Der New Yorker Film-Regisseur Tommaso lebt, nachdem er Alkohol und Drogen abgeschworen hat, mit seiner (erheblich) jüngeren Frau Nikki und der gemeinsamen dreijährigen Tochter DeeDee in Rom, wo er zwischen Italienisch- und Schauspiel-Kursen und Treffen der anonymen Alkoholiker eher nebenbei an einem neuen Film-Projekt arbeitet. Das nur scheinbar heile Familienleben gerät erheblich ins Wanken, als sich die Zeichen mehren, dass Nikki eine Affäre mit einem anderen Mann hat und Tommaso sich daraufhin zunehmend in wirren Visionen und Tagträumen verliert. Abel Ferrara ist seit jeher ein von mir favorisierter Filmemacher, jetzt nicht unbedingt, weil er ausschließlich unumwundene Meisterwerke im Akkord fertigt (beileibe nicht!), sondern eher, weil auch seine misslungenen Arbeiten zumeist noch interessanter sind, als der generische Ausschuss an "Produkt", den das filmindustrielle Fließband sonst so ausspuckt. Dem reinen Genre-Film hat Ferrara schon längst den Rücken gekehrt und werkelt stattdessen seit spätestens Mitte der 90er an wesentlich persönlicheren Projekten, die nicht unbedingt leicht zu verdauen sind. Sein hierzulande in Hinblick auf ein eher kunstsinniges Publikum arg überkandidelt betitelter "Tommaso und der Tanz der Geister" (der Original-Titel ist schlicht "Tommaso", und der ist auch völlig ausreichend) markiert in dieser Hinsicht quasi einen Höhepunkt, denn zum einen nimmt der Streifen als unapologetisches Arthouse-Kino mal keine Rücksicht auf den Zuschauer und liefert eher Zustands-Beschreibungen statt Handlung... und zum anderen ist schnell ersichtlich, dass die Titel-Figur hier als Stellvertreter für Ferrara selbst fungiert, der eine stark autobiografisch gefärbte Nabelschau hält und sich selbst dabei nicht immer in einem positiven Licht darstellt. "Tommaso und der Tanz der Geister" thematisiert mehr oder minder ungeschönt (oder so fühlt es sich zumindest an) die eigene Drogenabhängigkeit sowie Beziehungsprobleme und sogar die kreative Vorarbeit für seinen nächsten Langfilm "Siberia" von 2020, was für mich persönlich mit am interessantesten ist. So wird man mit dem Streifen folglich umso mehr anfangen können, je besser man mit dem Werdegang und Schaffen seines Machers vertraut ist. Dass Farrara seine tatsächliche Ehefrau und die eigene Tochter hier vor die Kamera gezerrt und den Film auch zum Großteil in der eigenen Wohnung in Rom gedreht hat, mag unter künstlerischen Gesichtspunkten im Sinne maximaler Authentizität durchgehen, aber irgendwie beschleicht einen doch die Vermutung, dass die Kammerspiel-artige Atmo zu einem nicht unerheblichen Teil auch dem beschränkten Budget geschuldet ist, denn im Grunde genommen hätte der Regisseur sich hier auch noch selbst spielen müssen, aber mit seinem Kumpel Willem Dafoe in der Hauptrolle kriegt man wohl die Finanzierung eher gestemmt. Der liefert dafür Performance-technisch aber auch wieder mal voll ab, schwankt in seiner Darstellung irgendwo zwischen Sympathie und Psychose und beschränkt sich nicht auf die reine Mimikry, was sich bei einem Weirdo wie Ferrara sicherlich angeboten hätte (zieht euch mal irgendein Interview mit dem rein, ey!). Ob es für die eigene Beziehung hilfreich ist, die eigene Frau permanent in Sex- und Nackt-Szenen zu featuren, sei mal dahingestellt, vom Feeling her steht die Ehe aber unter keinem guten Stern, und das nicht nur aufgrund des besagten Alters-Unterschieds. Erinnerungen an die Kollaborationen von Zulawski und der Marceau werden da wach, die hatten ebensolche Guckt-mal-wo-ich-drüberrutsche!-Vibes, wenn die zeigefreudige und wenig prüde Lebensabschnitts-Gefährtin als Trophäe auf dem Tablett präsentiert wird, aber die geraten diesem Film auch nicht zum Nachteil. Ganz zum Schluss balanciert "Tommaso und der Tanz der Geister" mit dem "Die Letzte Versuchung Christi"-Callback und Willem Dafoe erneut am Kreuz, was nur allzu offensichtlich als symbolische Selbstgeißelung des Regisseurs zu lesen ist, haarscharf an der Grenze zum prätentiösen Quatsch, insgesamt betrachtet ist der Streifen aber safe im grünen Bereich und für meine Begriffe Ferraras bester Film seit vielen Jahren.
9/10