Review

Ein Kotzbrocken von Mafioso lädt eine Freakshow ausgesuchter Geschäftsfreunde zur Ansicht eines Pornostreifens in seine privaten Lichtspielräumlichkeiten ein. Der Don lässt es sich nicht nehmen jede Szene des exquisiten, aus Schweden eingeflogenen Sexfilms mit Zoten zu kommentieren. Nur weis der Scherzkeks leider nicht, dass er seinen letzten Witz gerissen hat. Im Gebäude hat sich nämlich mittlerweile ein Mann eingefunden, gegen den jede bekannte Bösewichtgestalt, egal ob der Realität, der Literatur oder der Filmgeschichte entsprungen, wie Mutter Theresa rüberkommt. LANZETTA ist eingetroffen! Dieser Terminator aus Fleisch und Blut liquidiert mit seinem Granatenwerfer (!) im Handumdrehen alle Beteiligten des seriösen Herrenabends. Die gnadenlos aus den Vorführraum abgefeuerte Waffe verwandelt den Kinosaal in ein Inferno. Brennend verstümmelte Körper kokeln auf ihren Sitzen. Die von ihren Boss arrogant des Raumes verwiesenen Leibwächter eilen heran, nur um (plop plop!) in die Kugeln von LANZETTAS schallgedämpfter Automatik zu rennen. Es erklingt die herausragende Filmmusik des argentinischen Soundmaestros Luis Enriquez Bacalov (Den ja Herr Tarantino mit „Töte Bill“ einer breiten Masse vorstellte.), verzückt entgleitet der Fan italienischen Kultkinos ins Nirwana. Nach diesem furios genialen Filmbeginn nun zur Story. LANZETTA, der Held dieser Offenbarung von einem kommerziellen Spielfilm, ist von Beruf Mörder. Es muss in Italien einfach Ausbildungsplätze für diesen Job geben und LANZETTA ist Inhaber eines Meisterbriefes der neapolitanischen Industrie und Handelskammer. Dieser Mensch arbeitet für Don Daniello, der wiederum ist Arschkriecher des Bauunternehmers Don Corrasco, der mächtigste Pate von Palermo. Daniellos Tochter wird von Angehörigen eines Opfers aus der erwähnten Mitternachtsvorstellung gekidnappt. LANZETTA nimmt sich des Entführungsfalles an. In welchen Massaker Sequenzen dieses Unternehmen ausartet, kann sich wohl jeder denken.
Der in der OFDB von Gevatter Hein bereits toll besprochene MILANO KALIBER 9 ist Di Leos Meisterwerk. Danach folgte der hervorragende DER MAFIABOSS (auch DER EISENFRESSER). In beiden Filmen bietet Mario Adorf die wohl beeindruckendsten Leistungen seiner Karriere, er dreht auf wie ein Berserker. Ich würde den Mimen gerne mal ein wenig zu seinen Di Leo Filmen befragen. Ich darf nicht daran denken, dass Adorf heute für unerträglichen, stinklangweiligen Schund wie z.B. „Rossini“ die dicken Preise einheimst (Von mir aus soll er sie mitnehmen!) und kein Schwanz die unerreichten Perlen Di Leos nicht mal vom Titel her kennt (Hoffentlich steht Adorf zu seiner Vergangenheit.). Der hier besprochene IL BOSS ist mein absoluter Lieblingsfilm von Fernando. Nicht sein perfektester, aber meine Numero Uno. Als ich vor 5 Jahren durch das Referenzbuch über italienische Filme (Das leider vergriffene DER TERROR FÜHRT REGIE vom ehrenwerten Terrorverlag!) auf IL BOSS neugierig gemacht wurde, tat ich alles um das Teil in meine Griffel zu bekommen (Danke Olaf!). Nach Ansicht des, um Handlung geschnittenen, VPS Tapes war ich einfach sprachlos vor Freude. Es galt ein neues, mir aus Ignoranz, völlig unbekanntes Genre zu entdecken, der „Spaghetti-Gangster-Polizeifilm“. Und ich entdeckte Filme, von derer Genialität ich nicht zu träumen wagte.
Die Figuren in diesem Film sind entweder wahnsinnig (LANZETTA) oder korrupt. Der stärkste und skrupelloseste überlebt. Erinnert mich übrigens irgendwie an den politischen Gesamtzustand unseres Planeten.
In Henry Silva hat Di Leo die Idealbesetzung des LANZETTA gefunden. Ich kann mir niemanden vorstellen, der dieser Figur ein besseres Profil geben könnte als Silva. Nicht mal mein Liebling Kinski. Der Mann hat ein Gesicht wie aus Stein gemeißelt. Wenn er mal lacht (Kommt nur 1 mal vor!) gefriert seinen Gegenüber das Blut in den Adern. In der deutschen Fassung wird Silva von Klaus Kindler (Clint Eastwoods deutsche Stimme) wunderbar passend synchronisiert. Nachdem LANZETTA die Entführte befreit (Die sich als nymphomanes, mit ihren Entführern treibendes, Luder entpuppt.) und in sein Apartment bringt, kommt es zu Dialogen, die sich in ordinärer Hinsicht gewaschen haben. Das Weib will den Hitman sofort an die Hose. Es entsteht zwischen den beiden für kurze Zeit etwas, was geistig gesunde Humanoide als Liebesverhältnis bezeichnen würden. Die "Geliebte" endet halbnackt im Kugelhagel (!). LANZETTA überlebt alles und alle(!!).

Erwähnen möchte ich noch, dass Gianni „Sartana“ Garko hier einen schmierigen und käuflichen Kommissar spielt. Eigentlich total gegen sein Image besetzt, überzeugt der Mann auch als korrupter Beamter. Fast schon als Running-Gag muss man die Figur des Salvadore bezeichnen. Ein stummer Homunkulus, welcher LANZETTAS Opfer des öfteren im Hochofen entsorgt.

Ein Film Noir der etwas anderen Sorte und absolutes Pflichtprogramm für Freunde des besonderen Films.

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