Review

THE BACKYARD ist eine Doku über sogenanntes Backyard-Wrestling, das in den USA, und dort besonders in den Vorstädten, anscheinend so verbreitet ist wie McDonald's und Burger King (... übertriebener Vergleich, aber ihr wisst schon, was ich meine ...).
THE BACKYARD entführt uns anfangs in die karge Wüste Nevadas, wo sich zwei Brüder, zwei erwachsene und auf den ersten Blick geistig gesunde Männer, in einem Ring aus Stacheldraht Neonröhren und Gartenstühle über den Schädel ziehen. Die Mutter der beiden steht am Rand des Rings und feuert die beiden an, die Freundin des einen Bruders filmt das ganze und ist den Tränen nahe. Nachdem der eine den anderen durch eine brennende, mit Stacheldraht umwickelte Holzplatte in eine mit Glühbirnen ausgelegte Erdgrube gedonnert hat, ist der Kampf vorbei.

Männer, die mit Baseballschlägern oder mit Brettern, durch die Nägel geschlagen wurden, aufeinander losgehen, die von einer Staffelei aus mit einem Salto auf den Gegner draufspringen oder den Kontrahenden schlicht und ergreifend anzünden ..... - das ist THE BACKYARD!
Doch halt! Diese Backyard-Kämpfe sind keine "Fight Clubs", in denen willkürlich aufeinander eingeprügelt wird!
So unglaublich das jetzt klingt, aber die Backyard-Kämpfe nehmen sich durchaus Profi-Catcher wie Hulk Hogan oder Van Dam zum Vorbild und sind somit FAKE!
Oh ja, Moves und Würfe sind mehr oder weniger einstudiert und meistens steht auch der Ausgang des Matches bereits zu Beginn fest. Der Kampf ist also gestellt und "nicht echt"!

Was allerdings echt ist, ist der Schmerz und das Blut das fließt, sind die Prellungen, Platzwunden und Schnittverletzungen.
Im Endeffekt haben die Hinterhof-Wrestler aber das gleiche Ziel wie die Profis: unterhalten und eine gute Show abliefern.

"White Trash, Get Down on Your Knees! It's Time for Cake and Sodomy!!!"
... so mein selbstbastelter Slogan zu Beginn des Films.
In der Tat: THE BACKYARD liefert einen tollen Einblick in das Leben des "Weißen Abfalls" der USA ab: Arbeitslosigkeit, Armut, ein Leben unterhalb des Mittelstandes, ... keine Perspektive, kein Highschool-Abschluss, kein Dad, der einem bei schlechten Noten lächelnd auf die Schulter klopft .....
........... aber: EIN TRAUM!!! Ein Traum von einer Karriere als Profi-Wrestler ...

Anfangs fand ich es krass, welch geistiges Armutszeugnis den Amis hiermit mal wieder ausgestellt wird. Gedanken wie "Ham die nix besseres zu tun!?" oder "Können die so weit denken, wie ein Schwein scheißt!?" schwirrten mir durch den Kopf, da der Film zu Beginn mit unheimlich viel blinder Aggressivität, Zerstörungswut, haltlosem (Selbst-)Verstümmelungsdrang und maßlosem Masochismus daherkommt.
Doch nach und nach kommt man dahinter, was die Jungs und Männer dazu treibt sich gegenseitig blutig zu schlagen.
Es ist ihre Vision, es ist ihre Langeweile, es ist ... naja, ihr Hobby.
Und nach und nach kommt man auch dahinter, dass das auf den ersten Blick unmenschlich rohe Treiben nichts anderes als ein ziemlich extremer Extremsport ist, und dass die Kämpfe in gewisser Weise, wie jeder andere Sport eben auch, Teamgeist und Wir-Gefühl fördern.

Doch zu welchem Preis? Darf man als Elternteil oder als Familienmitglied derartige Aktivitäten unterstützen? Soll man seinem Kind bei der scheinbaren Verwirklichung eines derartigen Traumes behilflich sein?
Was ist besser: Kids, die sich mangels Perspektive den ganzen Tag über volllaufen lassen oder sich in aller Heimlichkeit gepflegt die Birne wegkiffen,
oder Kids, die sich in Nachbars Garten ins Krankenhaus "wresteln"?
... Fragen, die in Zeiten von "Jackass", "Popstars", "Wer wird Millionär?" und 5 Millionen Arbeitslosen gar nicht so leicht zu beantworten sind ...

Sehr gut, dass auch THE BACKYARD selbst keine Antwort darauf liefert. Er drängt dem Zuschauer nicht auf, die dargestellte "Gewalt" brutal oder sinnlos zu finden, auch werden die Protagonisten hier nicht mit den irren "This is our Country and we have to protect it"-Waffennarren aus "Bowling for Columbine" gleichgestellt.
Alle Catcher, allen voran "The Lizard", "Chaos" und "Bane", die die meiste Zeit im Mittelpunkt des Geschehens stehen, werden sehr sympathisch und vor allem menschlich dargestellt und beweisen manchmal sogar etwas Tiefgang: "Maybe Pain is the Only Thing that's always there for me!", so "Bane" als er über den von ihm verkörperten Charakter schwelgt, der aber lediglich als Maske seiner Selbst dient.

Dargestellt werden außerdem Eltern, die ihre Söhne beim Wrestling unterstützen, und Eltern, die dies nicht tun. Beide Parteien nennen ihre Gründe, eine Meinung muss sich der Zuschauer aber wie gesagt selber bilden.
Es werden allerdings auch 12-jährige Jungs gezeigt, die sich im Kampf z.B. mit Rasierklingen schneiden. Das ist dann natürlich ziemlich derb und lässt den Film somit ständig zwischen zwei Polen schwingen.

So, mein Fazit:
Sehr harte Doku über verträumte Verlierer, kleine Superstars und die schier unersättliche Gier der Masse nach immer krasser werdenden Perversionen und Abartigkeiten.
Kein Fun á la "Jackass" oder "CKY", kein "Fuck America" á la "Bowling for Columbine", sondern klaffende Cuts und blutverschmierte Gesichter als die liebste Freizeitbeschäftigung, ein kleine Portion Alltagspoesie und die Hoffnung, die wie immer zuletzt stirbt.
"White Trash, Get Down On Your Knees ..." ... ihr kennt den Text ...

Details
Ähnliche Filme