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„Ein bisschen Frieden ... das wünsch ich mir"

„Si vis pacem para bellum", also „Wenn du (den) Frieden willst, bereite (den) Krieg vor!" Der weise Spruch geht schon auf Plato zurück, ist aber v.a. durch Cicero in der Hochzeit der römischen Bürgerkriege zu veritabler Berühmtheit gelangt. Für den Auftragskiller John Wick trifft das Sprichwort gleich in mehrfacher Hinsicht voll ins Schwarze. In seinem nun dritten Ein-Mann-Feldzug sehnt er sich endlich nach ein wenig Frieden. Zwei Mal hat er aus Rache ganze Gangsterhorden im Alleingang eliminiert bis der Abzugsfinger glühte. Da er zeitgleich mit seiner eigenen, allmächtigen Unterweltorganisation in Konflikt geriet, ist er nun selbst der Gejagte. Viel ändert sich allerdings nicht, nur dass er diesmal Verbrecher aus den eigenen Reihen im gewohnt stoischen Stakkato-Stil ausschaltet. Bei so viel Dauerfeuer an vorderster Front braucht selbst ein Meisterkiller wie Wick mal ein wenig Ruhe und sei es nur, um der Trauer um Frau und Hund endlich auch mal zeitlich gerecht werden zu können. Aber vorher heißt es eben „para bellum", schließlich zieht ein millionenschweres Kopfgeld und der Tötungsauftrag einer „Richterin" die Mordbuben an wie das Licht die Motten. Und schließlich ist auch die Waffenbezeichnung „Parabellum" unbedingter Wick-Stoff, denn wenn einer Schwarzeneggers Aufrödelungsfetischismus aus „Commando" Paroli bieten kann, dann John.

Wer jetzt einwendet, dass die Wick-Filme ohnehin nichts weiter als eine tumbe Ballerorgie für die jung-erwachsene Konsolengeneration sind, die lediglich die offenkundige Neuauflage des reaktionären Körperkinos der 80er-Jahre mit einem modernen Style-Anstrich mehr oder weniger geschickt zu kaschieren versucht, dem entgeht der durchaus gewitzte postmodernistische Einschlag. Schon das Original ("John Wick", 2014) schlug mit seinen Anleihen beim Asia-Kino und Leones Italo-Western in diese Kerbe. Als langfristige Investition reicht das aber noch nicht. Auch die zweifellos ungemein druckvollen, rhythmischen und auf finstere Art faszinierend ästhetischen Actionchoreographien sind am Ende sicher viel zu repetitiv, um drei Filme in der Erfolgsspur zu halten, geschweige denn das Einspiel jeweils fast zu verdoppeln. Das gilt umso mehr für die simple Rachegeschichte noch dazu mit dem fast schon aufreizend lächerlichen Aufhänger eines getöteten Vierbeiners.

Das erste Sequel ("John Wick : Kapitel 2", 2017) und mehr noch Teil 3 geben die eigentliche Antwort mit dem immer tieferen Eintauchen in die kriminelle Parallelwelt eines allmächtigen Gangstersyndikats. Hier kann man in diversen Continental-Hotels Schutz finden, ärztlich versorgt werden, den Waffenbestand auffüllen, oder sich gnaz schlicht von den Strapazen des Killeralltags erholen. Aber wehe man bricht die Regeln dieser ordensgleichen Bruderschaft, dann heißt es Exkommunikation, Kopfgeld und Freiwildstatus. John Wick durchlebt in „Parabellum" letzteres, nur gut, das ihm dennoch ein paar Freunde geblieben sind.
Der dritte Wick punktet aber auch mit neuen Schauplätzen wie einem fiebrigen Casablanca und einem flirrenden Wüstentrip. Inhaltlich ist das nicht immer stimmig, v.a. Wicks Zusammenkunft mit einem der Ältesten der hohen Kammer ist ein bräsiger Lawrence of Arabia-Schlenker. Auch die Bereitschaft Buße zu tun, um weiterleben und sich an die Liebe seiner Gattin erinnern zu können, ist gefühliges Geschwurbel aus der hier nie vermuteten Pilcher-Schublade.

Aber diese kleinen Ausrutscher verzeiht man gerne, wenn der Fokus sehr schnell wieder so klar und eindeutig auf dem Wesentlichen liegt. Ex-Stuntman Chad Stahelski hat auch in seiner dritten Regiearbeit noch sehr originelle Action-Ideen in petto und legt sogar beim Härtegrad nochmals nach. So greift Wick nicht nur zu Bleispritzen sämtlicher Kaliber und Größen, sondern weiß auch im Sattel von Pferden und Motorrädern zu eliminieren. Und wenn alles nichts hilft, dann tut s auch mal ein schwerer Wälzer aus der Bibliothek.
Für die gewohnt progressiven Martial-Arts-Einlagen hat sich Stahelski ebenfalls in der Chefetage umgesehen. Der arme Wick bekommt es diesmal mit Altmeister Mark Dacascos und einem Duo aus der Kampfsportgranate „The Raid" zu tun.
Des weiteren hat Halle Berry einen zwar kurzen, aber unbedingt spektakulären Auftritt und zeigt nach Bond nun schon dem zweiten älteren Supermann-Recken, wo der Hammer hängt. Ian McShane kehrt als Continental-Hotelmanager Winston ebenso zurück, wie Lance Reddick als seine rechte (Schuß-)Hand und Concierge Charon. Und schließlich darf auch Laurence Fishburne - Reeves Mentor-Kumpel aus alten Matrix-Tagen - nicht fehlen und gibt erneut den Bettler-Paten mit Revoluzzer-Attitüde.

Natürlich ist John Wicks Killer-Odyssee auch mit Kapitel 3 noch nicht auserzählt und natürlich wird dies am Ende unmissverständlich klar gemacht. Frieden wird der gute John jedenfalls so schnell nicht finden, aber bei seiner permanenten Kriegsbereitschaft ist das auch irgendwie keine stimmige Option. Und mal ehrlich, wer will schon einen meditierenden, in sich ruhenden Wick sehen? Auch Kollege Rambo hat im buddhistischen Kloster zwischendurch gerne zu den Kampfstöckchen gegriffen, das Leben/die Natur findet eben immer einen Weg. Ok, der war jetzt frei nach Jurassic Park, aber „Naturgesetz" oder so ähnlich wäre doch ein knackiger Untertitel für Kapitel 4. Muss ja nicht immer altrömisches Kulturgut sein, neuamerikanische Popkultur passt auch ganz gut zum Wick-Kosmos.

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