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Ende gut, alles gut? Bereits vor einem Jahrzehnt angedacht und auch angepriesen, hat der ehedem als Continue gestartete Boss Level seit November 2020 nicht bloß die weltweiten Rechte und diese auch recht schnell verkaufen können, sondern endlich und das nach einer kleineren Odyssee mit der Streamingoption durch Hulu für das Frühjahr 2021 auch die lokale Auswertung, sprich die Veröffentlichung in den USA gegen einen höheren Betrag sichergestellt. Dazwischen liegt ein erster Appetizer bereits von Regisseur Joe Carnahan und seinem Darsteller und auch späteren Geschäftspartner Frank Grillo im Jahre 2012, dazwischen liegen mehrere Neinsagungen und Ablehnungen größerer Studios, die Gründung von WarParty Films seitens Carnahan und Grillo, die nach eigenen Bekunden und Aussagen speziell sowas wie hier, also "elevated action thrillers at a very responsible budget" erschaffen wollen und wo zuvor u. a. (die exklusiv bei Netflix vertriebenen) Wheelman (2017) oder Point Blank (2019) bzw. El Chicano (2018) seitens der beiden Macher erschienen sind. Dazwischen liegen Geldprobleme, dazwischen liegt die Verkürzung der Drehzeit von 43 Tagen auf nicht ganz einen Monat, dazwischen liegt ein kolportiertes, nicht ganz bescheidenes, leicht überzogen scheinendes Budget von 45 Mio. USD und am Ende hat man dieses Ergebnis:

Der ehemalige Special Forces Officer Roy Pulver [ Frank Grillo ] hat ein Problem. Nach einer kurzen Kontaktaufnahme seitens der von ihm in Trennung lebenden, allerdings den gemeinsamen Sohn aufziehenden Wissenschaftlerin Jemma Wells [ Naomi Watts ] erlebt er den Folgetag immer wieder auf das Neue; was bedeutet, dass er nicht nur stets und ständig von einer wilden Horde an Auftragskillern heimgesucht wird, sondern auch mit der Nachricht des Todes von Jemma, seiner großen Liebe leben muss. Nachdem er mehrere Male von den verschiedenen Attentätern erledigt wurde und 'wiedergeboren' ist, kommt er langsam an den Mann im Hintergrund dessen und Jemmas Vorgesetzten, Col. Clive Ventor [ Mel Gibson ] heran.

"Joe and I have a really good little company in War Party, and we’re concentrating on action thrillers that are responsibly budgeted, and we’re very busy, knock wood, and we’ll go down the path of creating our own material and content and having a good time."
~ Frank Grillo

Routinen schön und gut, erleichtern den Alltag zuweilen, gerade morgens den Anfang und den Beginn, abends gibt es die Regelmäßigkeiten, die das Einschlafen erleichtern solle, dazwischen liegt meist der Beruf, in dem Bekanntes und Bekannte auch Sicherheit erweisen. Hier läuft der Tag etwas anders als, bzw. läuft er mit stets gleicher Situation etwas anders ab, wiederholen sich die Momente, nur die Reaktionen darauf sind mal schneller und mal besser, ist es aber niemals eine gewöhnliche Situation und wird der Moment dadurch auf Dauer gleichzeitig langweilig und dennoch stets stressig. Der Angriff eines Messermannes in den frühen Morgenstunden, der Beschuss eines maschinengewehrbewehrten Hubschraubers, der dann auch noch in das Apartment kracht und eine verheerende Explosion auslöst. Der Sturz aus dem vierten Stockwerk, je nach Glück auf einen vorbeifahrenden Laster, mal auch auf die Straße und mal auch unter die Räder. Die Verfolgung eines zweites Fahrzeuges, die Kollision mit einem Bus usw. usf., alles adrenalintreibende Angelegenheiten, die den Schmerz und den Tod auch eingangs nur hinauszögern und wo am Ende des Levels die ganze Misere erneut und von vorn und mit den gleichen Repressalien beginnt.

"I’ve done a bunch of movies with Jason Blum, and what his company has done absolutely inspired us. Budgetarily, Joe and I like to live anywhere from $5 million to $20 million, but ideally, we prefer to stay right in the $12 million range. That’s our sweet spot. Now, a lot of people have come to us and said, ‘We want you to do this. It’ll cost $30 million.’ It’s a scary thing to do a $30 million movie because it’s no man’s land. It’s a very expensive endeavor."

Und täglich grüßt das Murmeltier hier als wildes Actionszenario, in einer eingangs eingegrenzten Umgebung, der 08/15-Schauplatz als Ausgangspunkt eines modernen Thrillers mit den Zutaten Gewalt, Retro, Science fiction, Vintage Video Games, Comic und Komik, mit hohem Effekteinsatz und mit Voice over, mit dem dicken Augenzwinkern und einer Prämisse, die schon das A und das O der Handlung selber ist und wo der Denker dahinter nicht umsonst als eher umtriebiger Mann mit leichtem Drall zum Aufmerksamkeitsheischen ist. Carnahan, der um 2010 in einer wahrscheinlich besseren Position als jetzt war und Grillo, der in den letzten vielen Jahren eher gewachsen und durchaus ein bekannter Name oder ein bekanntes Gesicht zumindest geworden ist ("I was already in my 40s. From there (Warrior) I did The Grey and then the Marvel movies and The Purge movies, and so now, at the ripe old age of almost 55 years old, I’m in a position where I’m like the poor man’s Liam Neeson”), erzählen ihre buchstäblich variantenreiche Geschichte mit viel Spektakel und viel Übermut, das laute Drüber muss (und kann) man mögen, das pralle Entertainment, welches auch mit (Fun) Violence als Hauptzutat und darüber hinaus viel Bewegung und Schnelligkeit und Kurzweil versucht wird. Kleine Gimmicks und Überraschungen im Ablauf der Trial-and-error Geschichte, einige verbale Bonmots, eine vergleichsweise ruhig bleibende Regie in gedämpften Farben sowie eine gut gewählte Nebendarstellerriege mit viel Spielfreude, darunter auch ein Gibson mit wilden Kriegsmärchen würzen die 'interaktive' Präsentation an, und jeder liebt die Running Gags.

Was man Boss Level allerdings am meisten zugutehalten muss, mal abgesehen von einer flotten Autohatz über den Straßen der Stadt, ist die Schaffung einer geeigneten Basis für das Ganze, ist nicht etwa die erste knallige Viertelstunde hier entscheidend, sondern die stille zweite, indem das 'Gestern' des Tages dargereicht wird und wo die Vergangenheit naturgemäß die Grundlage für das Hier und das Jetzt und das Innere bedeutsamer als das Äußere ist; etwas, dass den Film trotz einem anderen Verkaufsargument auch dramaturgisch verhältnismäßig zwingend macht und von (teils furchtbaren) 'Vorreitern' wie Guns Akimbo, Crank oder Shoot 'Em Up bspw. abhebt und 'erden' lässt. Das Problem ist dann nur, irgendwann will man noch mehr und möchte auch appellieren und belehren, eine Wendung in dem Ganzen und dies zum Guten hin aufzeigen, was es letzten Endes hin reichlich moralinsauer und damit auch schon wieder uninteressant werden und noch vor dem Abspann auf die falsche Fährte kommend und diesen puritanischen Weg dann leider auch beenden lässt.

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