Review

Spider-Man Far from Home
Für mich war Homecoming ein totales, ungebremstes Desaster, das den Charakter überhaupt nicht ernst genommen hat. Als Peter dann beim Snap verschwunden ist, habe ich ziemlich laut gelacht. Trotzdem gehört sein zweites (und drittes. Und viertes. Usw.) Soloabenteuer zum MCU und wurde also geschaut.
Zum Glück. Da Iron Man aus dem Spiel genommen wurde, ist Peter auf sich allein gestellt und plötzlich funktioniert die Figur. Peter ist wieder zurück nach dem Snap bzw. Blip und muss irgendwie damit klarkommen, dass seine Vaterfigur Onkel Ben, äh Tony Stark, nicht mehr da ist und er Angst hat, in diese Rolle gedrängt zu werden. Auf einer Europareise (merkwürdigerweise ohne weibliche Begleitperson) hofft er, den Kopf frei zu bekommen. Und mit MJ zusammen zu kommen. Allerdings drehen gerade ein paar Elementargeister am Rad und Nick Fury rekrutiert ihn. Zum Glück hat der schon Hilfe von einer Parallelerde, einen Helden namens Quentin Beck. Außerdem erbt Peter Tonys Zugriff auf ein weltumspannendes Überwachungssystem, dass er wegen seiner Selbstzweifel an Beck weiter gibt – der sich als Bösewicht entpuppt.
Die Story ist damit angemessen komplex, aber die war auch nicht das Problem bei Homecoming. Das Problem war die katastrophale Charakterzeichnung Spideys, und die funktioniert hier. Peter ist unsicher, hin und hergerissen, versucht, Privatleben und Superheldendasein zu jonglieren, will mit MJ zusammen sein und muss genau dann gehen, wenn sie Zeit mit ihm verbringen will. Andererseits ist er schlicht brillant, wenn es um Physik geht, sei es Stringtheorie oder das Zusammenbasteln von Spielzeug – Spielzeug, dass er kontrolliert, nicht umgekehrt. Am Anfang trägt er noch den verrotzten Iron-Man-Junior-Anzug, den er zum Glück schnell aufgibt. Spider-Man dagegen kompensiert diese Unsicherheit durch seine Fähigkeiten und lockere Sprüche und rettet den Tag, während Peter die Reservierung im Restaurant verschwitzt hat, weswegen sein Date ihn sitzen lässt. Ein paar mehr lockere Sprüche hätte ich gerne gehabt, aber okay. Tom Holland funktioniert hier endlich als Spidey (ist ja auch erst sein fünfter (!) Film), Zendayas MJ, in Homecoming noch kaum charakterisiert und uninteressant, ist in diesem Film Gold. Das Teeniegetue nervt mich als Mann Mitte 40, im Kontext des Films funktioniert das. Anders als die fast unwirkliche MJ in den Maguire-Spider-Mans, die eigentlich nur als romantische Projektionsfläche funktioniert und keinerlei eigene Funktion hat, ist diese MJ clever und proaktiv, hat immer einen treffenden Spruch auf Lager, findet Sachen logisch heraus und ist kein Anhängsel. Zweiter Geniestreich ist Mysterio. Eigentlich ein Bösewicht aus der zweiten Reihe überzeugt er hier voll und ganz, dank Jake Gyllenhall, der ihn gleichzeitig sympathisch und brandgefährlich macht, mit einem klaren Kommentar zur aktuellen Medienwelt und zu der Welt, die von den Superhelden besessen ist. Die Midcreditszene bietet dann einen Kurzauftritt von JJ Jameson (YES!) - und einen echten Hammer, als Spideys Geheimidentität enthüllt wird. Da wird man abwarten müssen, was damit passiert.
Nach dem totalen Overkill der Avengers bleibt hier erfreulich viel heil, den Trip nach Prag fand ich persönlich ansprechend, weil ich die Stadt selbst recht gut kenne, Berlin bleibt eher eine Randerscheinung und London bekommt auf die Mütze. Insgesamt funktioniert fast alles an dem Film. Homecoming ist immer noch Grütze, die Fortsetzung spielt dafür nicht nur in einer anderen Liga sondern ein ganz anderes Spiel. Die Entscheidung, Spidey aus seiner gewohnten Umgebung rauszunehmen, zahlt sich absolut aus- Einzig das Fehlen von Onkel Ben stört mich immer noch, man hat ihn einfach durch Stark ersetzt, was im Kontext des MCU natürlich gut funktioniert (und zu einer gute Nebenstory um Happy und May führt), mir aber dennoch etwas sauer aufstößt. So ziemlich alles andere am Film funktioniert aber, so dass Far from Home nicht nur „besser“ als der Vorgänger ist (das war die Realserie aus den 70ern auch. Hilfe, Japanese Spider-Man war besser!), sondern zu den besten MCU-Filmen gehört!

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