Bereits der Titel verweist [Achtung: Spoiler!] auf Sergio Leone und seine Amerika-Trilogie, welche "C'era una volta il West" (1968), den auch "Once Upon a Time ... the Revolution" betitelten "Giù la testa" (1971) sowie "Once Upon a Time in America" (1984) umfasste; und zugleich verweist Tarantino hier auf seinen ebenfalls bereits Italo-geprägten "Inglourious Basterds" (2009), mit welchem er eventuell Filmgeschichte geschrieben, zumindest aber Geschichte umgeschrieben hat. Fielen dort Hitler, Goebbels und andere Nazis dem Kugelhagel einer Kampftruppe von Nazijägern zum Opfer, so ist es hier die Manson Family, die im Hollywood des Jahres 1969 ein alternatives Ende nimmt. Dass Rick Dalton, die schauspielernde Hauptfigur in "Once Upon a Time ... in Hollywood", in einem an "The Dirty Dozen" (1967) gemahnenden Film-im-Film ranghohe Nazis mit einem Flammenwerfer grillt, unterstreicht das Selbstzitat und die damit einhergehende Stoßrichtung schon früh im Film.[1]
Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) ist ein Schauspieler, dessen Stern zu sinken begonnen hat: zwischen TV-Serien, "Hullabaloo"-Auftritten und Italowestern-Angeboten hadert er mal weinerlich, mal jähzorning, mal eitel mit seiner schwächelnden Karriere, derweil sich sein Stuntman Cliff Booth (Brad Pitt) als Freund und Mädchen für alles längst mit einem doch eher armseligen Leben inmitten des Hollywood-Glamours abgefunden hat. Seit Jahren arbeiten Dalton und sein Stuntman Booth Seite an Seite – im August 1969 soll diese Partnerschaft nach Daltons Italo-Filmen ein Ende nehmen: Frisch aus Italien zurückgekehrt wollen beide am 8. August ihre langjährige Partnerschaft würdig abschließen. Es ist der Vorabend der Tate-LaBianca-Morde und passenderweise wohnt Dalton direkt neben Roman Polanski und Sharon Tate (Margot Robbie), der dritten heimlichen Hauptfigur des Films, die sich im Gegensatz zum Kollegen Dalton auf dem aufsteigenden Ast befindet. Und wie in "Inglourious Basterds" kommt alles ganz anders: Die Manson Family attackiert zunächst jene Filmbusiness-Leute, die ihnen auf Leinwänden und Mattscheiben das Töten eigentlich erst beigebracht hätten – und scheitert kläglich.
In zärtlich und ganz entspannt nebeneinander herlaufenden Strängen gebiert sich "Once Upon a Time ... in Hollywood" als 1.) märchenhafte und 2.) Leone-typisch mythisch anmutende Neuerzählung einer vergangenen Hollywood-Ära (als würde er darauf pochen wollen, dass bereits Leone mythischen Amerika-Epen ihren Ursprung auch in märchenhafter Umgestaltung des Wirklichen hatten): Es gibt keinen Glamour für Charles Manson, der hier samt seiner Family – trotz zweier Suspense-Szenen – der Lächerlichkeit preisgegeben wird, derweil Sharon Tate als niedlich-sympathische Newcomerin ausgiebig ihren Ruhm genießen kann und einer friedlichen, glücklichen Zukunft entgegebenblicken darf. Das ist Hollywoods Rache an der Manson Family und ihren Tate-LaBianca-Morden.
