Mit „Alone in the Dark“, bei uns „Zwei Stunden vor Mitternacht“, bewies New-Line-Cinema-Präsident Robert Shaye Gespür: Sein Studio beackerte erstmals das Slasherterrain, auf dem man zwei Jahre später mit „Nightmare on Elm Street“ einen Bombenerfolg haben sollte, und ermöglichte Jack Sholders Spielfilmdebüt, der New Line später mit „Nightmare on Elm Street 2“ ein erfolgreiches Sequel und mit „The Hidden“ einen weiteren Genreklassiker bescheren sollte.
Es fängt mit einer Alptraumsequenz an, die als normale Diner-Szene beginnt, an der allenfalls die andersweltliche Ausleuchtung auffällt, ehe das Ganze zunehmend absurder und horribler wird. Ein Priester betritt das Restaurant, bestellt das Übliche, bekommt dann aber einen unzubereiteten Riesenfisch serviert, ehe der Koch aus der Küche kommt und den Mann mit einem Riesenmesser zerteilen will. Zurück in der Realität sehen die Verhältnisse anders aus: Der träumende Priester Byron Sutcliff (Martin Landau) sitzt in einer Klapse, deren Chef wiederum Dr. Leo Bain (Donald Pleasence) ist – der Koch aus dem Traum. Damit geht „Alone in the Dark“ etwas über den normalen Auftaktschock hinaus, verbildlicht es doch die Wahrnehmung der Anstaltsinsassen, zumindest der gefährlichen.
Denn vier gefährliche Exemplare hat die Nervenheilanstalt zu bieten, wie der neue ankommende Dr. Dan Potter (Dwight Schultz) erfährt. Neben dem pyromanischen Priester Byron sind dies der paranoide Veteran Frank Hawkes (Jack Palance), der pädophile Riese Ronald ‘Fatty‘ Elster (Erland van Lidth) und der Serienmörder John ‘Bleeder‘ Skaggs (Phillip Clark), so genannt, weil seine Taten Nasenbluten bei ihm auslösen. Da der etwas neben Spur stehende und blumenkindhaft wirkende Leo seinen Patienten größtmöglichen Freiraum gewähren will, gibt es nur ein elektronisch betriebenes Sicherheitssystem auf der Hochsicherheitsetage, das im Notfall blitzschnell den Laden dichmacht, aber keine festen Gitter oder Sicherheitstüren. Bisweilen erscheint Leo nicht nur als weltfremder Naivling, sondern so, als ob er gleich selbst in sein Etablissement gehöre.
So kommt es, wie es kommen muss: Es gibt einen Stromausfall in der Stadt, woraufhin das Mörderquartett stiften geht. Dummerweise hat sich Frank, ihr Quasi-Anführer, in den Kopf gesetzt, dass Dan seinen Job bekommen hat, weil er seinen Vorgänger umgebracht hat, den Frank sehr schätzte. Und nun wollen die irren Verbrecher Rache…
„Alone in the Dark“ ist kein reinrassiger Slasher. Es gibt hier offensichtlich mehrere Killer anstelle eines Einzelgängers, die häufig genutzte Whodunit-Komponente fällt auch flach, dafür gibt es Motive des Psychothrillers und des Home-Invasion-Films. Und doch sind da genug Slasher-Anteile, um ihn dem Genre zuzuordnen, vor allem was die Ausgestaltung der Mordszenen angeht. Denn nach dem Ausbruch, der natürlich nicht ohne Tote abläuft, kann sich das irre Quartett in einem Sportgeschäft mit allem ausrüsten, was man fürs Creative Killing braucht, darunter Armbrüste, Messer und Baseballschläger. Bleeder schnappt sich bei dem Besuch nicht nur eine Hockeymaske (nur wenige Monate nach Jason in „Und wieder ist Freitag, der 13.“), sondern meuchelt auch gleich einen Van-Besitzer mittels Gartenkralle. Da die Irren nunmal irre sind, folgen sie keiner besonderen Logik, sondern überfahren einfach auch mal den Postboten, wenn Byron dessen Mütze begehrt. Doch die Morde bieten schon den einen oder anderen harten Effekt und ein paar unangenehme Momente – etwa ein via Armbrust an einen Baum genageltes, noch lebendes Opfer im Showdown, sichtbar für alle im Haus, dem jedoch keiner zu Hilfe kommen wird, weil sich niemand nach draußen traut. Das eine oder andere Spannungskabinettstückchen ist auch dabei, etwa wenn Messerfan Byron sich unter dem Bett versteckt und die Matratze wieder und wieder mit einer Klinge durchstößt, während ein potentielles Opfer verzweifelt auszuweichen versucht. In dieser und anderen Sequenzen spielt Sholder auch geschickt mit der Kindheitsangst vom Monster im Schrank oder unter dem Bett – bezieht sich der Originaltitel „Alone in the Dark“ doch unter anderem darauf, dass Toni seit einem Nervenzusammenbruch Angst vor den Dingen hat, die im Dunkeln lauern mögen, wenn man allein unterwegs ist.
