Review
von schatzibobbers
Menschen und Schicksale an der deutsch-polnischen Grenze - ein Leben am Rande des Existenzminimums. Teilweise mit Handkamera gefilmt zeichnet Hans-Christian Schmid ein bedrückend realistisches Bild einer trostlosen Regien im scheinbaren Niemandsland, wo Träume genauso schnell platzen, wie sie geboren werden!
„LICHTER" verknüpft fünf unabhängige Handlungsstränge zu einem stillen Meisterwerk, das mit einfachen Mitteln eine seltene Dramaturgie entwickelt.
- Ein polnisches Ehepaar versucht das Geld für ein Kommunionskleid ihrer Tochter aufzubringen. Dabei arbeitet die Frau bei einem deutschen Matratzen-Zwischenhändler, der kurzerhand pleite geht, während ihr Mann rund um die Uhr Taxi fährt.
- Auf der deutschen Seite der Grenze lebt eine familienähnliche Gemeinschaft vom Zigarettenschmuggel. Um den Zoll zu umgehen, werfen sie Schmuggelware aus dem Zug und sammeln sie anschließend wieder ein. Ein Mädchen aus einer nahegelegenen Erziehungsanstalt sorgt für Verwirrung unter den jungen Männern.
- Ein Lkw lädt in Polen eine Gruppe Ukrainer ab und erklärt ihnen, sie seien bereits in Deutschland. Schnell erkennen die Männer und ein junges Ehepaar den Betrug und suchen verzweifelt einen Weg, um die Grenze zu überwinden.
- Ein deutscher Investor versucht mit seinem Architekten in Polen auf der grünen Wiese einen riesigen Gebäudekomplex zu errichten. Die polnische Dolmetscherin kennt einen der Planer von früher... doch alten Zeiten lassen sich selten aufwärmen.
- Die Polizei stellt einige der Ukrainer, als sie die Oder durchqueren. Die eingesetzte Dolmetscherin hat Mitleid mit dem Verhörten und versucht verzweifelt, ihm bei der Einreise nach Deutschland zu helfen.
Hans-Christian Schmid, der bereits mit „NACH FÜNF IM URWALD" und „CRAZY" herausragende Beiträge aus deutschen Landen lieferte, vereint geschickt die unterschiedlichen Geschichten und Charaktere zu einem funktionierenden sozialen Abbild der Region von Frankfurt an der Oder. Obwohl niemals Namen genannt oder Personen näher vorgestellt werden - die Einzelschicksale der namenlosen Protagonisten kommen authentisch und lebendig herüber. Angst ist überall spürbar, Unsicherheit macht sich breit, wenn man kurz vor dem Nichts steht!
Der Film bedient keine Klischees und lebt von einer depressiven Grundstimmung, ein Happy End scheint unvereinbar mit der Situation - nicht umsonst lautet der Streifen auf den Untertitel „Willkommen in der Wirklichkeit!". Der halbdokumentarische Stil macht deutlich, dass es sich hierbei keineswegs um einen Unterhaltungsfilm handeln kann.
Einen großen Beitrag dazu liefern die Schauspieler, bei denen man meinen könnte, dass sie wirklich direkt von der Straße aufgelesen wurden - was keineswegs negativ gemeint ist! Sie wachsen in ihren Rollen einfach über sich hinaus und sorgen für den puren Realismus.
Schmid gelang mit diesem Beitrag ein außergewöhnlicher Film für ein interessiertes, anspruchsvolles Publikum, der von seiner aufwühlenden Inszenierung, natürlichen Charakteren und einer bedrückenden Thematik lebt. Ein grandioses Meisterwerk, dass es in dieser Form sicherlich noch nicht gegeben hat!
(8,5 / 10)