Free Ballin' !!!
Quentin Tarantino hat Eier. Die einen lecken sie, die anderen können sie nicht mehr baumeln sehen - um es mal provokant und unnötig ordinär auszudrücken. Ich bin zwar klarer Fan, versuche Ersteres aber zu unterlassen. Oder zumindest nicht bis zum Wundsein zu treiben. Und dennoch: „Once Upon a Time in Hollywood“ hat mir gut gefallen. Richtig gut. Vielleicht nicht sein bester Film, aber dennoch ein herausragendes, reifes, relaxtes und fast schon weises „Spätwerk“, sollte er denn seine „nur 10 Filme“-Drohung wirklich wahr machen. Was natürlich sehr schade wäre. Es ist seine ganz spezielle Ode an die Traumfabrik und das Umbruchjahr '69. Sicher nicht jedermanns Sache, vor allem Gelegenheits-Tarantino-Gucker oder seine Erfolgsfans könnten sich langweilen bis anekeln - Ersteres auf Grund keiner echten, zugkräftigen Story, Letzteres vor allem auf Grund seines enormen, nicht zu übersehenden Egos - doch wie gesagt, der Mann hat eben... Erraten! Er macht Filme für sich, die ER gerne sehen würde, gibt kaum einen F*ck, hat ein heftiges Filmwissen, Sinn für feine Details und einen unverkennbares Gespür für Style. Swag hat der Mann, würde man heute wohl sagen. Und den kann ihm keiner nehmen oder weghaten - denn keiner „collagiert“ derart fetzig wie er. Und das geht weit übers Klauen, Kopieren, Abpausen hinaus, was jeder Künstler weiß.
In dieser nostalgischen, mäandernden Vignetten-Komödie mit Genreeinschlägen von Western über Action bis Horror, folgen wir zwei „Hollywoodguys“ alter Schule, Rick Dalton und seinem Stuntman Cliff Booth. Beide im mittleren Alter, in einem Karrieretief, beide sehen einer unsicheren Zukunft entgegen in einer sich vehement ändernden Zeit voller Hippies, Sekten und New Hollywood. Doch ihre tiefe Männerfreundschaft hält nicht nur die beiden über Wasser, sondern ist auch der Kern dieses Kabinettstücks, zu dem ich genau wegen diesen beiden Typen (und Darstellern!) gerne weitere Male zurückkehren werde. DiCaprio und Pitt sind zwei der vielleicht letzten großen Hollywoodstars und sie als Doppelspitze in Spiellaune - wundervoll! Man folgt ihnen einfach gerne durch den Alltag und eine kohärente Geschichte mit Ziel und Zug ist dafür gar nichtmal nötig. Oder wird nur zwischendurch bei kleineren Pausen vermisst. Ansonsten hatte ich eine saugute Zeit. Sei es mit einem betrunkenen, leidenschaftlichen Dalton am Western-Set oder einem arschtretenden Booth im Kampf gegen Bruce Lee, der dann (zum Glück) doch nicht ganz so sehr zur Witzfigur gemacht wurde wie vorher befürchtet. Dennoch hätte man die durchaus jetzt schon ikonische Szene auch anders, noch geiler und vor allem respektvoller für alle Beteiligten gestalten können. Aber das sind kleine Mängel. Die meiste Zeit rockt diese Fahrt durch die Hollywoodhills. An Chameos und popkulturellen/filmischen Anspielungen wimmelt es, was zu erwarten war, der Soundtrack ist mal wieder kaufenswert (ebenfalls zu erwarten) und die letzten zehn Minuten lassen das Publikum toben und gestalten ein herrliches „Was wäre wenn“-Szenario zwischen Schock, Gerechtigkeit, Rache und Fantasie. Ebenfalls süß waren die Szenen mit Sharon Tate in ihrem eigenen Film. Allgemein kann „Once Upon a Time in Hollywood“ als Hommage und Ehrung solcher „kleinerer“ Sternchen und Filmchen dieser prägenden Ära verstanden werden. Von „The Wrecking Crew“ bis „Il Mercenario“, von Autokinos bis zum Studiogelände, von der Mansion Family bis zur Playboy Mansion. Was für eine Zeit... Was für ein lässiger Film!
Fazit: vielleicht der Film, in dem am wenigsten passiert und den ich dennoch nicht enden sehen wollte. Das schafft kaum ein anderer Regisseur. Zeitreise, Liebesbrief, Überraschung, Anti-Mainstream. Der stylischste Hängerfilm aller Zeiten?! Wie ein seltsames, verträumtes und dauerhighes Baby aus einem Sergio Leone-Western und dem „Big Lebowski“. Klingt komisch, kommt aber hin. Vor allem für gechillte, geduldige Filmnerds und Tarantino-Fans ein Genuss. Seine Klassiker treffen auf seinen neueren Stil. Geschwätzig, gesetzt, entschleunigt. Und grandios aus der Zeit gefallen! Kino in Reinform aus dem Kosmos eines (zu?) selbstbewussten Genies.