„The Woman“ bildet den letzten Roman des 2018 verstorbenen Jack Ketchum, dessen Reihe um eine Kannibalenfamilie bereits 1979 mit „Beutezeit“ seinen Anfang nahm. Pollyanna McIntosh schlüpft hier erneut in die Rolle der Wilden, verfasste das Drehbuch zur Fortsetzung und führte erstmals Regie.
Eine junge Wilde, kurz Darlin' (Lauryn Canny) genannt, wird vor einem Hospital aufgelesen und kurz darauf von einer katholischen Mädchenschule aufgenommen. Der zuständige Leiter und Bischof (Bryan Batt) erhofft sich dadurch ein wenig Publicity, während sich Schwester Jennifer (Nora-Jane Noone) um das bislang schweigende Mädchen kümmern soll. Doch ihre Mutter (Pollyanna McIntosh) hat bereits ihre Spur aufgenommen…
Ohne Vorkenntnisse des Vorgängers „The Woman“ fällt der Zugang deutlich schwerer, denn die Herkunft der zwei offenbar wilden Frauen wird ebenso wenig erläutert wie der latente Hang, Menschen zu beißen oder gar anzuknabbern. Auch die Verbindung zwischen den Frauen erschließt sich erst nach einigen kurzen Rückblicken.
Zunächst erinnert die durchaus spannende Prämisse an die Kaspar-Hauser-Thematik, die Genreverwandte wie „Nell“ bereits auf Zelluloid festhielten. Vorsichtige Annäherungen, etwa durch den sympathischen Krankenpfleger (Cooper Andrews) offenbaren eine sensible Herangehensweise, die gleichermaßen Sympathien für die Titelgebende schürt.
Leider wechselt der Schauplatz rasch zur Schwesternschule, wo zahlreiche Klischees auf allen Ebenen vorzufinden sind.
Es ist früh abzusehen, dass einmal mehr einige Scheinheilige auf fragwürdigen Pfaden wandeln, während die Schülerinnen mehr oder minder Stereotypen präsentieren, einschließlich der braven Zwillinge oder der Rebellin, die im angrenzenden Wald Gras raucht.
Jedoch zählen Szenen mit ihr und Darlin' zu den raren zwischenmenschlichen Highlights des insgesamt vornehmlich ruhig erzählten Horrordramas.
Zwischendurch mordet sich ihr mütterliches Pendant ein wenig durch die Gegend, wobei einige Ableben im Off stattfinden und ansonsten einige Kehlenschnitte und Beißattacken zu verzeichnen sind. Die Härten der Vorgänger werden zu keiner Zeit erreicht, - allerdings auch nicht inhaltlich, denn ein Markenzeichen von Ketchum war der typische Schlag in die Magengrube, der hier völlig ausbleibt. Daran vermag auch der etwas ereignisreichere Showdown wenig ändern.
Das ist insofern schade um Hauptdarstellerin Lauryn Canny, die zahlreiche Facetten ihrer Figur glaubhaft auszuspielen vermag. Die Wilde nimmt man ihr ebenso ab wie die Leichtgläubige oder die Entschlossene. Die übrigen Mimen performen demgegenüber allenfalls okay. Einen weiteren Pluspunkt bildet der zurückhaltende Score, der überwiegend aus dumpfen Streichern besteht, während die Kamera und die zuweilen stimmungsvolle Farbgebung innerhalb der weitgehend unauffälligen Inszenierung hervorstechen.
Im Vergleich zum Vorgänger fehlt definitiv der Biss, der Mut aufs Kontroverse zu setzten oder eben bei der Kritik an der katholischen Kirche ordentlich anzuecken. Die Pointe fällt ebenso schwach aus wie die eigentliche Geschichte, welche ohne mitreißende Höhepunkte nur einen Bruchteil ihrer Möglichkeiten ausspielt.
5 von 10