Auf geht’s zu einem Skandalfilm der seligen 70er, der von der damaligen Presse so rund gemacht wurde, daß er vermutlich immer noch rollen würde: Michael Winners „The Sentinel“.
Ich vermerke mal vorneweg, daß der deutsche Titel „Hexensabbat“ zwar ungemein reißerisch klingt, aber davon im fertigen Film weit und breit nichts zu sehen ist.
„The Sentinel“ wird gemeinhin als geschmackloses Plagiat von „Rosemarys Baby“ tituliert und so ganz falsch liegt man damit auch nicht, denn der Film war offensichtlich ein schnelles Cash-In für die immer noch rotierende Welle von Besessenheits- und Exorzismusfilmen, wofür auch die Wahl des Regisseurs spricht, der stets ein Synonym für robuste, wenn nicht grobschlächtige Genreware war, wie auch die „Death Wish“-Reihe mit Charles Bronson bewies. Winner war nie ein Feinwerker, sondern ging mit Hammer und Amboss zu Werke, aber das macht auch einen gewissen spekulativen Charme aus.
Der Bekanntheitsgrad (oder soll man von „berüchtigt“ sprechen) des Film rührt nicht zuletzt daher, daß sich eine schier unübersehbare Anzahl von bekannten Altmimen hier ein kurzweiliges Stelldichein gaben, was im krassen Gegensatz zur geschmacklichen Ausbeutung des Themas steht.
Allein abzuarbeiten, wer wann gerade im Bild ist, macht schon den halben Spaß aus.
Da haben wir Arthur Kennedy als mysteriösen Kirchenmann, Jose Ferrer als sein Mitverschwörer zu Beginn, Martin Balsam als leicht tüdeliger Sprachexperte, Ava Gardner als leicht zickige Wohnungsvermittlerin, Burgess Meredith als viehzeugübersäten Mitbewohner, Althorrorstar John Carradine als blinder Priester, Eli Wallach als Polizist, Sylvia Miles als aufgedunsene Lesbe und Jerry „Law and Order“ Orbach als Clipregisseur.
Und während man sich noch an den Altstars erfreut, fliegen einem die zukünftigen Jungstars in frühen Rollen gleich reihenweise um die Ohren: Beverly D’Angelo ebenfalls als Lesbe, Christopher Walken als Wallachs Kollege, Jeff Goldblum als Fotograf, Chris Sarandon als Anwalt und zum Schluß schauen auch noch Tom Berenger und Nana Visitor vorbei – so macht das Spaß.
Worum geht es also, wenn nicht um einen Hexensabbat oder eine satanische Schwangerschaft?
Im Wesentlichen um ein mysteriöses Haus mitten in Brooklyn, in dem Model Alison, gespielt von Model Christina Raines, sich eine Wohnung nimmt, weil sie mit ihrem Gschpusi Michael, der von der Polizei immer noch verdächtigt wird, seine erste Frau auf dem Gewissen zu haben, noch nicht zusammen ziehen will.
Die gute Alison ist sowieso arg angeschlagen, weil sie sich schon mal die Pulsadern ventiliert hat, nachdem sie ihren altersschwachen Daddy im Infight mit zwei häßlichen und überfetten Uschis im elterlichen Schlafzimmer erwischt (iiih!). Damit ist sie prädestiniert für eine okkulte Verschwörung, die irgendwie mit dem blinden Carradine zu tun hat, der im fünften Stock beständig aus dem Fenster schaut.
Baldigst nerven Alison allerlei merkwürdige bis beknackt aufdringliche Hausbewohner (Sonderaward im Fremdschämen für das Debut von Beverly D’Angelo, die sich beim Kaffee vor Alison mal eben in Großaufnahme einen rubbelt (buhaha...)), die aber – shocking – in Wirklichkeit gar nicht dort wohnen, bzw. eventuell gar nicht existent sind. Und weil Alison darob bei der Arbeit immer öfter mal abdreht oder zusammenbricht, ist die Grütze schon bald am Kochen...
Nein – es ist wirklich kein Feinschliff an diesem Film. Hier soll ein gewisses Schockpotential und eine bizarre Abstrusität verarbeitet werden und zu diesem Zweck werden die Zuschauer wie Alison durch das Haus und immer neue Situationen geschleift, ohne zu ahnen, was hier denn wirklich vorgeht.
Manches davon ist albern, einiges eklig und bei so mancher Szene fühlt man sich einfach nur nicht wohl – insofern funktioniert der Film wirklich prima.
Effektealtmeister Albert Whitlock gab dann auch sein Bestes, um in den gruseligen Szenen richtig vom Leder zu ziehen, especially in einer Sequenz, in der Alison das sonst leere Haus wegen nächtlicher Schritte über ihr mit Lampe durchsucht (Respekt dafür!) und in der überliegenden Wohnung von einer leichenähnlichen Figur attackiert wird, die ihrem Vater ähnelt, was sie nicht daran hindert, ihn aufzuschlitzen und ihm ein Auge und die Nase wegzusäbeln. Dazu kommen ein paar bizarre Traumsequenzen mit reichlich unattraktiven nackten Frauen, die einem das Gefühl des Abscheus noch näher bringen.
Besonderen Ärger brachte Winner das Finale, in dem Alison nächtens ihre Bestimmung in diesem Gewusel erfährt, als sie im Haus von reichlich Dämonen und Abnormen attackiert wird, die Winner relativ riskiobewußt mit echten Abnormen oder Mißbildeten (was man auch mit Masken hätte machen können) inszenierte, was den ausbeuterischen Charakter der Films noch betonte. Allerdings wird letztendlich schon jeder der Teilnehmer gewußt haben, was er da spielt.
Ansonsten ist der Film ziemlich uneben und fragmentiert, immer wieder sorgen Wallach und Walken für erklärende Einschübe, die aber letztendlich nicht wirklich wichtig sind, während der Hauptteil der okkulten Aufklärung dann bei Alisons Freund Michael hängen bleibt, der dem Höllentreiben auf den Grund gehen will. Mit nur knapp 90 Minuten Lauflänge ist das dann zwar kein Verlust, aber eine ruhige Einführung, viele wirre Episoden und der Overkill am Schluß wirken dann doch befremdend.
Aber immerhin: ein ungutes und auch gruseliges Gefühl kommt trotzdem auf, wenn die Protagonisten durch leere halbmöblierte Wohnungen wandern und sich das Gefühl steter Verunsicherung breitmacht. Und für Blut ist auch gesorgt, da läuft so einiges rum, was längst unter der Erde hätte sein müssen.
Natürlich, „The Sentinel“ ist grob, verquer, geschmacklich bedenklich und hastig konstruiert, aber er hat schöne Bilder, eine ungemütliche Atmosphäre, eine prima Ausstattung und dann natürlich dieser Cast...
Richtig mögen kann man den Film wohl nicht, aber er übt einen morbiden Reiz aus, wie ihn nur diese B-Movies und Exploiter aus den 70ern drauf hatten, als alles erst mal fürs Kino bereitet wurde und so auf schnelle Videoclipästhetik verzichtet wurde. Nicht zum Essen und nicht bei Kerzenlicht: 7/10!