Bevor der Film in seinem Finale im frühen August 1969 seine Stränge um Dalton, Booth und Tate endgültig zusammenführt (und diesen Teil über ausgiebigen Voice-Over-Gebrauch vom umfangreicheren Februar-1969-Teil abtrennt), mäandern diese noch frei dahin. Dalton kann sich bei einem Western-Dreh seinen Text nicht merken, derweil Tate im Kino vergnügt ihren "The Wrecking Crew" (1968) betrachtet; und Booth rekapituliert sein (privates und) berufliches Scheitern, gabelt ein Manson-Family-Girl als Anhalterin auf und macht infolgedessen auf der Spahn Ranch erste Bekanntschaften mit der Manson Family. Ohne Hektik wechselt der Film zwischen den einzelnen Schicksalen, wenngleich Booth und Dalton aufgrund ihrer Partnerschaft noch recht eng miteinander verzahnt sind, und reiht unterhaltsame Anekdoten und vermutlich bis in den dreistelligen Bereich reichende Verweise und Anspielungen auf das Kino der 60er-Jahre aneinander: Der Film beginnt wie das New Hollywood, huldigt dann fortwährend vor allem auch dem späten Classical Hollywood und der Popularität des Italo-Genrefilms und zielt vereinzelt gar auf die Beklemmung des modernen Horror-/Terrorfilms des US-Films nach Manson. Im Finale schließlich setzt er dann seinen eigenen Mythos gegen den Mythos um die Manson Family.
Der Mythos Hollywood ist natürlich auch ein Mythos der andauernden Sexualskandale: Seit der Komiker Roscoe "Fatty" Arbuckle die Mittzwanzigerin Virginia Rappe mit einer Glasflasche und tödlichen Folgen vergewaltigt haben soll (was sich später dann als vermutlich ungerechtfertigte, aber karrieretödliche Verleumdung erwiesen hat), ist das von Underground-Filmer Kenneth Anger so bezeichnete "Hollywood Babylon" (1965/1975) immer wieder berüchtigt für lose Sitten, ausschweifende Exzesse und Machtmissbrauch: Der Weinstein- und #MeToo-Skandal, in den auch der Name Tarantino (aufgrund der langjährigen unkritisch-blinden Arbeit mit Weinstein oder des Umgangs mit Uma Thurman beim Dreh) vage verwickelt war, bildet die aktuelle Spitze. 1977 war es der Skandal um Roman Polanski, der im März des Jahres eine 13-Jährige nach einem Foto-Shooting mit Quaaludes versorgt und zu sexuellem Verkehr gedrängt hat, welcher für Schlagzeilen sorgte und 2008/2009 noch einmal neu hochkochte und kontrovers diskutiert wurde. Eine knappe Dekade später tauchte dann ein 2003 entstandenes Interview mit Quentin Tarantino auf, der den – in den USA aufgrund des Alters des Mädchens als rape gehandelten – Vorfall als gewaltlosen Vorgang bezeichnete, da das Mädchen es gewollt habe.[2] Erneut geriet Tarantino vor dem Hintergrund der abebbenden #MeToo-Kampagne zum Gesprächsthema.
Im fast acht Jahre vor diesem Skandal angesiedelten "Once Upon a Time ... in Hollywood" geistert zwar Rafal Zawierucha als Polanski umher, der spätere Skandal wird – trotz Poolpartys – aber nicht einmal andeutungsweise thematisiert. Im Gegenteil: Hier wird der Mittzwanzigerin Sharon Tate von einer Nebenfigur ein bestimmtes Beuteschema zugeschrieben und Polanski somit als jungenhaftes "Opfer" der tateschen Verlockung inszeniert, das wie ein 12jähriger Knabe aussehen würde.[3] All das wäre natürlich gar nicht der Rede wert, würde das Geschichte neu schreibende Ende nicht Sharon Tate überleben lassen. Was das für Polanski, der nunmehr zudem seinen Nachbarn Rick Dalton kennenlernen würde, bedeuten könnte, wird nicht ausgemalt: zumindest stünde keine tiefe Krise aufgrund der Ermordung der hochschwangeren Lebensgefährtin an. Mag es auch konkurrierende Verehrer im engen Umfeld geben, so wäre die glückliche Tate-Polanski zumindest für einige Zeit weitergeführt worden. Der riesige Polanski-Skandal jedenfalls müsste nicht mehr zwingend eintreten. Und in dem Hollywood, das Tarantino hier zeichnet, ist man zumindest so sittsam, dass Stuntman Booth (wenn auch nicht zuletzt aus rechtlichen Gründen) den Blowjob einer jungen, der Manson Family entstammenden Anhalterin ablehnt, weil er nicht sicher ausschließen kann, dass sie die 18 Jahre vielleicht doch noch nicht erreicht habe.[4]
Dass Tarantino nach #MeToo und seinen Weinstein-Beziehungen und dem Wirbel seiner älteren Äußerungen zum Polanski-Fall ein derartig anständiges Hollywood ausmalt, kann irritieren. "Once Upon a Time ... in Hollywood" korrigiert nicht bloß den Verlauf der Geschichte und verweigert den MörderInnen der Manson Family ihren pervertierten Ruhm, um stattdessen die Aufmerksamkeit auch sehr stark auf Sharon Tate zu richten, die damit geradezu eine Liebeserklärung erhält (was wohl die Prämisse des ganzen Projekts war), sondern "Once Upon a Time ... in Hollywood" korrigiert auch das Bild von Hollywood, das von #MeToo oder zuvor von Anger in "Hollywood Babylon" gezeichnet worden war (was wohl eher einen unbeabsichtigten Nebeneffekt darstellt).
