„Sperrmüll“ ist ein DEFA-Dokumentarfilm der Filmemacherin Helke Misselwitz („Winter adé“), für den sie mit Gerd Kroske zusammenarbeitete. Die Dreharbeiten reichten von Mitte 1989 bis zu den letzten Volkskammerwahlen der DDR, fanden demnach in der Wendezeit statt. Veröffentlicht wurde der Film im Jahre 1991, also bereits im geeinten Deutschland.
Eigentlich sollte „Sperrmüll“ eine Dokumentation über die gleichnamige Ost-Berliner Jugendband werden, die Musik auf weggeworfenem Schrott macht. Irgendwann in der ersten Hälfe des Jahres 1989 sieht sich das Filmteam gemeinsam mit den Bandmitgliedern ca. sechs Monate alte Aufnahmen an und lässt sich die Jungs kurz vorstellen. Die Fragen der Interviewerin – vermutlich Helke Misselwitz – sind zu hören, sie selbst ist aber nie vor der Kamera zu sehen. Im weiteren Verlauf möchte man sich auf Bandmitglied Enrico fokussieren und ihn eine Weile mit der Kamera begleiten. Dessen Mutter Angelika Idzikowski, eine aufgeschlossene, liberale Frau, heiratet einen West-Berliner. Die Hochzeit darf nicht gefilmt werden, ein entsprechender Amtsschrieb wird gezeigt und zitiert. Zur Hochzeit spielen Sperrmüll auf der Straße respektable Musik mit durchaus hintergründigen Texten, die die Blicke neugieriger Passantinnen und Passanten anziehen.
Enricos Mutter reist zu ihrem Mann nach West-Berlin aus, Enrico aber bleibt in der DDR. Mitten in die Dreharbeiten platzen die Entwicklungen, die schließlich zur Wende führen: Enrico beteiligt sich an den Protesten vor der vor der Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg am 8. Oktober 1989, die niedergeknüppelt werden, was der Film mittels authentischem Bildmaterial belegt. Zusammen mit anderen Demonstrierenden reflektiert er wenige Tage später er am selben Ort das Geschehene. Dann ein Zeitsprung: Mauer und Grenze sind offen. Enrico kommentiert die Wende kritisch, klug, aber auch streibar:
„Wenn alles schiefgeht, dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass es hier irgendwann mal ‘ne Wiedervereinigung geben wird. Und das wünsch‘ ich keinem von beiden deutschen Staaten.“
Mit der S-Bahn fährt er seine Mutter und deren neuen Ehemann an Weihnachten besuchen. Auf der Fahrt erzählt er, dass er bei Sperrmüll aussteigen und in einer anderen Band Gitarre spielen werde, woraufhin eine Probe der „Bolschewistischen Kurkapelle schwarz-rot“ gezeigt wird. Draußen vor der Tür tanzen Kinder Pogo zur Musik. Mutter Angelika wird bei ihrer neuen Arbeit als Kindergärtnerin gefilmt. Sie berichtet anschließend, es als Frau in der BRD schwerer zu haben als in der DDR. Es folgt ein Gig der Band.
Ehemalige Sperrmüll-Mitglieder prophezeien angesichts der bevorstehenden Volkskammerwahl, die die letzte werden sollte, dass 16 Millionen Menschen ihre Chance verpassen werden, einen eigenen Staat aufzubauen, und äußern sich nachdenklich, kritisch und wenig optimistisch. In jedem Falle wolle man links wählen, so auch Enrico, der die DDR erhalten will. Aktuelle Musik Enricos wird eingespielt und eine Bootstour Angelikas mit ihrem Mann an der durchlässig gewordenen Grenze entlang begleitet. Sie berichten von den Problemen, sich zu sehen, bevor sie zusammenzogen. In jener Zeit habe sie gar ein ungeborenes Kind verloren. Auf einer Karussellfahrt auf dem Rummelplatz wirken beide sehr glücklich miteinander. Die letzte Szene zeigt Enricos Gang zum Wahllokal, wozu sein opernsingender Namensvetter Enrico Caruso, nach dem ihn seine Mutter benannte, dramatische Töne schmettert.
„Spermüll“ ist kein Dokumentarfilm, der irgendjemanden vorführen oder bestimmte Umstände ausschlachten würde. Vielmehr handelt es sich um ein sehr authentisch anmutendes Zeitdokument, das der Wende-Euphorie eine gesunde Skepsis entgegensetzt, zugleich ohne die Wende in dieser Form aber sicherlich nie unzensiert in der DDR hätte aufgeführt werden können. Da die Filmemacherin und ihr Team ebenso von den Ereignissen überrollt wurden wie Enrico & Co., wirkt „Sperrmüll“ häufig spontan und ohne eine bestimmte, von vornherein feststehende Aussage transportieren oder ein bestimmtes Bild zeichnen zu wollen, was ihn von zahlreichen anderen Dokumentarfilmen unterscheidet.
Die Geschichte hat gezeigt, dass die jungen Männer mit ihrer Skepsis rechtbehalten sollten.