, daß einer der Höhepunkte musikalisch an Iron Butterflys “In-A-Gadda-Da-Vida” angelehnt ist. Ähnlich den lange vorbereiteten und zur Erruption anschwellenden Exzessen des zeitgenössischen Progressivrocks bereitet Romano Scavolini das Setting seines Un bianco vestito per Mariale’ – Spirits of Death mühsam vor. Merkwürdigkeiten wie durch ein aufgebrochenes Telefonschloß von der gefangenen Mariale herbeitelegraphierte Freunde, die nun als ungebetene Gäste den Frieden des verfallenen Schlosses stören und sich gegenseitig in Unruhe versetzen scheinen jeder Infragestellung gegenüber erhaben.
Der bunte Cast einschließlich einem in Un bianco vestito per Mariale’ – Spirits of Death blondiert und gegen seine üblichen Schurkenbilder besetzten Ivan Rassimov penetriert nun Räumlichkeiten, die mit Schatten der Vergangenheit und skurrilen Dekorationen ausgestattet sind. Scavolini legt im Interview nahe, daß ihm die Psychoanalyse wichtig war. Insofern ist davon auszugehen, daß der ausgespielte Mummenschanz der Besucher nicht nur deren wahre Gesichter in orgiastischen Ausschweifungen zum Vorschein bringt, sondern ihre Erkundungsgänge auch das Wesen von Mariale offenlegen.
Ob das dekadente Treiben und die plötzlich hervorbrechende Tötungswelle deshalb auch einem Style over Substance Prinzip unterliegen, welches den Gialli von Regisseuren wie Dario Argento vorgeworfen wird, sei deshalb dahingestellt. Fakt jedoch ist, daß Un bianco vestito per Mariale’ – Spirits of Death ein eher sensuell bestimmtes Erlebnis bietet, welches eine Bereicherung sein kann, so man sich nicht auf konventionelle Strukturen versteift. Der Film ist ein Angebot an den Zuschauer, diese Offerte anzunehmen und sich auf seinen Wogen hinfort treiben zu lassen.