Vielleicht könnte man sowohl die notwendigerweise alternative Zukunft Polanskis als auch die Beherrschtheit von Stuntman Booth angesichts der Verführung einer jungen Frau noch als unbedeutsamen Zufall abtun. Interessant ist dann aber noch der Umstand, dass der Karriereknick von Booth auf das Verlangen einer starken Frau (Zoë Bell) am Set zurückgeht, deren Partner (Kurt Russell) ihren Anweisungen Folge leistet: Nachdem er Bruce Lee (Mike Moh) erst lächerlich gemacht und dann im Kampf den Star und einen Kleinwagen gleichermaßen lädiert hat, verliert er seinen Posten. Die Ablehnung dieser Frau, die (auch über ihren gehorsamen Mann) die Karriere von Booth beschädigt, glaubt für ihr Verhalten gute Gründe zu haben, denn Stuntman Booth – und hier lässt "Death Proof" (2007) mit Stuntman Mike grüßen, was auch die Besetzung mit Russell und Bell erklärt! – sei ein Frauenmörder. Und in der Tat geht das Gerücht um, dass Booth seine Frau ermordet habe und damit durchgekommen sei. Trotz Freispruch durch die Justiz ruiniert ein Vorwurf der Misogynie hier somit die Karriere eines Mannes im Filmgeschäft. Eine Erinnerungs- oder Imaginationssequenz lässt offen, was an den Vorwürfen dran ist: Tarantino begnügt sich damit, Mrs. Booth als gehässige, nervtötende Plappertante darzustellen, woraufhin Booth eine leicht phallische Harpune auf sie richtet: mit dieser "Sie hätte es durchaus verdient"-Attitüde variiert Tarantino nochmals den grimmigen Gag um Bridget Fondas Ableben in "Jackie Brown" (1997), dessen "The Graduate"-Zitate hier ebenfalls noch einmal aufgegriffen werden.
