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"Qualcosa striscia nel buio" (Etwas kriecht im Dunkeln) bedeutete für Einige der Beteiligten den Endpunkt ihrer Karriere, andere nahmen sie wieder auf. Während Regisseur Mario Colucci, der in den 60er Jahren hauptsächlich als Drehbuchautor tätig war, nach seiner zweiten Regiearbeit (zuvor drehte er den Italowestern "Vendetta per vendetta" (Rache für Rache, 1969)) die Filmbranche nicht einmal 40jährig verließ und Mia Genberg als Darstellerin letztmals auftrat, befand sich Lucia Bosé nach einer langjährigen Schaffenspause wieder voll im Geschäft. Und Farley Granger, dessen einzige Arbeit in Italien - Viscontis "Senso" (Sehnsucht, 1954) - viele Jahre zurücklag, hatte eine zweite Karriere in Italien begonnen, die ihn an vielen Genre-Filmen bis Mitte der 70er Jahre mitwirken ließ.

Auch die sonstige Besetzung bestand aus im Genre erfahrenen Darstellern wie Stelvio Rosi, Giacomo Rossi-Stuart und Angelo Francesco Lavagnino, die für die notwendige Qualität sorgten. Denn Colucci entwarf die klassische Ausgangssitution einer zusammen gewürfelten Gruppe, die gezwungen wird, sich für eine Nacht gemeinsam an einem Ort aufzuhalten. Die Art wie er diese Situation vorbereitet, gibt schon einen Vorgeschmack auf die kommenden Ereignisse, denn während das Ehepaar Silvia (Lucia Bosé) und Donald Forrest (Giacomo Rossi-Stuart) keinen Zweifel daran lässt, dass sie sich nur in ihrer gegenseitigen Abneigung einig sind, während sie bei schlechtem Wetter mit ihrem Auto unterwegs sind, nähern sich in rasender Fahrt zwei Autoscheinwerfer, die von einem anderen Paar Lichter verfolgt werden – eine sehr atmosphärische Zusammenführung der Beteiligten, die sich alle an einer vom Unwetter zerstörten Brücke begegnen.

Nicht nur Spike (Farley Granger), ein gesuchter Mörder, wird zum Halt gezwungen, auch Inspektor Wright (Dino Fazio) und Detective Sam (Franco Beltramme) kommen nicht weiter, können ihn aber festnehmen. Nur wenig später stößt das kurz zuvor überholte Ehepaar Forrest auf die drei Männer, gefolgt von einem weiteren Fahrzeug, indem sich Dr.Williams (Stelvio Rosi) und seine Assistentin Susan (Mia Genberg) befinden, die noch einen liegen gebliebenen Fahrer mitgenommen hatten, den undurchsichtigen Professor Lawrence (Angelo Francesco Lavagnino). Sie alle sind gezwungen, sich zu einer nahe gelegenen Villa zu begeben, in der Hoffnung telefonieren zu können. Der dortige Bewohner Joe (Gianni Medici) zeigt sich wenig begeistert von deren Ankunft, aber Inspektor Wright weiß sich durchzusetzen, weshalb Joe das Schäferstündchen mit seiner Freundin (Giulia Rovai) unterbrechen muss. Damit ist die Gruppe, klassisch aus zehn Personen bestehend, vollständig und das fröhliche Reduzieren kann beginnen.

Doch obwohl die Telefonleitung während Wrights Gespräch unterbrochen wird und mit einer Seance die tragisch verstorbene Lady Marlowe, die frühere Besitzerin der Villa, gerufen werden soll, setzt Colucci nicht auf den typischen Agatha Christie-Effekt, sondern variiert die Thematik in einer Balance aus Gesellschaftssatire und Gruselfilm. Besonders Lucia Bosè als gelangweilte Ehefrau aus besseren Kreisen gelingt eine überzeugende Performance als ständig nach Unterhaltung gierender Nervensäge, der ihr Ehemann mit seinen zynischen Bemerkungen Paroli bietet. Mit ihrer übergriffigen Art provoziert sie nicht nur die unscheinbare Susan, der sie unterstellt, in Dr. Williams verliebt zu sein, sondern auch Spike, dessen Erfahrungen als Mörder sie faszinieren. Selbstverständlich ist sie es, die die Seance gegen den Willen ihres Mannes vorschlägt, den sie als Medium auserkoren hatte. Trotz dessen Weigerung scheint die Stimme Lady Marlowes aus ihm zu sprechen.

Ab diesem Moment beginnt Colucci mit scheinbar übernatürlichen Kräften zu spielen, ohne die Balance zur Realität zu verlieren. Er nutzt die inneren Konflikte und geheimen Sehnsüchte der unfreiwillig Zusammengepferchten dazu, jederzeit auch eine mögliche logische Lösung anzubieten. Als sich Susan (wenig überraschend) als schöne Frau entpuppt und Dr. Williams auf seinem Zimmer verführt, wirkt sie wie verwandelt, erschrickt aber plötzlich vor ihrem eigenen Verhalten. War der Geist Lady Marlowes in sie gedrungen oder hatte sie einfach ihre Sehnsucht überwältigt? – Auch als der erste Mord geschieht, ist Inspektor Wright sofort klar, wer der Täter ist, auch wenn es dazu widersprüchliche Indizien gibt. Immer versucht er, die Ereignisse logisch zu erklären, bis auch er von unerklärlichen Vorkommnissen heimgesucht wird.

„Qualcosa striscia nel buio“ bleibt jederzeit im Gleichgewicht zwischen Konkretem und Ungefähren, ohne die Ereignisse erklären zu wollen. Damit unterscheidet sich der Film, der unter einfachen Bedingungen inszeniert wurde, in erheblichem Maße von modernen Genre-Vertretern, die nicht mehr ohne eine noch so an den Haaren herbei gezogene Begründung auskommen können. So ist Farley Granger als cooler Krimineller für die handfesten Vorkommnisse zuständig, prügelt sich und versucht zu fliehen, gerät dann aber in eine geheimnisvolle Situation, die der Betrachter nur erahnen kann. Innerhalb der stimmigen Atmosphäre der alten Villa gibt es nur wenige aktionistische Momente, bleiben die fantastischen Augenblicke zurückhaltend, jederzeit unterbrochen von der Realität des Banalen, aber über allem bleibt die Frage offen, was wirklich in den Schatten des Hauses geschah. Auch das Lachen am Ende kann diese Frage nicht beantworten, denn vielleicht gilt es nur den Zuschauern? (7,5/10)

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