Review

Europareise Richtung Zukunft


Peter Parker muss, genauso wie der Rest der Welt, mit den Verlusten und Veränderungen nach dem Doppelschlag „Infinity War“/„Endgame“ zurechtkommen. Tony Stark und manch anderer Held ist nicht mehr, die fünfjährige Lücke im Leben vieler Menschen hat ihre Spuren hinterlassen und auf der Klassenfahrt durch Europa tauchen auf einmal auch noch Nick Fury und diese elementaren Monster samt einem neuen, mysteriösen Superhelden auf, die unsere freundliche Spinne aus der New Yorker Nachbarschaft einfach nicht zur Ruhe und zu einem normalen Teenagerleben kommen lassen wollen...

Ohne allzu viel zu spoilern, erinnert mich „Far From Home“ am ehesten an „Iron Man 3“. Beide haben einen waghalsigen Twist, beide fühlen sich etwas wie Außenseiter an, beide starten mit Pophits aus den 90ern, beide tragen leserlich die Handschrift ihrer Regisseure. Daraus kann jeder seine eigenen Schlüsse ziehen. Ich meine das allerdings größtenteils positiv. Die europäischen Schauplätze wie Venedig und Prag in einem Spider-Man-Abenteuer zu sehen, ist ganz große Klasse und fühlt sich komplett unverbraucht an. Das Feeling einer Klassenfahrt wird fein getroffen und Humor, Drama, Spannung halten sehr geschickt eine solide Balance. Nach den zwei doch sehr düsteren Avengers-Kapiteln ist das eine erlösende Auflockerung, ohne zu einem Pausenclown ala Ant-Man zu verkommen. Tom Holland scheint nun endgültig mit seiner Rolle verschmolzen zu sein und ist spätestens jetzt der beste, echteste, originalgetreuste Spidey. Zumindest in meinem Herzen. Doch ich mochte auch schon den Vorgänger weitaus mehr als hierzulande die meisten. Keine Ahnung, warum der vor allem hier einen solch schweren Stand hat. 

Zurück zur Europatour. Fast jeder von Peters Klassenkameraden bekommt Momente um zu scheinen und Gyllenhaals Mysterio ist ein furioses Highlight, das sehr nah an den Comics zu Leben erweckt wird. Zumindest bis zum Twist, den man doch sehr ambivalent aufnehmen kann und der (genauso wie die Abspannszenen) sicher noch Wellen schlagen wird. Umso länger ich allerdings über die Entwicklungen (samt einiger überraschend trippiger, optisch atemberaubender Illusions-Szenen!) nachdenke, desto besser gefallen mir seine Aussagen über Wahrheit, Überwachung, Realität, Presse und Heldsein. Weitere Höhepunkte waren ganz klar Peters Brille bzw. Tonys Geschenk „Edith“, der „Night Monkey“ und die sehr sehr sehr süße Interaktion von Peter mit M.J. und von Ned mit seiner Reiseliebelei. Weniger gut haben mir einige unfertig wirkenden Effekte gefallen und das manchmal etwas hetzende Tempo. Und bei der hohen Gagdichte schlug nicht jeder Angriff auf die Lachmuskeln voll ein. Unangenehm war das aber kaum. „Far From Home“ hat ein großes Herz, peinlich-süße Romantik an allen Ecken, solide Actionsequenzen und einen Bösewicht mit klarem Konzept und fast schockierend realistischer Message zur aktuellen Lage der Welt und der Menschen - selbst wenn man doch etwas auf dem kalten Fuß erwischt wird und diese Entscheidungen erstmal sacken lassen muss. 

Fazit: neue Settings, neue Pärchen, neue Technik, neue Emotionen, neue Spannung, neuer Spaß, neue Realität - „Far From Home“ ist eine frische Brise in einem Kinosommer voller Enttäuschungen. Überraschend, mutig, super frisch und frech, bläst er nahezu alle Zweifel an einer glorreichen Zukunft des MCU aus der Welt. Selbst wenn ich „Homecoming“ noch ein Stück besser finde... Aber der Wiederspielwert könnte auf Seite von „Far From Home“ liegen! So hat man Spidey noch nie gesehen! 

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