Und vielleicht lohnt es sich, noch einmal die Erinnerungen an einen anderen großen Film über das Leben in Hollywood aufzufrischen: Mark Robsons "Valley of the Dolls" (1967) – von Russ Meyer später als "Beyond the Valley of the Dolls" (1970) verballhornt – zeigte ebenfalls drei ganz unterschiedlich verlaufende Karrieren in Hollywood. Von den drei weiblichen Hauptfiguren macht indes nur eine Karriere; eine zweite endet im Medikamentenmissbrauch und eine dritte, gespielt von Sharon Tate, im Pornobusiness und im Suizid. "Valley of the Dolls" wird in "Once Upon a Time ... in Hollywood" explizit im Dialog erwähnt (als Tate mit einer Dame an der Kinokasse spricht) – von dieser anklagenden, wenngleich kolportagehaften Hollywood-Kritik bleibt bei Tarantino jedoch wenig übrig: Tate, die bei Robson und im realen Leben scheiterte, hat hier das schönste aller erdenklichen Happy Ends, derweil es die Männer sind, die hier ungewisseren Schicksalen entgegenblicken.[5]
In solch einem konstruierten Spät-60er-Jahre-Hollywood, in dem sich reife Männer nicht von jüngeren Frauen verführen lassen, in dem Frauen durchaus das Sagen am Set haben und in dem unbestätigte Vorwürfe der Gewalt gegen Frauen Vorverurteilungen und Karriereenden für Männer mit sich bringen und in dem Roman Polanski vielleicht einer skandalfreieren Zukunft als glücklicher Familienvater entgegengeht, siedelt Tarantino seine Handlung also an. Ob man darin einen Affront sehen will oder nicht, muss man selbst entscheiden. Dass er in diesem idealisierten Setting stereotype Figuren ansiedelt, die sich der (von Hollywood geprägten) Populärkultur eher verdanken als der Realität, mutet allerdings etwas geschmacklos an: Tate/Robbie, so sehr ihr (und anderen Frauen) der Regisseur auch samt der Kamera zu Füßen liegt (als würde diese verehrende Demutsgeste die oben dargelegten Umstände ausgleichen), ist eine reine Verklärung. Lebensfroh und niemals unwirsch genießt sie das Leben, schlendert stets lächelnd durch die Straßen und erfreut sich im Kino am Vergnügen des Publikums an (nicht nur) ihrer Leistung in "The Wrecking Crew". Margot Robbie gibt ihre Tate unglaublich sympathisch, mit vereinnahmenden Lächeln und strahlenden Augen; angesichts ihrer Leistungen in "Suicide Squad" (2016), "I, Tonya" (2017) oder "Mary Queen of Scots" (2018) eine erstaunliche Wandlung, aber auch eine realitätsferne Verklärung einer Schauspielerin zum engelsgleichen Wesen (was den Liebeserklärungscharakter des Films ausmacht); dass diese Tate selbst dann noch sympathisch wirkt, wenn sie sich freien Eintritt ins Kino erbittet, derweil die Frau an der Kasse daneben eine in jeder Hinsicht weniger gute Figur abgibt, hat zudem etwas Despektierliches gegenüber allen Nicht-Leinwand-Göttinnen an sich. Ärgerlicher fallen die nervigen Frauenfiguren aus: Die (verstorbene) Gattin von Booth, Janet/Bell am Set, das Manson-Girl, das die Idee hat, auch Dalton und Booth zu attackieren und dann später am heftigsten (und zur launigen Unterhaltung des Publikums) leiden muss. Hinzu kommen rein zur Deko verkommende Tänzerinnen, die sich (etwa in einer fiktiven "Hullabaloo"-Folge) der erotisierten Mode und der Populärkultur jener Zeit verdanken und die stereotypen Männerfiguren: der eher hässlich wirkende Manson-Jünger auf der Spahn Ranch, der sich als völlig kampfuntauglich und nicht besonders helle entpuppt; der wenig charismatische, aber bereits etwas einflussreichere Handlanger Mansons, der sich außerhalb der Family nicht durchsetzen kann und am Ende tatsächlich die bei Tarantino so wichtigen Eier verliert; der um seine Männlichkeit ringende Waschlappen (Russell); der großmäulige Filmstar, der dann nicht halten kann, was er selbstverliebt und marktschreierisch für sich in Anspruch nimmt (Mohs Bruce Lee); der eitle, ignorante, abseits der Leinwand nicht ganz so mutige, selbstmitleidige und recht realitätsfern-abgehobene, aber noch immer zumindest ausreichend zugkräftige Star (DiCaprios Rick Dalton) und sein beherrschter, tat- und schlagkräftiger Stuntman und Kumpan (Pitts Cliff Booth), dessen Narben auf dem muskulösen Körper seine ereignisreich-abenteuerliche Geschichte in seinen Leib geschrieben haben, markieren unterschiedliche Abstufungen auf einer Männlichkeitsskala, wobei mit dem Schwund an Maskulinität auch eine anwachsende allgemeine Geringschätzung einhergeht.
Inmitten des doch etwas verqueren Hollywood-Bildnisses scheinen solche Stereotype des populären Films besonders unangemessen zu sein, insofern unschöne stereotype Geschlechterrollen in einer ziemlich geschönten Variation jenes Ortes – jener Traumfabrik – angesiedelt werden, an dem sie entstehen.