Auch sonst hat „Alone in the Dark“ die eine oder andere gelungene Spannungspassage – etwa wenn Dans Tochter Lyla (Elizabeth Ward) nach der Schule nach Hause kommt und dort ausgerechnet den pädophilen Fatty vorfindet, der sich als Babysitter vorstellt. Dans Familie besteht glücklicherweise nicht nur aus Pappkameraden. Neben Lyla gibt es da noch Dans verständnisvolle Ehefrau Nell (Deborah Hedwall) und seine flippige Schwester Toni (Lee Taylor-Allan). Doch auch andere Figuren wie der besorgte Pfleger Ray Curtis (Brent Jennings) besitzen genug Profil und Sympathiewerte, um über reine Metzelmasse hinauszugehen. Wo es auch Vertreter davon gibt, etwa diverse Zufallsopfer der Mörder. Außerdem hat Sholder, der auch das Drehbuch schrieb, ein paar ganz pfiffige Ideen. So kann man einen ironisch-kritischen Blick auf die amerikanische Gesellschaft erkennen, wenn bei dem Stromausfall direkt die plündernde Meute durch das Städtchen zieht oder die Polizei Anti-Atomkraft-Protestierende mit genüsslicher Freude in U-Haft hält. Toni hat nicht nur ein Faible für Proteste dieser Art, sondern auch für Punkrock, weshalb sie ihren biederen Bruder und dessen Frau in einen entsprechenden Schuppen schickt. Dort wiederum hat Sholder die nächste ironisch-pfiffige Idee, wenn die Band einen Song übers Schlitzen performt und mit übergroßen Mordinstrumenten aus Pappmaché herumrennt. In der augenzwinkernden Endszene wird genau dies dann nochmal aufgegriffen. Der Showdown hat zudem eine waschechte Überraschung zu bieten, die für Spannung und Schocks sorgt.
Seinen Frühwerkcharakter wird „Alone in the Dark“ allerdings weder schreiberisch noch inszenatorisch komplett los. So mag es intradiegetisch durchaus Sinn machen, dass die Irren keiner klaren Logik oder keinem ausgeklügelten Plan folgen, doch bisweilen scheint es nur den Drehbuchkonventionen geschuldet, dass sie sich mal Zutritt zum Haus verschaffen und teilweise sogar Morde dort begehen, dann aber immer wieder abziehen – man merkt, dass der Film den „Assault on Precinct 13“-artigen Showdown, indem Familie Potter plus weitere Nebenfiguren von den Irren belagert werden, etwas herauszögern muss. Warum weder die Polizei, die nach dem Auftauchen von Fatty im Potter-Haushalt gerufen wird, noch die Familie zwei Leichen in einer kleinen Abstellkammer bemerken (dort hätte sich ja auch Fatty verstecken können), fragt man Sholder ebenfalls lieber nicht. Auch auf der Regieseite wirkt „Alone in the Dark“ noch etwas roh und unbehauen: Nicht alle Szenenübergänge sind sauber, nicht immer findet das Ganze einen richtigen Flow, sodass am Ende einfach ein wenig Feinschliff fehlt.
Umso bemerkenswerter ist dann die Besetzung, die man für die erste eigene New-Line-Produktion überhaupt zusammentrommeln konnte. Jack Palance spielt den methodischen, jähzornigen No-Nonsens-Killer mit Charisma, während Martin Landau seinen durchgeknallten Priester mit fieser Fresse und manischer Energie gibt. Erland van Lidth bringt seine unheimliche körperliche Präsenz mit, während man von Phillip Clark drehbuchbedingt wenig zu sehen bekommt. Ein Schwachpunkt ist ausgerechnet Dwight Schultz in der Hauptrolle – sein Dan Potter ist eine graue Maus, was vielleicht auch Sinn der Sache sein soll, lässt ihn aber als Gegenpol zu den Schurken nur umso schwächer erscheinen. Mehr in Erinnerung bleibt Lee Taylor-Allan als aufgedrehte, aber erfreulicherweise mal nicht verantwortungslose Schwester. Donald Pleasence als leicht durchgedrehter Doc, der bedingungslos an Resozialisierung glaubt, seinen Patienten Freiraum gewähren will, aber auch mal damit droht sie aufzuschlitzen, wirkt bisweilen wie eine Parodie seiner Rolle als Dr. Loomis aus dem Genre-Übervater „Halloween“, aber ist wohl auch genauso angelegt. In einer frühen Rolle ist auch Lin Shaye, ihres Zeichens spätere Horrorikone und Schwester von New-Line-Head-Honcho Robert, als Rezeptionistin zu sehen.
„Alone in the Dark“ mag vielleicht nicht zu den Großen des Schlitzerfilms gehören oder ein verkannter Geheimtipp sein, aber es ist ein solider Vertreter aus der zweiten Reihe des Genres. Die Schurken hinterlassen Eindruck, Sholder hat als Regisseur und Drehbuchautor auch einige pfiffige Ideen, leistet sich in Sachen Dramaturgie und Inszenierung aber auch ein paar Schnitzer. Als Erstlingswerk respektabel, aber auch mit ein paar der üblichen Schwächen.