Der renommierte Anästhesist Dr. Bernard Hitchcock (Robert Fleyming) ist eine Koryphäe seines Fachs und glücklich mit seiner jungen, hübschen Ehefrau Margaretha (Maria Teresa Vianello) verheiratet. Doch der Arzt hat dunkle Abgründe: er hat nekrophile Tendenzen und betäubt seine junge Frau stets, mit ihrer Zustimmung, vor dem Liebesspiel. Bei einem dieser Abende stirbt sie an einer unbeabsichtigten Überdosis…12 Jahre später kehrt Dr. Hitchcock mit einer neuen Frau, Cynthia (Barbara Steele), in seine alte Villa zurück und bald häufen sich die Merkwürdigkeiten und der Doktor hat immer größere Schwierigkeiten, seine Triebe unter Kontrolle zu halten…
Was für ein Prachtstück, dieser Film! Ich hatte schon viel über ihn gelesen, aber nirgendwo gefunden, die deutsche DVD war mir meist zu teuer, um sie blind zu kaufen, aber nun habe ich ihn mit englischen Untertiteln in hervorragender, ungeschnittener Qualität auf YouTube gefunden (https://www.youtube.com/watch?v=tJKDQUBXMw4&list=LLzyDn3Xu1djAiqMEOfkz-Pg&index=5). Und ich bin begeistert: Ricardo Fredas zweiter Horrorfilm (nach „I Vampiri“ von 1957) ist eine Perle des europäischen Horrorfilms, ein blumiger, schillernder, düsterer, abgründiger Albtraum, der einem nie deutlich macht, was wahr und was eingebildet ist…
Er erinnerte mich an Mario Bavas Meisterwerk „Die toten Augen des Dr. Dracula“ von 1966. Das Tabuthema Nekrophilie wird so weit es die Zensur 1962 zuließ behandelt und ist doch omnipräsent und deutlich genug dargestellt. Der angesehene Dr. Hitchcock (es gibt viele Anspielungen auf den Suspensemeister, z.B. an „Rebecca“ oder „Vertigo“, also nicht nur im Namen!) ist äußerlich ein erfolgreicher Arzt, aber seine Perversionen und Neigungen, die er bei seiner ersten, jungen Ehefrau noch ausleben konnte, kann er nicht bei Cynthia ausleben. Umso kälter, bedrohlicher wird er und sie steigert sich in beklemmende Visionen hinein, in denen das Gesicht ihres Mannes zu einer grauenerregenden Fratze wird. Robert Flemyng spielt die Hauptrolle mit kalter, verstörender Eleganz, die mehr Giftpfeilen gleicht und Barbara Steele ist hier sein Opfer, die unter ihm und der schlimmen Vergangenheit des Hauses und seiner Bewohner leidet.
Das Haus ist ein plüschiges, üppiges Todeslabyrinth mit verborgenen Räumen, Kellern, monströsen Spiegeln, die Cynthia gefangen zu nehmen drohen. Und die Farbdramaturgie ist ein Genuss: schreiende Primärfarben, ewige Dunkelheit draußen, ein wahres Panoptikum der optischen Angst.
Insofern ein Tipp für alle Freunde des italienischen Horrorfilms (ich war überrascht, hier noch keine Kritik vorzufinden!) und ich werde mir dann doch wohl die etwas teure deutsche VÖ zulegen. Großartig gemacht, Signor Freda! 9/10