Als der New Yorker Taschendieb Skip McCoy [ Richard Widmark ] in der U – Bahn die Handtasche von Candy [ Jean Peters ] erleichtert, wissen beide noch nicht, in welch ein Schlamassel sie geraten sind. In ihrer Geldbörse befindet sich ein Mikrofilm zur Herstellung von Atomwaffen; sowohl die Polizei als auch die Vaterlandsverräter sind hinter ihm her.
Der sechste Film von Samuel Fuller ist ein politisch mitbestimmter Vertreter der „Schwarzen Serie“, der neben seiner hart direkten Gangart auch ein Stück Zeitgeschichte darstellt, indem er mehrere international bedeutende Themen des Jahres behandelt, wenn auch nur unterschwellig. Das wird durch die deutsche Zensur bei der Kinoauswertung sogar noch verstärkt, dort ist die ganze Zeit von Rauschgifthändlern statt Kommunisten die Rede, der Mikrofilm enthält plötzlich eine Formel für synthetische Drogen. Zudem wurde eine immer noch relativ brutale Sequenz geschnitten, in der Candy von ihrem Exfreund und Auftraggeber Joey [ Richard Kiley ] durch die Wohnung geprügelt wird.
Dabei ist der Mikrofilm zwar sowieso nur ein McGuffin und über den Kommunismus wird auch nichts weiter ausgesagt, als dass er der Feind ist; die tendenziöse Ideologie ist eher zwiespältiger Art. Trotzdem funktioniert die originale Sprachfassung weitaus besser, die Reaktionen der Beteiligten sind viel plausibler.
Fuller konzentriert sich nämlich abgesehen von der zeitgenössischen Panik und der wenig ambivalenten politischen Tragweite auf seine Hauptfiguren und schildert ihren Kampf in einer hard boiled Welt, in der bis auf die letzten Regeln und Grenzen alles zum Überleben ausgereizt wird. Die äußere Handlung ergänzt sich mit dem Porträt seiner Individuen, die zum Überleben aufeinander angewiesen sind.
Die Eröffnung mit dem Diebstahl setzt bereits die verschiedenen Parteien wortlos gegeneinander aus, über Blicke und minimaler Gestik werden die Figuren eingeführt und vorgestellt. Sowohl Dieb als auch Bestohlene sind in dem Moment des Stehlens ganz nah und trotzdem weit entfernt und auf sich versunken, sie achtet auf gar nichts, er nur auf ihre Handtasche. Beide wissen nicht, dass sie dabei auch vom Geheimdienst beobachtet werden.
McCoy kann mit seiner Beute im Gedrängel abhauen und verzieht sich auf sein „Hausboot“, ein Bretterverschlag nur mit einer Hängematte auf dem East River, wo er fast abgeschottet von der restlichen Welt zu leben scheint. Sein Domizil unter der Brooklyn Bridge ist nur durch einen schmalen Holzsteg mit dem Festland Hafen verbunden; ähnlich dünn scheint seine emotionale Verbindung zu der Gesellschaft um ihn herum.
Die Polizei kommt durch die Informantin Moe [ Thelma Ritter ] ebenso schnell auf seine Identität und Spur wie die Gauner, das hält ihn nicht davon ab, die einen zu pfoppen und die anderen wie eine Weihnachtsgans ausnehmen zu wollen. McCoy ist trotz seiner bereits drei Verurteilungen - „Berufsrisiko“ – und der drohenden lebenslangen Haft bei einer vierten nicht einzuschüchtern oder zu packen; auch Appelle an seine Ehre verhuschen ebenso flüchtig wie Drohungen.
„Do you know what treason means?“ “Who cares?”
Auch das Geld der Roten ist ihm so lieb wie jedes andere, über die Schiene mit der Landesflagge braucht man ihm nicht zu kommen. Wichtiger als die vermeintlich moralische Integrität sind dann doch die aufkeimenden Gefühle zu zwei seiner Mitmenschen, die ebenso unabsichtlich in die Gefahr geraten sind wie er und dadurch auch Beschützer – und Racheinstinkt auslösen und ihn letztlich doch zum Kämpfer werden lassen; allerdings für die Gerechtigkeit statt Landesfrieden.
Die alte Moe als Stütze und Bindeglied zwischen Polizei und Kriminalität spricht ihn direkt an: “What’s a matter with you? Playing footsie with the commies.“
Lässt er das noch an sich abprallen, so gibt es nach ihrem gewalttätigen Tod für ihn kein Halten mehr: er ermöglicht ihr den letzten Willen – ja nicht auf dem Armenfriedhof zu landen – und ändert seine bisher festgefahrenen Pläne.
Grund dafür ist aber auch Candy, deren spätere Liebe auch eine Veränderung bei ihm bewirkt. Hierbei scheitert Fuller, weil er zugunsten der Dynamik übertreibt, das gefühlsmässige Innenleben beider Menschen wird vor allem auf ihrer Seite viel zu rasch und damit unglaubwürdig entfacht; bei ihm ist das Problem, dass er vorher so gar nichts empfand.
Ansonsten wird auf Klischee und jede Heroisierung verzichtet, die Gewaltsituation ungeschminkt realistisch geschildert und in dynamischen Kampfszenen umgesetzt. Die handfeste Milieubeschreibung ist treffend, was vor allem an der hervorragenden Fotografie, den Dialogen und ihren Darstellern liegt.
Handwerklich beachtlicher film noir, inhaltlich manchmal angreifbar.
[ Review wurde auch auf www.filmbesprechungen.de veröffentlicht. ]