Das lässt sich schwerlich schönreden und wäre auch dann nicht als Missstand beseitigt, wenn man davon ausgehen würde, dass bereits der ganze Film und nicht bloß sein Finale historische Situationen und Verläufe enorm verzerrt... was zum Ende des Films führt, das angesichts von "Inglourious Basterds" und vor dem Hintergrund von Tarantinos dringlichen Bitten, nicht zu spoilern, erstaunlich unoriginell verläuft. Schlimmer als der Umstand, das erneut (und nunmehr recht unoriginell) ein historischer Verlauf um 180° umgeschrieben wird, wiegt die Rückkehr zur kathartischen drastischen Gewalt gegen die vermeintlich schlechten Menschen. Hatte "The Hateful Eight" (2015) Tarantinos früheres Motiv der kathartischen Rache geschickt variiert, insofern die Rächer ihrerseits (wie viele Vorbilder aus den Filmproduktionen seit der 68er-Bewegung) ohnehin keine Saubermänner mehr waren und insofern am Ende zwei tief verfeindete, jeweils eher amoralische Männer ihre Verbrüderung beschließen, um gemeinsam der verhassten Frau ein unnötig langsames Ableben zu bescheren, das für beide Männer zwar ungemein befriedigend, für große Teile des Publikums aber (hoffentlich) eher verstörend und beklemmend ausfallen dürfte. Von dieser verstörenden misogynen Gewalt, der eine mehrdeutige Debatte über gerechte Bestrafung und über leidenschaftliche Bestrafung vorangegangen sowie eine gewisse "Woman Is the Nigger of the World"-Attitüde vorangegangen waren und die somit im Vorfeld von #MeToo als Statement gegen frauenverachtende Männerbündnisse ganz trendy daherkam, hebt sich "Once Upon a Time ... in Hollywood" – der als erster Tarantino-Film nach #MeToo eher ein (intellektuell schwachbrüstiges) Anti-#MeToo-Statement ist – gehörig ab: hier ist die Gewalt wieder sehr befriedigend, hier sind die strafenden Hauptfiguren wieder vergleichsweise sympathisch (auch wenn Dalton ein abgehobener, eitler Geck ist und Booth dem Verdacht ausgesetzt ist, dass er seine Frau getötet haben könnte). Dass das Manson-Girl, dem mit einer Dose Hundefutter empfindlich das Gesicht verbeult wird, noch eine Hundeattacke und einen Flammenwerferangriff erdulden muss, ehe ihr Leichnam verkohlt im Pool treibt, reizt in Verbindung mit ihrem verzweifelten Dauergeschrei und ihren unkoordinierten Luftschüssen sowie mit der völlig perplexen, humorig inszenierten Reaktion des überraschten Rick Dalton das Publikum zum Lachen. Hier holt sich Hollywood eine Zufriedenheit zurück, welche einst von der Manson Family erschüttert worden war, die nun der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Das ist nicht bloß eine Rache Hollywoods an der Manson Family oder eine (überzogene und in Rick Daltons Fall auch noch über eine krasse Geringschätzung der Hippies motivierte) Notwehraktion, sondern auch ein ausgestreckter Mittelfinger Tarantinos an Teile seiner Kritiker, die in grafischer Gewaltdarstellung einen Nachahmungen fördernden Vorbildcharakter erblicken. Denn das Manson-Girl, das am ausgiebigsten leidet, ist auch diejenige, die überhaupt auf die Idee kommt, auch Film- und TV-Star Dalton anzugreifen – mit der eher wirr vorgetragen Begründung, dass man somit diejenigen töten würde, die ihnen auf Leinwänden und Bildschirmen das Töten erst beigebracht hätten.
Hiermit fällt Tarantino letztlich wieder in die allzu billige Masche zurück, Unmenschen in Szene zu setzen, deren gewalttätige und qualvolle Vernichtung dann zur kathartischen Mordsgaudi für ein gewilltes Publikum geraten kann.
