„Warum halten wir alles für tot, was nicht so lebt, wie wir das Leben leben?“
In der von (vermeintlichen?) übersinnlichen Phänomenen begeistern bzw. zumindest für sie offenen Mitte der 1970er, genauer: im Jahre 1975 drehte der gebürtige Österreicher Peter Patzak („Kottan ermittelt“) als eines seiner Frühwerke den Episoden-Horrorfilm „Parapsycho – Spektrum der Angst“, der sich den Themen Reinkarnation, Metempsychose und Telepathie widmet und sich einen pseudo-authentischen Anstrich gibt.
Nach diesen drei Themen wurden dann auch die einzelnen Episoden benannt: „Reinkarnation“ handelt vom Handlungsreisenden Harry (Peter Neusser, „Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin“), der auf einem Kalender durch Zufall das Bild eines Schlosses entdeckt und wie magisch von ihm angezogen wird. Er unternimmt einen Abstecher dorthin und wird vor Ort bereits erwartet – sowohl vom Hausmeister (Leon Askin, „Der Schinderhannes“), als auch von einer später hinzustoßenden schönen Frau (Marisa Mell, „Nackt über Leichen“)… In „Metempsychose“ unterhält ein Professor (William Berger, „Keoma – Melodie des Sterbens“) eine Affäre mit seiner Studentin Denise (Mascha Gonska, „Mein Vater, der Affe und ich“). Ein Autounfall kostet seine Frau das Leben, was Tochter Debbie (Debra Berger, „Black Emanuelle - 2. Teil“) nicht verkraftet. Diese wird stationär psychiatrisch behandelt. Der Professor möchte sich von Denise trennen, ohne zu ahnen, damit weitere ihm nahestehende Frauen ins Unglück zu stürzen… „Telepathie“ nutzt der sinistere Maler Mario (Mathieu Carrière, „Zugzwang“), um die frisch vermählte Barbara (Alexandra Drewes) gefügig zu machen, während ihr Ehemann Michael (Helmut Förnbacher, „Bratkartoffeln inbegriffen“) sie verzweifelt sucht. Gibt es noch eine Rettung für Barbara?
Peter Patzak versieht seinen Film mit einem sehr stilsicheren Schreibmaschinen-Intro (das auch zwischen den Episoden als Intermezzo Verwendung findet): Man sieht das Gerät diverse den Wahrheitsgehalt übersinnlicher bzw. „parapsychologischer“ Phänomene untermauernde sowie erläuternde Informationen zu Papier bringen, was „Parapsycho – Spektrum der Angst“ einen gewissen Reportage-/Dokumentarfilm-Anstrich verleiht. Zur dominant eingesetzten Klaviermelodie „Für Elise“ entblättert sich dann in sehr gemächlichem Tempo die erste Episode, die in zunächst biederer TV-Film-Ästhetik überraschend die nackten Tatsachen Marisa Mells präsentiert und mit einer netten, wenn auch eher unspektakulären Pointe aufwartet – wenn man bis dahin nicht eingeschlafen ist.
Schon mehr in sich hat es da die zweite Episode, die neben noch viel mehr nackter Haut mit nicht uninteressanten Dialogen und Überlegungen zu Liebe und Partnerschaft auftrumpft und eine unheilige Drei- oder gar Vierecksbeziehung letztlich quasi komplett auslöscht. Diese Episode rettet den seltsamen Charme aus der vorherigen herüber und füllt sie mit mehr Leben und stellenweise prickelnder Erotik, welche sie jedoch jäh durch echte Bilder aus der Pathologie unterbricht, die ich nun wirklich nicht in einem fiktiven Unterhaltungsfilm sehen möchte. Unappetitlich und schockierender als die eigentliche Pointe, die dadurch an Wirkung einbüßt. Ganz schlechter Stil.
Die letzte Episode setzt einmal mehr stark auf den Erotikfaktor, resultierend aus einer sich überwiegend nackt zeigenden Alexandra Drewes als Telepathie-Opfer eines verrückten Malers, lebt zudem von Mathieu Carrière Darstellung des exzentrischen, unheimlichen, sadistischen Schönlings, verliert darüber aber die Geschichte etwas aus den Augen. Maler Mario versucht seine Impotenz mit Erniedrigungen seiner Telepathie-Opfer zu kompensieren, die ihm als willenlose Marionetten ausgeliefert sind. Wie sich das Opfer letztlich vom telepathischen Einfluss Marios befreit, erschloss sich mir nicht ganz, auch hätte etwas tiefergehende Charakterzeichnung der Episode sicherlich gut getan. Dafür klingt der sphärische Synthesizer-Soundtrack aber ganz wunderbar und wirkt Marios eiskalter Sadismus tatsächlich beunruhigend.
Alles in allem ist es schon ein eigenartiges Werk, das Patzak hier kredenzt. Es hat durchaus seinen Charme und seine Qualitäten. Die Exploitation gewinnt jedoch die Oberhand über immer mal wieder durchblitzende Mystik- und Gruselatmosphäre und steht vor allem im (wie ich finde sehr interessanten) Kontrast zum gräulich-matten teutonischen Fernseh-Look. Daraus zieht er trotz dramaturgisch fragwürdigem Beginn ein Überraschungspotential (zu dem auch die Besetzung von teils internationalem Format zu zählen ist), das er durchaus zu nutzen versteht. Nichtsdestotrotz ist „Parapsycho – Spektrum der Angst“ in erster Linie ein obskures Genreflickwerk aus deutschen Landen, das von wirklich guter Horror-Unterhaltung ein ganzes Stück entfernt ist, jedoch krude genug die gewissen Freiheiten der 1970er ausnutzt, um auch heute noch nicht nur von rein filmhistorischem Interesse zu sein.