Somit fällt Tarantinos jüngster Film im Vergleich mit seinem Vorgänger wieder etwas ab; entbehrt aber keinesfalls kleiner Highlights und großer Momente: Die Ausstattung ist schon imposant, die Besetzung ebenso; die musik- und radioprogrammuntermalten Autofahrtssequenzen sind nicht bloß audiovisuell beeindruckende Passagen im Sinne Béla Balázs', sondern sorgen etwa im Fall der ersten Heimfahrt von Cliff Booth allein über Länge und Verlauf der Strecke für eine Charakterisierung der Figur und des umgebenden Milieus. Großartig ist auch der (gewitzt ersonnene) Besuch auf der Spahn Ranch: Hier, in dieser Zelle der Manson Family, gewinnt der Film in schäbig-heruntergekommenen Innenräumen mit qualvoll verreckenden Ratten in der Falle und mit Untersichten beim Zuschreiten auf das obskure Anwesen eine beklemmende Qualität, die den modernen Terrorfilm ab 1968 gerade Anfang/Mitte der 70er Jahre vielfach auszeichnete; die Auswirkung der Tate-LaBianca-Morde (als Bestandteil der allgemeinen Grausamkeiten der Jahre '68 und als tiefe Erschütterung der Hippie-Szene) auf die US-amerikanische Filmwelt wird hier als formale Qualität an die Sitzstätte der Gruppierung gebunden. Und auch das filmische Denkmal für Sharon Tate ist an sich erbaulich, wenngleich die merkliche Abwertung der danebengestellten Durchschnittsfrau an der Kasse oder das Bruce-Lee-Bashing in solch einem Kontext dann einen besonders unfeinen Nachgeschmack entwickeln.
Wenn man sich mit solchen möglichen Steinen des Anstoßes arrangieren kann und das US-amerikanische und europäische Kino der 60er Jahre wertschätzt, dann bietet "Once Upon a Time ... in Hollywood" gute und weitgehend sauber erarbeitete Unterhaltung. Ein Meisterwerk hat der überschätzte Kultfilmer aber auch hiermit nicht abgeliefert... und zitierte Werke wie "The Graduate", "Joanna" (1968), "Targets" (1968) oder "Tess" (1979) bieten weitaus mehr.
7,5/10
1.) Und auch dieser Flammenwerfer variiert im Grunde noch einmal "Inglourious Basterds": Dort haben die Nazijäger mit Baseballschlägern Waffen der Neonazis erhalten. Im aktuellen Film(-im-Film) werden Nazis von der (von Rick Dalton verkörperten) Hauptfigur per Flammenwerfer vernichtet: Dort nutzt der Nazijäger also jene Waffe, mit der die SS Romy Schneiders Clara in "Le vieux fusil" (1975) skandalträchtig ermordet hat.
2.) Zu diesem Zeitpunkt konnte Tarantino die Schilderung Polanskis in seiner Autobiografie "Roman by Polanski" (1984) gelesen haben; Geimer veröffentlichte ihre umfangreiche Darstellung in "The Girl" (2013), in der sie Polanskis Beschreibung eines Liebesaktes widerspricht, erst drei Dekaden später – also zehn Jahre nach Tarantinos Interview. (Gravierender wiegt, dass Tarantino bei seinem Bruce-Lee-Bashing nicht ganz sauber recherchiert haben soll – was ihm einen Streit mit Lees Tochter sowie einige Rassismus-Vorwürfe eingebracht hat.)
3.) Polanski, der fast zehn Jahre älter war als Tate, wird hier übrigens von einem Darsteller gespielt, der bloß noch fast vier Jahre älter ist als Tate-Darstellerin Robbie.
4.) Gespielt wird diese eventuell noch nicht volljährige Anhalterin von der 24jährigen Margaret Qualley.
5.) Alles in allem scheint es kein reiner Zufall zu sein, dass Tarantinos Film von Unbekannten in einer – allerdings auch nicht gerade aufgeklärten – Plakataktion als "Once Upon a Time ... in Pedowood" beworben worden ist.